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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

Geräte nach Wahl aus ihrer Frau, deiner seligen Mutter Nachlaß, saufe
Wagen und Pferd und item sein Bett und Notwendiges an Tisch und Gestühl
und ein jegliches die Zinsen von einem Kapital, das dreihundert Mark abwirft,
so lange sie leben. Das Nähere im Pulte schriftlich -- deine sonstigen Verpflich¬
tungen gegen meine zwei allergetrenesten Helfershelfer im Erdenvcrgnügen un¬
geschrieben auf deine Seele, Eberhard! Denn wie gesagt, ich glaube nicht daran,
daß sie sich hier am Orte halten werden, da es aus und zu Ende sein muß
mit meinem, deinem und ihrem Hans, Hof und Garten. Ich thäte es auch
uicht und lebte unter diesen Umständen fort im Dorfe. Und nun -- den schwersten
Sack in den Trichter! nämlich, da mein eingeborner Junge, Namens- und
Erbeserbe gänzlich aus meiner und seiner Väter Art schlug und kein Müller
wurde, wofür ich jetzt nur dem Himmel danke, so wünsche ich, daß Herr Doktor
Adam Asche, meines alten verstorbenen Freundes Schönfärber Asches aus der Art
und wieder in die Art geschlagener Sohn und meines Jungen erster Lehrmeister in
der Welt, sich auch hier der Sache annimmt und Pfisters Mühle mit allen
Rechte", Werk und Zeug zu einem für alle Parteien gedeihlichen Abschluß ver¬
hilft. Denn wenn auch Doktor Niechei den Prozeß gegen Krikerode recht glor¬
reich gewonnen hat, so fällt mir doch gerade jetzt des alten seligen Rektor Pott-
gießcrs öfteres Wort hier am Mittwochsnachmittagskaffeetisch ein, wenn einer
zu einer Ehre gewünscht wurde, der nicht da war. "Ist kein Dalberg da?"
fragte er dann jedesmal im Kreise herum nnter den Herren Oberlehrern und
Collaboratvren und ihren lieben Damen. Es that dann nie einer den Mund
auf und rief: "Hier!" und so auch in meinem Fall. Was helfen mir alle er-
siegten Gerechtigkeiten, wenn kein Dalberg und kein Pfister vorhanden ist, sie
auszunutzen. So meine ich, saufe und Christine halten sich hier unf dem
Altenteil und Adam Asche liegt auf der Lauer und wartet ab, bis ihm die neue
Welt und Zeit das Rechte honorig bieten für die stelle und den Wasserlauf;
dann schlägt er ein, und wenn der Doktor Eberhard sein Kapital in seines
Freundes neuem Geschäft anlegt, ist mir's auch recht. Für seine Mühe aber ver¬
mache ich dem Adam Asche meine Mülleraxt, die er sich über meinem Bette
herunterholen soll, wenn sie mich herausgehoben haben, und wobei er manchmal
in seinem besagten neuen Geschäft gedenken mag, wie viele Pfister die seit vielen
Jahrhunderten mit Ehren in der Faust hielten.

Hier, Vater Pfister! rief mein Freund mit bebender Stimme, dabei mit
merkwürdig unsicherer Hand die Hand des Greises fassend, und nun doch, als
habe aus der neuen Zeit heraus jemand in eine versinkende hinein auf den fra¬
genden Ruf: "Ist kein Dalberg da?" geantwortet.

Gedacht Hütte ich es wahrhaftig nicht, wenn ich dich in meinen Träumen
über dem Gelage hängen oder auf meiner Wiese im Heu liegen sah, und noch
weniger, als ich dich mir mit deiner Wissenschaft zu Hilfe rief gegen Krickerode,
sagte mein Vater kopfschüttelnd, lächelnd.

Die Augen feucht, voll Thränen, doch auch voll wundervoll anmutigen
Glänzens, legte Albertine Lippoldes das Kissen hinter dem alten, müden Hanpte
zurecht, und der alte Mann sah zu ihr auf und streichelte leise den hilfreichen
Arm und sagte:

Ja, Kind, ich habe nicht ganz ohne Nutzen an diesen Tischen hinter meinen
Gästen im Dasein gestanden. Zu meinem Vergnügen an der verschiedenen Unter¬
haltung ist es mir auch ein Vergnügen gewesen, zu lernen und zuzulerue". Und
so ist es mir jetzt der beste Trost, daß ich genau weiß, weshalb wir nicht mehr


pfisters Mühle.

