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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Das Unwesen der Lotterien.

werden, die mit dem Mantel christlicher Liebe zugedeckt bleiben! Unsrer An¬
sicht nach sollten die Obrigkeiten alles daran setzen, daß nicht aus einem von
ihnen ausdrücklich gestatteten Unternehmen ein solcher Schwindel erwachsen könne.

Eine eigentümliche Stellung nimmt die Presse zu der ganzen Angelegen¬
heit ein. Die größeren Blätter schweigen meistens, weil sie diese oder jene
Opportunitätsrücksicht zu nehmen haben. Als der Verfasser dieses Aufsatzes
vor einiger Zeit einem großen Blatte, welches sonst gegen wirtschaftliche Aus¬
deutungen entschieden auftritt, einen Aufsatz schickte, welcher diese Verhältnisse
erörterte, erhielt er nach einiger Zeit denselben mit dem Bemerken zurück, daß
dieser "sehr interessante" Artikel, nachdem er bereits abgesetzt gewesen, doch An¬
stand gefunden habe. Die kleine Presse aber ist meist befangen durch die ihr
zugewandten Inserate. Es ist ja für ein solches Blatt gewiß sehr erfreulich,
wenn es allwöchentlich ein- oder zweimal die nämliche Lottericcmzeige, mit den
fettesten Lettern gedruckt und mit allen Künsten des Satzes ausgestattet, ein¬
rücken und damit einen großen Teil seiner Anzeigenspalten füllen kann. Da sieht
man leicht die Dinge mit wohlwollenden Augen an.

Es giebt ohne Zweifel eine Menge Lotterien, die durchaus unschädlich sind
und deren Gestattung daher keinem Bedenken unterliegt. Diese, wie wir glauben,
sind es, welche der Gesetzgeber im Sinne hatte, wenn er ausnahmsweise die
Veranstaltung von Lotterien "mit obrigkeitlicher Erlaubnis" gestattete. Dahin
gehören alle solche Lotterien, bei denen man annehmen kann, daß nicht die Ge¬
winnsucht die Annahme der Loose diktirt. Wenn ein Kunstverein alljährlich
eine Anzahl Gemälde ankauft und diese unter seine Mitglieder verlooft, so ist
gewiß dagegen nichts zu sagen. Denn mutmaßlich nehmen die Mitglieder Teil,
nicht um zu gewinnen, sondern um die Kunst zu unterstützen, wenn auch da¬
neben die Aussicht auf einen möglichen Gewinn noch einen gewissen Anreiz
bildet. Der Beweis dafür liegt darin, daß wohl die wenigsten, welche ein solches
Bild gewinnen, dasselbe sofort wieder verkaufen werden. In neuerer Zeit haben
sich auch Vereine gebildet, welche in gleicher Weise Erzeugnisse der Kunstindustrie
ankaufen und verkoofen -- durchaus löbliche Institutionen. Aber auch wenn
für einen wohlthätigen Zweck Frauenarbeiten und ähnliche Gegenstände mäßigen
Wertes zusammengebracht und verlooft werde", sei es auch, daß der für die
Loose erhobene, zur Unterstützung des gedachten Zweckes bestimmte Preis den
Wert dieser Gegenstände bei weitem übersteigt, so ist dagegen sicherlich nichts
einzuwenden. Denn mutmaßlich nimmt doch jeder nur ein Loos, um den wohl¬
thätigen Zweck zu fördern, und die daran geknüpfte Aussicht auf einen Gewinn
hat nur die Bedeutung eines zum Spenden anreizenden unschuldigen Scherzes.
Dem Grundsatz, daß Privatlotterien nicht auf die Gewinnsucht der Menschen
berechnet sein sollten, huldigen eigentlich auch alle die Lotterieunternehmer, welche
statt baaren Geldes Goldsäulen, Goldeier in, ausspielen; aber freilich nur in
der Weise, daß sie jenen Grundsatz in schnödester Weise umgehen.


Das Unwesen der Lotterien.

werden, die mit dem Mantel christlicher Liebe zugedeckt bleiben! Unsrer An¬
sicht nach sollten die Obrigkeiten alles daran setzen, daß nicht aus einem von
ihnen ausdrücklich gestatteten Unternehmen ein solcher Schwindel erwachsen könne.

Eine eigentümliche Stellung nimmt die Presse zu der ganzen Angelegen¬
heit ein. Die größeren Blätter schweigen meistens, weil sie diese oder jene
Opportunitätsrücksicht zu nehmen haben. Als der Verfasser dieses Aufsatzes
vor einiger Zeit einem großen Blatte, welches sonst gegen wirtschaftliche Aus¬
deutungen entschieden auftritt, einen Aufsatz schickte, welcher diese Verhältnisse
erörterte, erhielt er nach einiger Zeit denselben mit dem Bemerken zurück, daß
dieser „sehr interessante" Artikel, nachdem er bereits abgesetzt gewesen, doch An¬
stand gefunden habe. Die kleine Presse aber ist meist befangen durch die ihr
zugewandten Inserate. Es ist ja für ein solches Blatt gewiß sehr erfreulich,
wenn es allwöchentlich ein- oder zweimal die nämliche Lottericcmzeige, mit den
fettesten Lettern gedruckt und mit allen Künsten des Satzes ausgestattet, ein¬
rücken und damit einen großen Teil seiner Anzeigenspalten füllen kann. Da sieht
man leicht die Dinge mit wohlwollenden Augen an.

