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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Lettern und den Druck auf Pergament zu besorgen. Dieser wendete allen Fleiß
auf die Arbeit und erhielt von des Kaisers Bankier Hans Baumgartner in
Augsburg zwanzig Gulden für Pergament und andre Auslage" vorgestreckt. Schon
am 24. August 1513 glaubte der Kaiser, daß der Druck vollendet sei, und
schrieb an Peutinger, er möge ihm zehn Exemplare zuschicken. Peutinger hörte
jedoch auf seine Erkundigung von Schönsperger, daß dieser an Pressen Mangel
habe und noch in sechs Wochen kaum imstande sein werde, den Druck zu vollenden.
Doch konnte der Gelehrte am 3. Oktober 1513 dem Kaiser bereits einen Probe¬
trunk auf Pergament zuschicken. Der endgiltige Druck verzögerte sich noch
bis zum Januar 1514, denn das Gebetbuch trägt am Schlüsse des Textes
die Angabe: ^os-nnks ZollosnsxsrAör Oivis L.ng'N8eg,in>8 imprimsbat. L.rav
sMtis NVXIIH. III. Xalönclas ^iurus-rii. Da das Buch heute sehr selten ge¬
worden ist, muß man schließen, daß auf den Wunsch des Kaisers nur sehr
wenige Exemplare gedruckt worden sind. Ein gut erhaltenes, vollständiges,
aus der Fuggerschen Sammlung stammendes Exemplar befindet sich in der
kaiserlichen Hofbibliothek zu Wien, ein zweites, ans der Sammlung Johes in
Linz stammendes in der Bibliothek des britischen Museums. Des Kaisers
Handexemplar endlich, das leider in verhältnismäßig schlecht erhaltenem Zustande
ist, befindet sich heute an zwei Orten verteilt: die eine, erste Hälfte wird in der
königlichen Staatsbibliothek zu München, die andre, erst ganz kürzlich bekannt
gewordene in der Bibliothek zu Bescmyon bewahrt. Über die Zugehörigkeit
des Bescmyoner Bruchstückes zu dem Münchener Schatze kann nicht der geringste
Zweifel sein, da es mit der Seite beginnt, wo das Münchener Exemplar auf¬
hört. Nur dieses zur Hälfte in München, zur Hälfte in BesaneM bewahrte
Handexemplar des Kaisers ist für uns wichtig. In diesem seinein Handexemplare
wollte der Kaiser nämlich ein künstlerisches Schatzkästlein besitzen und überant¬
wortete es den bedeutendsten Künstlern des deutsche" Vaterlandes, um sich die
einzelnen, den Text umgebenden breiten Pergamentränder mit Randzeichnungcn
schmücken zu lassen. Zuerst erhielt es der Altmeister Dürer, der 45 Blätter
des Buches in der launigsten Weise mit grüner, roter und violetter Dinte
illustrirte. Alles schwirrt und sprießt von Ornamenten und Figuren, es ist die
lieblichste Textumrahmuug, die man sich denken kann. Nachdem Albrecht Dürer
seine Arbeit geliefert hatte, ging das Buch weiter an Lukas Cranach. Ihm
gehören die letzten acht Randzeichnungen des Münchener Bruchstückes, sowie
die erste Hälfte im Bescmyoner Fragmente an. Auch Meister Cranach liefert
sein bestes. Auf der Höhe Dürers weiß er sich freilich nicht zu halten. Er
faßt namentlich seine Aufgabe nur als Ornamentirung, nicht als geistreiche
Illustration auf. Hirsche, Rehe, Elenntierc und andre jagdbare Tiere, Storchen-
und Affenfamilien, auf Böcken fahrende Hexen, endlich auch Evangelisten und
Kirchenväter sind in braunroter Dinte am Rande angebracht. Von Sachsen
wanderte das Büchlein nach dem Elsaß und wurde einem dortigen bis jetzt


Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.