Geräte nach Wahl aus ihrer Frau, deiner seligen Mutter Nachlaß, saufe
Wagen und Pferd und item sein Bett und Notwendiges an Tisch und Gestühl
und ein jegliches die Zinsen von einem Kapital, das dreihundert Mark abwirft,
so lange sie leben. Das Nähere im Pulte schriftlich — deine sonstigen Verpflich¬
tungen gegen meine zwei allergetrenesten Helfershelfer im Erdenvcrgnügen un¬
geschrieben auf deine Seele, Eberhard! Denn wie gesagt, ich glaube nicht daran,
daß sie sich hier am Orte halten werden, da es aus und zu Ende sein muß
mit meinem, deinem und ihrem Hans, Hof und Garten. Ich thäte es auch
uicht und lebte unter diesen Umständen fort im Dorfe. Und nun — den schwersten
Sack in den Trichter! nämlich, da mein eingeborner Junge, Namens- und
Erbeserbe gänzlich aus meiner und seiner Väter Art schlug und kein Müller
wurde, wofür ich jetzt nur dem Himmel danke, so wünsche ich, daß Herr Doktor
Adam Asche, meines alten verstorbenen Freundes Schönfärber Asches aus der Art
und wieder in die Art geschlagener Sohn und meines Jungen erster Lehrmeister in
der Welt, sich auch hier der Sache annimmt und Pfisters Mühle mit allen
Rechte», Werk und Zeug zu einem für alle Parteien gedeihlichen Abschluß ver¬
hilft. Denn wenn auch Doktor Niechei den Prozeß gegen Krikerode recht glor¬
reich gewonnen hat, so fällt mir doch gerade jetzt des alten seligen Rektor Pott-
gießcrs öfteres Wort hier am Mittwochsnachmittagskaffeetisch ein, wenn einer
zu einer Ehre gewünscht wurde, der nicht da war. „Ist kein Dalberg da?"
fragte er dann jedesmal im Kreise herum nnter den Herren Oberlehrern und
Collaboratvren und ihren lieben Damen. Es that dann nie einer den Mund
auf und rief: „Hier!" und so auch in meinem Fall. Was helfen mir alle er-
siegten Gerechtigkeiten, wenn kein Dalberg und kein Pfister vorhanden ist, sie
auszunutzen. So meine ich, saufe und Christine halten sich hier unf dem
Altenteil und Adam Asche liegt auf der Lauer und wartet ab, bis ihm die neue
Welt und Zeit das Rechte honorig bieten für die stelle und den Wasserlauf;
dann schlägt er ein, und wenn der Doktor Eberhard sein Kapital in seines
Freundes neuem Geschäft anlegt, ist mir's auch recht. Für seine Mühe aber ver¬
mache ich dem Adam Asche meine Mülleraxt, die er sich über meinem Bette
herunterholen soll, wenn sie mich herausgehoben haben, und wobei er manchmal
in seinem besagten neuen Geschäft gedenken mag, wie viele Pfister die seit vielen
Jahrhunderten mit Ehren in der Faust hielten.

Hier, Vater Pfister! rief mein Freund mit bebender Stimme, dabei mit
merkwürdig unsicherer Hand die Hand des Greises fassend, und nun doch, als
habe aus der neuen Zeit heraus jemand in eine versinkende hinein auf den fra¬
genden Ruf: „Ist kein Dalberg da?" geantwortet.

Gedacht Hütte ich es wahrhaftig nicht, wenn ich dich in meinen Träumen
über dem Gelage hängen oder auf meiner Wiese im Heu liegen sah, und noch
weniger, als ich dich mir mit deiner Wissenschaft zu Hilfe rief gegen Krickerode,
sagte mein Vater kopfschüttelnd, lächelnd.

Die Augen feucht, voll Thränen, doch auch voll wundervoll anmutigen
Glänzens, legte Albertine Lippoldes das Kissen hinter dem alten, müden Hanpte
zurecht, und der alte Mann sah zu ihr auf und streichelte leise den hilfreichen
Arm und sagte:

Ja, Kind, ich habe nicht ganz ohne Nutzen an diesen Tischen hinter meinen
Gästen im Dasein gestanden. Zu meinem Vergnügen an der verschiedenen Unter¬
haltung ist es mir auch ein Vergnügen gewesen, zu lernen und zuzulerue». Und
so ist es mir jetzt der beste Trost, daß ich genau weiß, weshalb wir nicht mehr


