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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Revision der Rechtsanwaltsordnung.

soweit nicht im erstern Falle gesetzliche Bestimmungen vorliegen, lediglich von
dem Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammcr ab, sodaß dieser eigentlich
anstatt der Landesjustizverwaltung entscheidet, was alles mit der Anwaltschaft
vereinbar ist und was nicht. Auch dies geht entschieden zu weit; es würde
vollkommen genügen, wenn zu allen diesen Punkten gesagt würde, daß vor der
Entscheidung über die Zulassung der Vorstand der Anwaltskammer gehört
werden müsse, wie dies genau so bezüglich der Zurückziehung der Zulassung
bestimmt ist (Paragraph l3 der Rcchtsanwaltsordnnng). Es würden damit die
Anschauungen der Rechtsanwälte zum Ausdruck kommen, und so würde doch
der Landesjustizverwaltung, welche die eigentliche Verantwortung für die Be¬
setzung aller Stellen in ihrem Ressort trägt, die ihr unbedingte Einwirkung
nicht entzogen. Eine gleiche Anordnung, den Vorstand der Anwaltskammer zu
hören, müßte dann naturlich auch für den oben vorgeschlagenen Grund zur
Versagung der Zulassung wegen Überzahl von Nechtscmwälten bei einem oder
Mangel solcher bei einem andern Gerichte zu treffen sein.

Würde die Rechtsanwaltsordnung in den hier angegebenen Richtungen um¬
geändert, so glaube ich, daß die Punkte beseitigt sein würden, welche jetzt die
Perspektive zu einer bedenklichen Entwicklung der Nechtsanwaltschaft eröffnen,
ohne daß den Nechtscmwälten die zu Ausübung ihres selbstverständlich im Ver¬
hältnis zum übrigen Staatsdienst etwas freieren Berufs nötige Freiheit ge-
nommen wäre. Wesentlich ist es namentlich, daß entgegen der altpreußischen
Einrichtung des ehrengerichtlichen Verfahrens, welche als zweite Instanz nur das
Obertribunal kannte, nach der Nechtsanwaltsordnung in zweiter Instanz ein aus
Richtern und Anwälten gleichmäßig zusammengesetzter Ehrengerichtshof urteilt.
Es wird demnach nie zu befürchten sein, daß man den Anwälten, auch wenn
sie als Staatsdiener anerkannt sein möchten, die ihnen nach ihrer ganzen Stel¬
lung zukommende größere Freiheit, auch im Ausdruck ihrer politischen Über¬
zeugung, verkümmern würde. Wohl aber würde dadurch nur umsomehr zum
Ausdruck gelangen, daß die Rechtspflege nur gedeihen kann, wenn alle zu ihrer
Ausübung berufenen Personen sich als Glieder eines Ganzen, als zur Erreichung
des gleichen Zweckes berufen fühlen.


Otto Gerland.


Die Revision der Rechtsanwaltsordnung.

soweit nicht im erstern Falle gesetzliche Bestimmungen vorliegen, lediglich von
dem Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammcr ab, sodaß dieser eigentlich
anstatt der Landesjustizverwaltung entscheidet, was alles mit der Anwaltschaft
vereinbar ist und was nicht. Auch dies geht entschieden zu weit; es würde
vollkommen genügen, wenn zu allen diesen Punkten gesagt würde, daß vor der
Entscheidung über die Zulassung der Vorstand der Anwaltskammer gehört
werden müsse, wie dies genau so bezüglich der Zurückziehung der Zulassung
bestimmt ist (Paragraph l3 der Rcchtsanwaltsordnnng). Es würden damit die
Anschauungen der Rechtsanwälte zum Ausdruck kommen, und so würde doch
der Landesjustizverwaltung, welche die eigentliche Verantwortung für die Be¬
setzung aller Stellen in ihrem Ressort trägt, die ihr unbedingte Einwirkung
nicht entzogen. Eine gleiche Anordnung, den Vorstand der Anwaltskammer zu
hören, müßte dann naturlich auch für den oben vorgeschlagenen Grund zur
Versagung der Zulassung wegen Überzahl von Nechtscmwälten bei einem oder
Mangel solcher bei einem andern Gerichte zu treffen sein.

