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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Mühe nicht verdrießen lassen, unser schönes Besitztum so lange und so gründ¬
lich zu studiren, bis es in Wirklichkeit ein Teil von uns geworden ist und uus
ganz auf den Leib paßt. Mit der innern Ausstattung sind wir schon ziemlich
im Reinen. Wir wissen, warum nicht Mahagonimöbel in unser sogenanntes
Herrenzimmer taugten, sondern Nußbaum in Verbindung mit Ebenholz und
knappen Jntarsiaschmnck; wir haben es jetzt schon im bloßen Gefühl, daß zwischen
de" Nußbcmmlambris, der Balkendecke aus lichtem, genäherten Holz, dem hohen
und breiten Serpentinkcimin, der Stutzuhr aus Ebenholz mit dem Zifferblatt
ans mattem Silber und Schmelz, daß zwischen dieser ganzen, den venetianischen
Palästen so gut abgelauschten Ausstattung nicht das nüchterne und gemein ge¬
wordene Mahagoni seinen Platz finden konnte; wir wissen, daß --

Du weißt es, mußt du sagen, oder vielmehr ich, der ewig fleißig studirende
Kaspar Benedikt, weiß es, fiel ihm Frau Anna in die Rede, denn bei mir im
Kopfe sieht es noch erstaunlich dunkel aus, und mein guter Mann muß sich
noch auf manche Geduldsprobe gefaßt machen. Aber Recht hast du wie immer,
und mir ist plötzlich in der Villa Anna noch einmal so leicht ums Herz. Zu
meiner Entschuldigung mag etwas dienen, was nun auch heraus soll -- mich
drückte der Gedanke: wie wird sich unser Berthold und mit wem wird er sich
hier einrichten? Nun, Gott sei Dank! Ich habe für ihn jetzt auch eine
Braut -- rate!

Daher also in letzter Zeit deine Zerstreutheit? lachte Kaspar Benedikt; wenn
ihr Weiber nur Heiratsprojekte schmieden könnt!

Rate! Ich habe meine Zeit hoffentlich auch nicht schlecht angewendet.

Was soll das Raten helfen? Unser Berthold steckt wer weiß wo im Ur-
walde. Wenn er sich in eine kupferfarbige Indianerin verliebt hat, müssen wir
es uns gefallen lassen.

Schäme dich.

Wir sind doch keine regierenden Herren, die, ohne ihre Kinder zu fragen,
über deren Hand und Herz verfügen. Dir ist wohl die Verlobungsgeschichte
von dem spätern Erbauer des Meißener Schlosses, von der wir neulich lasen,
zu Kopfe gestiegen. Wie alt oder wie jung vielmehr war die kleine Tedeua
noch, als man sie für ihn auf die Seite stellte? Neun Jahre, denke ich, und
ihr Verlobter siebzehn. Nein, Alte, der Berthold soll sich im Punkte des Hei-
ratens nicht von uns bevormunden lassen.

So behalt ich meine Weisheit auch für mich, schmollte Frau Anna.

Es ist übrigens ein Brief von ihm da. Er kommt nächstens heim.

Und das sagst du mir erst jetzt?

Der Brief mußte heraus, und Frau Anna war wieder ganz Glück und
Sonnenschein. Er wird mit seiner Braut zufrieden sein, rief sie, dafür über¬
nehme ich die Bürgschaft.

Sie würde im Besitz der Brille des Köhlers in dem Däumlings marcher


Auf der Leiter des Glücks.

Mühe nicht verdrießen lassen, unser schönes Besitztum so lange und so gründ¬
lich zu studiren, bis es in Wirklichkeit ein Teil von uns geworden ist und uus
ganz auf den Leib paßt. Mit der innern Ausstattung sind wir schon ziemlich
im Reinen. Wir wissen, warum nicht Mahagonimöbel in unser sogenanntes
Herrenzimmer taugten, sondern Nußbaum in Verbindung mit Ebenholz und
knappen Jntarsiaschmnck; wir haben es jetzt schon im bloßen Gefühl, daß zwischen
de» Nußbcmmlambris, der Balkendecke aus lichtem, genäherten Holz, dem hohen
und breiten Serpentinkcimin, der Stutzuhr aus Ebenholz mit dem Zifferblatt
ans mattem Silber und Schmelz, daß zwischen dieser ganzen, den venetianischen
Palästen so gut abgelauschten Ausstattung nicht das nüchterne und gemein ge¬
wordene Mahagoni seinen Platz finden konnte; wir wissen, daß —

Du weißt es, mußt du sagen, oder vielmehr ich, der ewig fleißig studirende
Kaspar Benedikt, weiß es, fiel ihm Frau Anna in die Rede, denn bei mir im
Kopfe sieht es noch erstaunlich dunkel aus, und mein guter Mann muß sich
noch auf manche Geduldsprobe gefaßt machen. Aber Recht hast du wie immer,
und mir ist plötzlich in der Villa Anna noch einmal so leicht ums Herz. Zu
meiner Entschuldigung mag etwas dienen, was nun auch heraus soll — mich
drückte der Gedanke: wie wird sich unser Berthold und mit wem wird er sich
hier einrichten? Nun, Gott sei Dank! Ich habe für ihn jetzt auch eine
Braut — rate!

