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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Zustände ^in der Lamxagnci.

ist dazu ein Akt der Gesetzgebung erforderlich, und dazu wird sich eine Re¬
gierung, die vor jedem Worte der Opposition zittert, niemals entschließen.
Natürlich würde sich die Opposition diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um
über Tyrannei und Willkürherrschaft zu peroriren, denn die Jagdfreiheit ist
ein Palladium der italienischen Jugend, und wer sich wie der Fürst Chigi in
dem Walde am Strande von Ostia das Herumpaffen auf seinem Grund und
Boden nicht gefallen lassen will, sondern seine Gitterthore gegen jeden Jäger
zusperrt, handelt -- doch wie er nach der Ansicht der jagenden Jugend handelt,
wollen wir lieber verschweigen.

Gegen Sonnenuntergang kommen gewöhnlich die berittenen Carabinieri von
ihren Patrouillenritten durch die nächste Umgebung Roms zurück. Da, wo die
Via Cassia mit der Via Flaminia kurz vor Ponte Molle zusammenstößt, konnten
wir diese armen Leute häufig beobachten. Sie hatten regelmäßig ganz junge,
rohe Pferde, welche sie, obgleich fast sämtlich gute Reiter und kräftige junge
Männer, alle Mühe hatten, zu bändigen. Statt ihnen gut zugerittene, zuver¬
lässige Pferde zu geben, werden sie auf ihren Sicherheitsdienst auf Pferden
ausgeschickt, die auch der beste Reiter nur bis auf einen gewissen Grad be¬
herrschen kann und die für den beabsichtigten Zweck völlig untauglich sind. Ein
solches Pferd über eine Mauer, über einen Graben zu bringen oder angebunden
stehen zu lassen, wenn ein verdächtiger Bursche verfolgt werden soll, ist völlig
unmöglich, und etwa zu glauben, daß die Campagnolen, die besten Reiter, die
es giebt, sich bloß vor Pferden fürchten werden, ist denn doch zu einfältig.

Aber wären auch diese Einrichtungen ganz anders, als sie in Wahrheit
sind, so würden sie dennoch in keiner Weise genügen können; es giebt nur ein
Mittel, welches freilich auch schwerlich jemals angewendet werden wird: die
ganze Umgebung Roms müßte in ihren Hauptpunkten militärisch besetzt und
von starken Patrouillen fortwährend durchzogen werden. Für die Soldaten
wäre das immerhin eine angenehmere und für das Land eine sehr viel nütz¬
lichere Aufgabe, als wenn sie dazu verwandt werden, die Cholera einzusperren
und Handel und Verkehr der cholera-infizirten Orte zu ruiniren.


F. Lyssenhardt.


Die Zustände ^in der Lamxagnci.

ist dazu ein Akt der Gesetzgebung erforderlich, und dazu wird sich eine Re¬
gierung, die vor jedem Worte der Opposition zittert, niemals entschließen.
Natürlich würde sich die Opposition diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um
über Tyrannei und Willkürherrschaft zu peroriren, denn die Jagdfreiheit ist
ein Palladium der italienischen Jugend, und wer sich wie der Fürst Chigi in
dem Walde am Strande von Ostia das Herumpaffen auf seinem Grund und
Boden nicht gefallen lassen will, sondern seine Gitterthore gegen jeden Jäger
zusperrt, handelt — doch wie er nach der Ansicht der jagenden Jugend handelt,
wollen wir lieber verschweigen.

Gegen Sonnenuntergang kommen gewöhnlich die berittenen Carabinieri von
ihren Patrouillenritten durch die nächste Umgebung Roms zurück. Da, wo die
Via Cassia mit der Via Flaminia kurz vor Ponte Molle zusammenstößt, konnten
wir diese armen Leute häufig beobachten. Sie hatten regelmäßig ganz junge,
rohe Pferde, welche sie, obgleich fast sämtlich gute Reiter und kräftige junge
Männer, alle Mühe hatten, zu bändigen. Statt ihnen gut zugerittene, zuver¬
lässige Pferde zu geben, werden sie auf ihren Sicherheitsdienst auf Pferden
ausgeschickt, die auch der beste Reiter nur bis auf einen gewissen Grad be¬
herrschen kann und die für den beabsichtigten Zweck völlig untauglich sind. Ein
solches Pferd über eine Mauer, über einen Graben zu bringen oder angebunden
stehen zu lassen, wenn ein verdächtiger Bursche verfolgt werden soll, ist völlig
unmöglich, und etwa zu glauben, daß die Campagnolen, die besten Reiter, die
es giebt, sich bloß vor Pferden fürchten werden, ist denn doch zu einfältig.

Aber wären auch diese Einrichtungen ganz anders, als sie in Wahrheit
sind, so würden sie dennoch in keiner Weise genügen können; es giebt nur ein
Mittel, welches freilich auch schwerlich jemals angewendet werden wird: die
ganze Umgebung Roms müßte in ihren Hauptpunkten militärisch besetzt und
von starken Patrouillen fortwährend durchzogen werden. Für die Soldaten
wäre das immerhin eine angenehmere und für das Land eine sehr viel nütz¬
lichere Aufgabe, als wenn sie dazu verwandt werden, die Cholera einzusperren
und Handel und Verkehr der cholera-infizirten Orte zu ruiniren.


F. Lyssenhardt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/629>, abgerufen am 28.12.2024.