Würde die Rechtsanwaltsordnung in den hier angegebenen Richtungen um¬
geändert, so glaube ich, daß die Punkte beseitigt sein würden, welche jetzt die
Perspektive zu einer bedenklichen Entwicklung der Nechtsanwaltschaft eröffnen,
ohne daß den Nechtscmwälten die zu Ausübung ihres selbstverständlich im Ver¬
hältnis zum übrigen Staatsdienst etwas freieren Berufs nötige Freiheit ge-
nommen wäre. Wesentlich ist es namentlich, daß entgegen der altpreußischen
Einrichtung des ehrengerichtlichen Verfahrens, welche als zweite Instanz nur das
Obertribunal kannte, nach der Nechtsanwaltsordnung in zweiter Instanz ein aus
Richtern und Anwälten gleichmäßig zusammengesetzter Ehrengerichtshof urteilt.
Es wird demnach nie zu befürchten sein, daß man den Anwälten, auch wenn
sie als Staatsdiener anerkannt sein möchten, die ihnen nach ihrer ganzen Stel¬
lung zukommende größere Freiheit, auch im Ausdruck ihrer politischen Über¬
zeugung, verkümmern würde. Wohl aber würde dadurch nur umsomehr zum
Ausdruck gelangen, daß die Rechtspflege nur gedeihen kann, wenn alle zu ihrer
Ausübung berufenen Personen sich als Glieder eines Ganzen, als zur Erreichung
des gleichen Zweckes berufen fühlen.


Otto Gerland.


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[0072] Die Revision der Rechtsanwaltsordnung. soweit nicht im erstern Falle gesetzliche Bestimmungen vorliegen, lediglich von dem Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammcr ab, sodaß dieser eigentlich anstatt der Landesjustizverwaltung entscheidet, was alles mit der Anwaltschaft vereinbar ist und was nicht. Auch dies geht entschieden zu weit; es würde vollkommen genügen, wenn zu allen diesen Punkten gesagt würde, daß vor der Entscheidung über die Zulassung der Vorstand der Anwaltskammer gehört werden müsse, wie dies genau so bezüglich der Zurückziehung der Zulassung bestimmt ist (Paragraph l3 der Rcchtsanwaltsordnnng). Es würden damit die Anschauungen der Rechtsanwälte zum Ausdruck kommen, und so würde doch der Landesjustizverwaltung, welche die eigentliche Verantwortung für die Be¬ setzung aller Stellen in ihrem Ressort trägt, die ihr unbedingte Einwirkung nicht entzogen. Eine gleiche Anordnung, den Vorstand der Anwaltskammer zu hören, müßte dann naturlich auch für den oben vorgeschlagenen Grund zur Versagung der Zulassung wegen Überzahl von Nechtscmwälten bei einem oder Mangel solcher bei einem andern Gerichte zu treffen sein. Würde die Rechtsanwaltsordnung in den hier angegebenen Richtungen um¬ geändert, so glaube ich, daß die Punkte beseitigt sein würden, welche jetzt die Perspektive zu einer bedenklichen Entwicklung der Nechtsanwaltschaft eröffnen, ohne daß den Nechtscmwälten die zu Ausübung ihres selbstverständlich im Ver¬ hältnis zum übrigen Staatsdienst etwas freieren Berufs nötige Freiheit ge- nommen wäre. Wesentlich ist es namentlich, daß entgegen der altpreußischen Einrichtung des ehrengerichtlichen Verfahrens, welche als zweite Instanz nur das Obertribunal kannte, nach der Nechtsanwaltsordnung in zweiter Instanz ein aus Richtern und Anwälten gleichmäßig zusammengesetzter Ehrengerichtshof urteilt. Es wird demnach nie zu befürchten sein, daß man den Anwälten, auch wenn sie als Staatsdiener anerkannt sein möchten, die ihnen nach ihrer ganzen Stel¬ lung zukommende größere Freiheit, auch im Ausdruck ihrer politischen Über¬ zeugung, verkümmern würde. Wohl aber würde dadurch nur umsomehr zum Ausdruck gelangen, daß die Rechtspflege nur gedeihen kann, wenn alle zu ihrer Ausübung berufenen Personen sich als Glieder eines Ganzen, als zur Erreichung des gleichen Zweckes berufen fühlen. Otto Gerland.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/72>, abgerufen am 29.12.2024.