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[0656] pfisters Mühle. Geräte nach Wahl aus ihrer Frau, deiner seligen Mutter Nachlaß, saufe Wagen und Pferd und item sein Bett und Notwendiges an Tisch und Gestühl und ein jegliches die Zinsen von einem Kapital, das dreihundert Mark abwirft, so lange sie leben. Das Nähere im Pulte schriftlich — deine sonstigen Verpflich¬ tungen gegen meine zwei allergetrenesten Helfershelfer im Erdenvcrgnügen un¬ geschrieben auf deine Seele, Eberhard! Denn wie gesagt, ich glaube nicht daran, daß sie sich hier am Orte halten werden, da es aus und zu Ende sein muß mit meinem, deinem und ihrem Hans, Hof und Garten. Ich thäte es auch uicht und lebte unter diesen Umständen fort im Dorfe. Und nun — den schwersten Sack in den Trichter! nämlich, da mein eingeborner Junge, Namens- und Erbeserbe gänzlich aus meiner und seiner Väter Art schlug und kein Müller wurde, wofür ich jetzt nur dem Himmel danke, so wünsche ich, daß Herr Doktor Adam Asche, meines alten verstorbenen Freundes Schönfärber Asches aus der Art und wieder in die Art geschlagener Sohn und meines Jungen erster Lehrmeister in der Welt, sich auch hier der Sache annimmt und Pfisters Mühle mit allen Rechte», Werk und Zeug zu einem für alle Parteien gedeihlichen Abschluß ver¬ hilft. Denn wenn auch Doktor Niechei den Prozeß gegen Krikerode recht glor¬ reich gewonnen hat, so fällt mir doch gerade jetzt des alten seligen Rektor Pott- gießcrs öfteres Wort hier am Mittwochsnachmittagskaffeetisch ein, wenn einer zu einer Ehre gewünscht wurde, der nicht da war. „Ist kein Dalberg da?" fragte er dann jedesmal im Kreise herum nnter den Herren Oberlehrern und Collaboratvren und ihren lieben Damen. Es that dann nie einer den Mund auf und rief: „Hier!" und so auch in meinem Fall. Was helfen mir alle er- siegten Gerechtigkeiten, wenn kein Dalberg und kein Pfister vorhanden ist, sie auszunutzen. So meine ich, saufe und Christine halten sich hier unf dem Altenteil und Adam Asche liegt auf der Lauer und wartet ab, bis ihm die neue Welt und Zeit das Rechte honorig bieten für die stelle und den Wasserlauf; dann schlägt er ein, und wenn der Doktor Eberhard sein Kapital in seines Freundes neuem Geschäft anlegt, ist mir's auch recht. Für seine Mühe aber ver¬ mache ich dem Adam Asche meine Mülleraxt, die er sich über meinem Bette herunterholen soll, wenn sie mich herausgehoben haben, und wobei er manchmal in seinem besagten neuen Geschäft gedenken mag, wie viele Pfister die seit vielen Jahrhunderten mit Ehren in der Faust hielten. Hier, Vater Pfister! rief mein Freund mit bebender Stimme, dabei mit merkwürdig unsicherer Hand die Hand des Greises fassend, und nun doch, als habe aus der neuen Zeit heraus jemand in eine versinkende hinein auf den fra¬ genden Ruf: „Ist kein Dalberg da?" geantwortet. Gedacht Hütte ich es wahrhaftig nicht, wenn ich dich in meinen Träumen über dem Gelage hängen oder auf meiner Wiese im Heu liegen sah, und noch weniger, als ich dich mir mit deiner Wissenschaft zu Hilfe rief gegen Krickerode, sagte mein Vater kopfschüttelnd, lächelnd. Die Augen feucht, voll Thränen, doch auch voll wundervoll anmutigen Glänzens, legte Albertine Lippoldes das Kissen hinter dem alten, müden Hanpte zurecht, und der alte Mann sah zu ihr auf und streichelte leise den hilfreichen Arm und sagte: Ja, Kind, ich habe nicht ganz ohne Nutzen an diesen Tischen hinter meinen Gästen im Dasein gestanden. Zu meinem Vergnügen an der verschiedenen Unter¬ haltung ist es mir auch ein Vergnügen gewesen, zu lernen und zuzulerue». Und so ist es mir jetzt der beste Trost, daß ich genau weiß, weshalb wir nicht mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/656>, abgerufen am 29.12.2024.