Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Psisters Mühle. Gehölz zuzieht, auf das Land fällt, hebt der letzte Gast in dem einst so lebendigen, Der Garten voll bis zum Überquellen! Ist es nicht, als habe sich die halbe Vater Pfister! Vater Pfister! Was soll denn das heißen, saufe, daß sich Es wird eben frisch angestochen, meine Herren, brummt saufe -- unser Wie in Psisters Mühle, Herr Asche, hat saufe erwiedert, und es ist ganz Psisters Mühle. Gehölz zuzieht, auf das Land fällt, hebt der letzte Gast in dem einst so lebendigen, Der Garten voll bis zum Überquellen! Ist es nicht, als habe sich die halbe Vater Pfister! Vater Pfister! Was soll denn das heißen, saufe, daß sich Es wird eben frisch angestochen, meine Herren, brummt saufe — unser Wie in Psisters Mühle, Herr Asche, hat saufe erwiedert, und es ist ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157024"/> <fw type="header" place="top"> Psisters Mühle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303"> Gehölz zuzieht, auf das Land fällt, hebt der letzte Gast in dem einst so lebendigen,<lb/> jetzt so verlassenen, stillen Garten von Psisters Mühle unwillkürlich die Hand<lb/> und sieht sich erschreckt um: Welch' ein wunderlich Mittagsgespenst in der schwülen,<lb/> grünen, goldnen Einsamkeit von Psisters Mühlengarten! welch ein bunter, fröh¬<lb/> licher und doch dem letzten Stammgast so sehr das Herz beklemmender Abend¬<lb/> zauber jetzt — jetzt zwischen elf und zwölf Uhr, um die Mitte des Tages! ...</p><lb/> <p xml:id="ID_305"> Der Garten voll bis zum Überquellen! Ist es nicht, als habe sich die halbe<lb/> Stadt ein Stelldichein in Psisters Mühle gegeben? Alt und jung bis zu den<lb/> Allerjüngsten in der Wagenburg von mehr oder weniger eleganten Kinderwagen!<lb/> Männlein und Fräulein, und die letztern in den zierlichsten, duftigsten Sommer¬<lb/> gewändern! Lehrstand, Wehrstand und Nährstand! Die Herren Studenten von<lb/> allen Farben, und einige von ihnen — den Herren Studirenden — wirklich<lb/> bereits auf den bequemeren Baumästen, wahrscheinlich um von denselben die<lb/> Sonne bequemer untergehen zu sehen und einen objektiveren Überblick über das<lb/> Philistertum im Ganzen, die hübschen Mädchen und die Mütter der letztern im<lb/> Einzelnen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_306"> Vater Pfister! Vater Pfister! Was soll denn das heißen, saufe, daß sich<lb/> kein Mensch von euch in dieser Region blicken läßt?</p><lb/> <p xml:id="ID_307"> Es wird eben frisch angestochen, meine Herren, brummt saufe — unser<lb/> saufe, ein Drittel Mühlknappe, ein Drittel Ackerknecht, ein Drittel Dorf- und<lb/> Gartenkellner, und also ganz und gar von der Zipfelkappe bis zu den Nägel¬<lb/> schuhen, mit Mehlstaubjacke und Serviette, in Griff und Tritt und Ton, voll¬<lb/> kommen, unverbesserlich, gar nicht anders zu denken und zu wünschen —<lb/> Psisters Mühle! Doktor Asche hat ihn heute in Berlin als alten, behäbigen,<lb/> weißköpfigen Herrn, hat ihm statt der Müllerjacke einen langen, behaglichen<lb/> dunkelgrünen Rock, im Winter mit Pelzkragen ankomplimentirt, ihm einen Lehn¬<lb/> stuhl in eine gemütliche Wachtstube neben der großen Eingangspforte hingestellt<lb/> und gesagt: Sie halten die Augen wohl ein wenig offen, saufe, und passen<lb/> mir hübsch auf Alles, was ein- und ausgeht, alter Knabe. Ls-of oÄNsm! Ist<lb/> der Junge ans den Windeln, so passen Sie mir auch auf den wohl ein bißchen<lb/> mit, lieber Freund.</p><lb/> <p xml:id="ID_308"> Wie in Psisters Mühle, Herr Asche, hat saufe erwiedert, und es ist ganz<lb/> gut so. Wie würde er uns verkümmert sein bei den gestellten Rädern und<lb/> unter den leeren Tischen und Bänken von Psisters Mühle! Wie schlecht hätte<lb/> er sich, auch in meiner Gesellschaft, an einem Morgen wie der heutige, aus<lb/> dieser Bank, an diesem Tische gegen das zu wehren vermocht, was vorbei war<lb/> und niemals wiederkommen konnte! Der alte Grobian und getreue Knecht hatte<lb/> sich eben nur unter den Menschen und nicht auch unter den Büchern umgetrieben.<lb/> Er hätte nicht seine Gefühle zu Papier gebracht; höchstens würde man ihn<lb/> nach längern Suchen und Rufen aus dem Bach aufgefischt oder von einem<lb/> Strick in einem dunkeln Winkel von Psisters Anwesen abgeschnitten haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Psisters Mühle.