Lettern und den Druck auf Pergament zu besorgen. Dieser wendete allen Fleiß
auf die Arbeit und erhielt von des Kaisers Bankier Hans Baumgartner in
Augsburg zwanzig Gulden für Pergament und andre Auslage» vorgestreckt. Schon
am 24. August 1513 glaubte der Kaiser, daß der Druck vollendet sei, und
schrieb an Peutinger, er möge ihm zehn Exemplare zuschicken. Peutinger hörte
jedoch auf seine Erkundigung von Schönsperger, daß dieser an Pressen Mangel
habe und noch in sechs Wochen kaum imstande sein werde, den Druck zu vollenden.
Doch konnte der Gelehrte am 3. Oktober 1513 dem Kaiser bereits einen Probe¬
trunk auf Pergament zuschicken. Der endgiltige Druck verzögerte sich noch
bis zum Januar 1514, denn das Gebetbuch trägt am Schlüsse des Textes
die Angabe: ^os-nnks ZollosnsxsrAör Oivis L.ng'N8eg,in>8 imprimsbat. L.rav
sMtis NVXIIH. III. Xalönclas ^iurus-rii. Da das Buch heute sehr selten ge¬
worden ist, muß man schließen, daß auf den Wunsch des Kaisers nur sehr
wenige Exemplare gedruckt worden sind. Ein gut erhaltenes, vollständiges,
aus der Fuggerschen Sammlung stammendes Exemplar befindet sich in der
kaiserlichen Hofbibliothek zu Wien, ein zweites, ans der Sammlung Johes in
Linz stammendes in der Bibliothek des britischen Museums. Des Kaisers
Handexemplar endlich, das leider in verhältnismäßig schlecht erhaltenem Zustande
ist, befindet sich heute an zwei Orten verteilt: die eine, erste Hälfte wird in der
königlichen Staatsbibliothek zu München, die andre, erst ganz kürzlich bekannt
gewordene in der Bibliothek zu Bescmyon bewahrt. Über die Zugehörigkeit
des Bescmyoner Bruchstückes zu dem Münchener Schatze kann nicht der geringste
Zweifel sein, da es mit der Seite beginnt, wo das Münchener Exemplar auf¬
hört. Nur dieses zur Hälfte in München, zur Hälfte in BesaneM bewahrte
Handexemplar des Kaisers ist für uns wichtig. In diesem seinein Handexemplare
wollte der Kaiser nämlich ein künstlerisches Schatzkästlein besitzen und überant¬
wortete es den bedeutendsten Künstlern des deutsche» Vaterlandes, um sich die
einzelnen, den Text umgebenden breiten Pergamentränder mit Randzeichnungcn
schmücken zu lassen. Zuerst erhielt es der Altmeister Dürer, der 45 Blätter
des Buches in der launigsten Weise mit grüner, roter und violetter Dinte
illustrirte. Alles schwirrt und sprießt von Ornamenten und Figuren, es ist die
lieblichste Textumrahmuug, die man sich denken kann. Nachdem Albrecht Dürer
seine Arbeit geliefert hatte, ging das Buch weiter an Lukas Cranach. Ihm
gehören die letzten acht Randzeichnungen des Münchener Bruchstückes, sowie
die erste Hälfte im Bescmyoner Fragmente an. Auch Meister Cranach liefert
sein bestes. Auf der Höhe Dürers weiß er sich freilich nicht zu halten. Er
faßt namentlich seine Aufgabe nur als Ornamentirung, nicht als geistreiche
Illustration auf. Hirsche, Rehe, Elenntierc und andre jagdbare Tiere, Storchen-
und Affenfamilien, auf Böcken fahrende Hexen, endlich auch Evangelisten und
Kirchenväter sind in braunroter Dinte am Rande angebracht. Von Sachsen
wanderte das Büchlein nach dem Elsaß und wurde einem dortigen bis jetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/142>, abgerufen am 23.07.2024.