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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Fortschritte in der Photographie.

Wird ein Papier mit einer starken Lage von Gelatine überzogen, chromirt
und exponirt und darauf mit warmem Wasser abgewaschen, so bleiben die be¬
leuchteten Stellen, weil unlöslich, als erhabene Flächen stehen, während die nicht
beleuchteten vertieft sind. Hätte z. B. das negativ den Buchstaben ^ vorge¬
stellt, so würde dieser Buchstabe erhaben auf vertieften Grunde auf dem Papier
stehen. Von diesem Gelatine-Relief wird durch Guß, Druck oder Galvanoplastik
ein Kopie genommen, welche nun alles zuvor erhabene als Vertiefung wieder¬
gabt. Eine Kupferstichplatte ist ähnlich beschaffen; die schwarzen Linien sind im
Kupfer eingegraben und werden beim Druck mit Druckerschwärze eingerieben,
während die weißen Stellen blank abgewischt werden. Dann wird auf feuchtes,
schwammiges Papier gedruckt, welches sich in die Vertiefungen preßt und so die
Farbe annimmt. Ähnlich ist die Behandlung unsers Reliefs. Es wird mit
Druckerfarbe eingerieben und giebt dieselbe in dem Maße, als sie in den Ver¬
tiefungen hängen geblieben ist, an das aufgepreßte Papier wieder ab. Man
nennt dies Verfahren Heliographie oder Phototypie. Ganz ähnlich ist das in
England patentirte Woodbury-Verfahre". Hierbei wird das Gelatine-Relief
unter dem gewaltigen Drucke einer hydraulischen Presse in Blei geprägt und
zwar so, daß das Bild einen erhöhten Rand erhält. Es erscheint nun als eine
flache Schale, auf dessen Boden sich die Zeichnung des Bildes als Erhöhung
und Vertiefung befindet. Man gießt in diese Schale gefärbte Gelatine und preßt
das Papier mittels einer Presse auf, die einer Kopierpresse gleicht. An den er¬
höhten Stellen des Reliefs wird die Farbe gänzlich verdrängt, in den Ver¬
tiefungen bleibt sie zurück, und zwar in umso stärkerer Lage und dunklerer Färbung,
je tiefer das Relief ausgeholt ist. Es handelt sich in der Woodburydruckerei in
Ealing um den Druck starker Auflagen. In dem Drucksaal stehen acht runde
Tische, deren Platten sich um einen Zapfen drehen. Auf dem Rande jeden
Tisches stehen sieben Kopierpressen, und in jeder derselben liegt ein Blei-Relief.
An jedem Tische ist ein Drucker beschäftigt, derart, daß er eine Presse nach der
ander" mit Farbe füllt und mit Druckpapier versieht, wobei die Tischplatte
weiter gedreht wird. Wenn die Presse auf ihrem Rundgänge wieder beim Drucker
anlangt, ist die Gelatine erstarrt und der Druck fertig. Auf diese Weise können
an einem Tage dreißigtausend Visitenkarten hergestellt werden.

Waren die eben beschriebenen Verfahren mit dem Kupferstichdrucke verwandt,
so führt uns der Lichtdruck und die Photolithographie auf das Gebiet des
Steindruckes. Auch hier müssen wir uns zunächst ein wenig orientiren. Sene-
felder, der berühmte Entdecker des Steindruckes, hatte als armer junger Mensch
in Ermangelung von Tinte und Papier einen Wäschezettel seiner Mutter auf einen
Kalkstein (Solenhofcner Platte) mit einer aus Wachs, Seife und Ruß gemischten
Tinte geschrieben. Als er diesen Stein ätzte, fand er, daß sich damit wie mit
der Kupferplatte drucken lasse. Es ist jedoch nicht der Unterschied in der Höhe
der farbigen und nichtfarbigen Flächen, sondern ein chemischer Prozeß, der den


Grenzboten IV. 1834. 65
Fortschritte in der Photographie.