Gehölz zuzieht, auf das Land fällt, hebt der letzte Gast in dem einst so lebendigen,
jetzt so verlassenen, stillen Garten von Psisters Mühle unwillkürlich die Hand
und sieht sich erschreckt um: Welch' ein wunderlich Mittagsgespenst in der schwülen,
grünen, goldnen Einsamkeit von Psisters Mühlengarten! welch ein bunter, fröh¬
licher und doch dem letzten Stammgast so sehr das Herz beklemmender Abend¬
zauber jetzt — jetzt zwischen elf und zwölf Uhr, um die Mitte des Tages! ...
Der Garten voll bis zum Überquellen! Ist es nicht, als habe sich die halbe
Stadt ein Stelldichein in Psisters Mühle gegeben? Alt und jung bis zu den
Allerjüngsten in der Wagenburg von mehr oder weniger eleganten Kinderwagen!
Männlein und Fräulein, und die letztern in den zierlichsten, duftigsten Sommer¬
gewändern! Lehrstand, Wehrstand und Nährstand! Die Herren Studenten von
allen Farben, und einige von ihnen — den Herren Studirenden — wirklich
bereits auf den bequemeren Baumästen, wahrscheinlich um von denselben die
Sonne bequemer untergehen zu sehen und einen objektiveren Überblick über das
Philistertum im Ganzen, die hübschen Mädchen und die Mütter der letztern im
Einzelnen zu haben.
Vater Pfister! Vater Pfister! Was soll denn das heißen, saufe, daß sich
kein Mensch von euch in dieser Region blicken läßt?
Es wird eben frisch angestochen, meine Herren, brummt saufe — unser
saufe, ein Drittel Mühlknappe, ein Drittel Ackerknecht, ein Drittel Dorf- und
Gartenkellner, und also ganz und gar von der Zipfelkappe bis zu den Nägel¬
schuhen, mit Mehlstaubjacke und Serviette, in Griff und Tritt und Ton, voll¬
kommen, unverbesserlich, gar nicht anders zu denken und zu wünschen —
Psisters Mühle! Doktor Asche hat ihn heute in Berlin als alten, behäbigen,
weißköpfigen Herrn, hat ihm statt der Müllerjacke einen langen, behaglichen
dunkelgrünen Rock, im Winter mit Pelzkragen ankomplimentirt, ihm einen Lehn¬
stuhl in eine gemütliche Wachtstube neben der großen Eingangspforte hingestellt
und gesagt: Sie halten die Augen wohl ein wenig offen, saufe, und passen
mir hübsch auf Alles, was ein- und ausgeht, alter Knabe. Ls-of oÄNsm! Ist
der Junge ans den Windeln, so passen Sie mir auch auf den wohl ein bißchen
mit, lieber Freund.
Wie in Psisters Mühle, Herr Asche, hat saufe erwiedert, und es ist ganz
gut so. Wie würde er uns verkümmert sein bei den gestellten Rädern und
unter den leeren Tischen und Bänken von Psisters Mühle! Wie schlecht hätte
er sich, auch in meiner Gesellschaft, an einem Morgen wie der heutige, aus
dieser Bank, an diesem Tische gegen das zu wehren vermocht, was vorbei war
und niemals wiederkommen konnte! Der alte Grobian und getreue Knecht hatte
sich eben nur unter den Menschen und nicht auch unter den Büchern umgetrieben.
Er hätte nicht seine Gefühle zu Papier gebracht; höchstens würde man ihn
nach längern Suchen und Rufen aus dem Bach aufgefischt oder von einem
Strick in einem dunkeln Winkel von Psisters Anwesen abgeschnitten haben.
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