Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert. der Sturm neuer Jahrhunderte verwüstend durch die Straßen und Plätze der Auch die andern Schlösser des Landes sind größtenteils verfallen. An der Für die Folgezeit am wichtigsten wurden die von August und Christian Grenzboten IV. 1884.12
Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert. der Sturm neuer Jahrhunderte verwüstend durch die Straßen und Plätze der Auch die andern Schlösser des Landes sind größtenteils verfallen. An der Für die Folgezeit am wichtigsten wurden die von August und Christian Grenzboten IV. 1884.12
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Sachsens Aunstleben im sechzehnten Jahrhundert.
der Sturm neuer Jahrhunderte verwüstend durch die Straßen und Plätze der
Stadt fuhr. Am ehesten kann noch die zierliche Architektur des Stallhofes in
ihrer Stille und Abgeschlossenheit, mit dem köstlichen Rot des herbstlichen, an
den hohen Wänden sich hinanziehenden Weinlaubes die alte vergangene Herrlich¬
keit vor unsre Blicke zurückzaubern.
Auch die andern Schlösser des Landes sind größtenteils verfallen. An der
Moritzburg ist die äußere Architektur durch den 1722 erfolgten, von dem großen
Architekten Pöppelmann geleiteten Umbau vollständig zerstört worden. Von
dem frühern Schmucke der Augustusburg, die jetzt der Sitz sächsischer Behörden
ist, sind nur noch traurige Überreste zu sehen. In der Schloßkapelle steht
noch das Altarbild des jüngern Cranach. Auch in den Sälen bemerkt man,
wohin man blickt, an den Decken, in den Fensternischen, noch die Spuren ehe¬
maliger Farbenpracht, in vielen Zimmern stattliche steinerne Kamine, bald in
einfacher, bald in reicher Behandlung. Aber von den Decken hängen Tapeten¬
fetzen herab, von den Wänden ist der Putz gefallen, und der Fuß schreitet über
bloßliegende Balken und traurige Schneemassen. Schloß Freudenstein ist Magazin.
Die Gemälde fanden wie die Schätze der Wittenberger Schloßkirche im sieben¬
jährigen Kriege ihren Untergang. Die gefangnen Österreicher, die Prinz Heinrich
nach der Schlacht bei Freiberg am 29. Oktober 1762 in das Schloß bringen
ließ, haben mit einer Menge andrer Ölbilder auch die von Schwer gemalten
verbrannt, um sich zu Wärmen. Auch die Plafonds und Thüren des Schlosses,
sowie das von Schröer 1374 gemalte Altarblatt der Schloßkapelle sind damals,
als das Schloß zur Kommisbäckerei benutzt wurde, zerstört worden.
Für die Folgezeit am wichtigsten wurden die von August und Christian
angelegten Sammlungen. Beide Fürsten gaben durch Anlegung der Kunst¬
kamm er, der Schatzkammer, der Bibliothek und der Sammlung im Stallhof die
Anregung zu jenem Sammeleifer, mit welchem die spätern sächsischen Fürsten
wetteifernd für Kunst und Wissenschaft wirkten. Die Kirchen und Schlösser sind
längst zu gründe gegangen oder nur in dürftigen Überresten erhalten. Aber
die Gemäldegalerie, das grüne Gewölbe, die königliche Bibliothek und das
historische Museum werden noch in später Zeit den Ruhm der sächsischen
Fürsten des sechzehnten Jahrhunderts verkünden.
Grenzboten IV. 1884.12
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