Wird ein Papier mit einer starken Lage von Gelatine überzogen, chromirt
und exponirt und darauf mit warmem Wasser abgewaschen, so bleiben die be¬
leuchteten Stellen, weil unlöslich, als erhabene Flächen stehen, während die nicht
beleuchteten vertieft sind. Hätte z. B. das negativ den Buchstaben ^ vorge¬
stellt, so würde dieser Buchstabe erhaben auf vertieften Grunde auf dem Papier
stehen. Von diesem Gelatine-Relief wird durch Guß, Druck oder Galvanoplastik
ein Kopie genommen, welche nun alles zuvor erhabene als Vertiefung wieder¬
gabt. Eine Kupferstichplatte ist ähnlich beschaffen; die schwarzen Linien sind im
Kupfer eingegraben und werden beim Druck mit Druckerschwärze eingerieben,
während die weißen Stellen blank abgewischt werden. Dann wird auf feuchtes,
schwammiges Papier gedruckt, welches sich in die Vertiefungen preßt und so die
Farbe annimmt. Ähnlich ist die Behandlung unsers Reliefs. Es wird mit
Druckerfarbe eingerieben und giebt dieselbe in dem Maße, als sie in den Ver¬
tiefungen hängen geblieben ist, an das aufgepreßte Papier wieder ab. Man
nennt dies Verfahren Heliographie oder Phototypie. Ganz ähnlich ist das in
England patentirte Woodbury-Verfahre». Hierbei wird das Gelatine-Relief
unter dem gewaltigen Drucke einer hydraulischen Presse in Blei geprägt und
zwar so, daß das Bild einen erhöhten Rand erhält. Es erscheint nun als eine
flache Schale, auf dessen Boden sich die Zeichnung des Bildes als Erhöhung
und Vertiefung befindet. Man gießt in diese Schale gefärbte Gelatine und preßt
das Papier mittels einer Presse auf, die einer Kopierpresse gleicht. An den er¬
höhten Stellen des Reliefs wird die Farbe gänzlich verdrängt, in den Ver¬
tiefungen bleibt sie zurück, und zwar in umso stärkerer Lage und dunklerer Färbung,
je tiefer das Relief ausgeholt ist. Es handelt sich in der Woodburydruckerei in
Ealing um den Druck starker Auflagen. In dem Drucksaal stehen acht runde
Tische, deren Platten sich um einen Zapfen drehen. Auf dem Rande jeden
Tisches stehen sieben Kopierpressen, und in jeder derselben liegt ein Blei-Relief.
An jedem Tische ist ein Drucker beschäftigt, derart, daß er eine Presse nach der
ander» mit Farbe füllt und mit Druckpapier versieht, wobei die Tischplatte
weiter gedreht wird. Wenn die Presse auf ihrem Rundgänge wieder beim Drucker
anlangt, ist die Gelatine erstarrt und der Druck fertig. Auf diese Weise können
an einem Tage dreißigtausend Visitenkarten hergestellt werden.

Waren die eben beschriebenen Verfahren mit dem Kupferstichdrucke verwandt,
so führt uns der Lichtdruck und die Photolithographie auf das Gebiet des
Steindruckes. Auch hier müssen wir uns zunächst ein wenig orientiren. Sene-
felder, der berühmte Entdecker des Steindruckes, hatte als armer junger Mensch
in Ermangelung von Tinte und Papier einen Wäschezettel seiner Mutter auf einen
Kalkstein (Solenhofcner Platte) mit einer aus Wachs, Seife und Ruß gemischten
Tinte geschrieben. Als er diesen Stein ätzte, fand er, daß sich damit wie mit
der Kupferplatte drucken lasse. Es ist jedoch nicht der Unterschied in der Höhe
der farbigen und nichtfarbigen Flächen, sondern ein chemischer Prozeß, der den