Daher also in letzter Zeit deine Zerstreutheit? lachte Kaspar Benedikt; wenn
ihr Weiber nur Heiratsprojekte schmieden könnt!

Rate! Ich habe meine Zeit hoffentlich auch nicht schlecht angewendet.

Was soll das Raten helfen? Unser Berthold steckt wer weiß wo im Ur-
walde. Wenn er sich in eine kupferfarbige Indianerin verliebt hat, müssen wir
es uns gefallen lassen.

Schäme dich.

Wir sind doch keine regierenden Herren, die, ohne ihre Kinder zu fragen,
über deren Hand und Herz verfügen. Dir ist wohl die Verlobungsgeschichte
von dem spätern Erbauer des Meißener Schlosses, von der wir neulich lasen,
zu Kopfe gestiegen. Wie alt oder wie jung vielmehr war die kleine Tedeua
noch, als man sie für ihn auf die Seite stellte? Neun Jahre, denke ich, und
ihr Verlobter siebzehn. Nein, Alte, der Berthold soll sich im Punkte des Hei-
ratens nicht von uns bevormunden lassen.

So behalt ich meine Weisheit auch für mich, schmollte Frau Anna.

Es ist übrigens ein Brief von ihm da. Er kommt nächstens heim.

Und das sagst du mir erst jetzt?

Der Brief mußte heraus, und Frau Anna war wieder ganz Glück und
Sonnenschein. Er wird mit seiner Braut zufrieden sein, rief sie, dafür über¬
nehme ich die Bürgschaft.

Sie würde im Besitz der Brille des Köhlers in dem Däumlings marcher


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[0112] Auf der Leiter des Glücks. Mühe nicht verdrießen lassen, unser schönes Besitztum so lange und so gründ¬ lich zu studiren, bis es in Wirklichkeit ein Teil von uns geworden ist und uus ganz auf den Leib paßt. Mit der innern Ausstattung sind wir schon ziemlich im Reinen. Wir wissen, warum nicht Mahagonimöbel in unser sogenanntes Herrenzimmer taugten, sondern Nußbaum in Verbindung mit Ebenholz und knappen Jntarsiaschmnck; wir haben es jetzt schon im bloßen Gefühl, daß zwischen de» Nußbcmmlambris, der Balkendecke aus lichtem, genäherten Holz, dem hohen und breiten Serpentinkcimin, der Stutzuhr aus Ebenholz mit dem Zifferblatt ans mattem Silber und Schmelz, daß zwischen dieser ganzen, den venetianischen Palästen so gut abgelauschten Ausstattung nicht das nüchterne und gemein ge¬ wordene Mahagoni seinen Platz finden konnte; wir wissen, daß — Du weißt es, mußt du sagen, oder vielmehr ich, der ewig fleißig studirende Kaspar Benedikt, weiß es, fiel ihm Frau Anna in die Rede, denn bei mir im Kopfe sieht es noch erstaunlich dunkel aus, und mein guter Mann muß sich noch auf manche Geduldsprobe gefaßt machen. Aber Recht hast du wie immer, und mir ist plötzlich in der Villa Anna noch einmal so leicht ums Herz. Zu meiner Entschuldigung mag etwas dienen, was nun auch heraus soll — mich drückte der Gedanke: wie wird sich unser Berthold und mit wem wird er sich hier einrichten? Nun, Gott sei Dank! Ich habe für ihn jetzt auch eine Braut — rate! Daher also in letzter Zeit deine Zerstreutheit? lachte Kaspar Benedikt; wenn ihr Weiber nur Heiratsprojekte schmieden könnt! Rate! Ich habe meine Zeit hoffentlich auch nicht schlecht angewendet. Was soll das Raten helfen? Unser Berthold steckt wer weiß wo im Ur- walde. Wenn er sich in eine kupferfarbige Indianerin verliebt hat, müssen wir es uns gefallen lassen. Schäme dich. Wir sind doch keine regierenden Herren, die, ohne ihre Kinder zu fragen, über deren Hand und Herz verfügen. Dir ist wohl die Verlobungsgeschichte von dem spätern Erbauer des Meißener Schlosses, von der wir neulich lasen, zu Kopfe gestiegen. Wie alt oder wie jung vielmehr war die kleine Tedeua noch, als man sie für ihn auf die Seite stellte? Neun Jahre, denke ich, und ihr Verlobter siebzehn. Nein, Alte, der Berthold soll sich im Punkte des Hei- ratens nicht von uns bevormunden lassen. So behalt ich meine Weisheit auch für mich, schmollte Frau Anna. Es ist übrigens ein Brief von ihm da. Er kommt nächstens heim. Und das sagst du mir erst jetzt? Der Brief mußte heraus, und Frau Anna war wieder ganz Glück und Sonnenschein. Er wird mit seiner Braut zufrieden sein, rief sie, dafür über¬ nehme ich die Bürgschaft. Sie würde im Besitz der Brille des Köhlers in dem Däumlings marcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/112>, abgerufen am 04.07.2024.