Grenzboten IV. 1834. 65
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[0521] Fortschritte in der Photographie. Wird ein Papier mit einer starken Lage von Gelatine überzogen, chromirt und exponirt und darauf mit warmem Wasser abgewaschen, so bleiben die be¬ leuchteten Stellen, weil unlöslich, als erhabene Flächen stehen, während die nicht beleuchteten vertieft sind. Hätte z. B. das negativ den Buchstaben ^ vorge¬ stellt, so würde dieser Buchstabe erhaben auf vertieften Grunde auf dem Papier stehen. Von diesem Gelatine-Relief wird durch Guß, Druck oder Galvanoplastik ein Kopie genommen, welche nun alles zuvor erhabene als Vertiefung wieder¬ gabt. Eine Kupferstichplatte ist ähnlich beschaffen; die schwarzen Linien sind im Kupfer eingegraben und werden beim Druck mit Druckerschwärze eingerieben, während die weißen Stellen blank abgewischt werden. Dann wird auf feuchtes, schwammiges Papier gedruckt, welches sich in die Vertiefungen preßt und so die Farbe annimmt. Ähnlich ist die Behandlung unsers Reliefs. Es wird mit Druckerfarbe eingerieben und giebt dieselbe in dem Maße, als sie in den Ver¬ tiefungen hängen geblieben ist, an das aufgepreßte Papier wieder ab. Man nennt dies Verfahren Heliographie oder Phototypie. Ganz ähnlich ist das in England patentirte Woodbury-Verfahre». Hierbei wird das Gelatine-Relief unter dem gewaltigen Drucke einer hydraulischen Presse in Blei geprägt und zwar so, daß das Bild einen erhöhten Rand erhält. Es erscheint nun als eine flache Schale, auf dessen Boden sich die Zeichnung des Bildes als Erhöhung und Vertiefung befindet. Man gießt in diese Schale gefärbte Gelatine und preßt das Papier mittels einer Presse auf, die einer Kopierpresse gleicht. An den er¬ höhten Stellen des Reliefs wird die Farbe gänzlich verdrängt, in den Ver¬ tiefungen bleibt sie zurück, und zwar in umso stärkerer Lage und dunklerer Färbung, je tiefer das Relief ausgeholt ist. Es handelt sich in der Woodburydruckerei in Ealing um den Druck starker Auflagen. In dem Drucksaal stehen acht runde Tische, deren Platten sich um einen Zapfen drehen. Auf dem Rande jeden Tisches stehen sieben Kopierpressen, und in jeder derselben liegt ein Blei-Relief. An jedem Tische ist ein Drucker beschäftigt, derart, daß er eine Presse nach der ander» mit Farbe füllt und mit Druckpapier versieht, wobei die Tischplatte weiter gedreht wird. Wenn die Presse auf ihrem Rundgänge wieder beim Drucker anlangt, ist die Gelatine erstarrt und der Druck fertig. Auf diese Weise können an einem Tage dreißigtausend Visitenkarten hergestellt werden. Waren die eben beschriebenen Verfahren mit dem Kupferstichdrucke verwandt, so führt uns der Lichtdruck und die Photolithographie auf das Gebiet des Steindruckes. Auch hier müssen wir uns zunächst ein wenig orientiren. Sene- felder, der berühmte Entdecker des Steindruckes, hatte als armer junger Mensch in Ermangelung von Tinte und Papier einen Wäschezettel seiner Mutter auf einen Kalkstein (Solenhofcner Platte) mit einer aus Wachs, Seife und Ruß gemischten Tinte geschrieben. Als er diesen Stein ätzte, fand er, daß sich damit wie mit der Kupferplatte drucken lasse. Es ist jedoch nicht der Unterschied in der Höhe der farbigen und nichtfarbigen Flächen, sondern ein chemischer Prozeß, der den Grenzboten IV. 1834. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/521>, abgerufen am 29.12.2024.