Es giebt ohne Zweifel eine Menge Lotterien, die durchaus unschädlich sind
und deren Gestattung daher keinem Bedenken unterliegt. Diese, wie wir glauben,
sind es, welche der Gesetzgeber im Sinne hatte, wenn er ausnahmsweise die
Veranstaltung von Lotterien „mit obrigkeitlicher Erlaubnis" gestattete. Dahin
gehören alle solche Lotterien, bei denen man annehmen kann, daß nicht die Ge¬
winnsucht die Annahme der Loose diktirt. Wenn ein Kunstverein alljährlich
eine Anzahl Gemälde ankauft und diese unter seine Mitglieder verlooft, so ist
gewiß dagegen nichts zu sagen. Denn mutmaßlich nehmen die Mitglieder Teil,
nicht um zu gewinnen, sondern um die Kunst zu unterstützen, wenn auch da¬
neben die Aussicht auf einen möglichen Gewinn noch einen gewissen Anreiz
bildet. Der Beweis dafür liegt darin, daß wohl die wenigsten, welche ein solches
Bild gewinnen, dasselbe sofort wieder verkaufen werden. In neuerer Zeit haben
sich auch Vereine gebildet, welche in gleicher Weise Erzeugnisse der Kunstindustrie
ankaufen und verkoofen — durchaus löbliche Institutionen. Aber auch wenn
für einen wohlthätigen Zweck Frauenarbeiten und ähnliche Gegenstände mäßigen
Wertes zusammengebracht und verlooft werde», sei es auch, daß der für die
Loose erhobene, zur Unterstützung des gedachten Zweckes bestimmte Preis den
Wert dieser Gegenstände bei weitem übersteigt, so ist dagegen sicherlich nichts
einzuwenden. Denn mutmaßlich nimmt doch jeder nur ein Loos, um den wohl¬
thätigen Zweck zu fördern, und die daran geknüpfte Aussicht auf einen Gewinn
hat nur die Bedeutung eines zum Spenden anreizenden unschuldigen Scherzes.
Dem Grundsatz, daß Privatlotterien nicht auf die Gewinnsucht der Menschen
berechnet sein sollten, huldigen eigentlich auch alle die Lotterieunternehmer, welche
statt baaren Geldes Goldsäulen, Goldeier in, ausspielen; aber freilich nur in
der Weise, daß sie jenen Grundsatz in schnödester Weise umgehen.


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[0468] Das Unwesen der Lotterien. werden, die mit dem Mantel christlicher Liebe zugedeckt bleiben! Unsrer An¬ sicht nach sollten die Obrigkeiten alles daran setzen, daß nicht aus einem von ihnen ausdrücklich gestatteten Unternehmen ein solcher Schwindel erwachsen könne. Eine eigentümliche Stellung nimmt die Presse zu der ganzen Angelegen¬ heit ein. Die größeren Blätter schweigen meistens, weil sie diese oder jene Opportunitätsrücksicht zu nehmen haben. Als der Verfasser dieses Aufsatzes vor einiger Zeit einem großen Blatte, welches sonst gegen wirtschaftliche Aus¬ deutungen entschieden auftritt, einen Aufsatz schickte, welcher diese Verhältnisse erörterte, erhielt er nach einiger Zeit denselben mit dem Bemerken zurück, daß dieser „sehr interessante" Artikel, nachdem er bereits abgesetzt gewesen, doch An¬ stand gefunden habe. Die kleine Presse aber ist meist befangen durch die ihr zugewandten Inserate. Es ist ja für ein solches Blatt gewiß sehr erfreulich, wenn es allwöchentlich ein- oder zweimal die nämliche Lottericcmzeige, mit den fettesten Lettern gedruckt und mit allen Künsten des Satzes ausgestattet, ein¬ rücken und damit einen großen Teil seiner Anzeigenspalten füllen kann. Da sieht man leicht die Dinge mit wohlwollenden Augen an. Es giebt ohne Zweifel eine Menge Lotterien, die durchaus unschädlich sind und deren Gestattung daher keinem Bedenken unterliegt. Diese, wie wir glauben, sind es, welche der Gesetzgeber im Sinne hatte, wenn er ausnahmsweise die Veranstaltung von Lotterien „mit obrigkeitlicher Erlaubnis" gestattete. Dahin gehören alle solche Lotterien, bei denen man annehmen kann, daß nicht die Ge¬ winnsucht die Annahme der Loose diktirt. Wenn ein Kunstverein alljährlich eine Anzahl Gemälde ankauft und diese unter seine Mitglieder verlooft, so ist gewiß dagegen nichts zu sagen. Denn mutmaßlich nehmen die Mitglieder Teil, nicht um zu gewinnen, sondern um die Kunst zu unterstützen, wenn auch da¬ neben die Aussicht auf einen möglichen Gewinn noch einen gewissen Anreiz bildet. Der Beweis dafür liegt darin, daß wohl die wenigsten, welche ein solches Bild gewinnen, dasselbe sofort wieder verkaufen werden. In neuerer Zeit haben sich auch Vereine gebildet, welche in gleicher Weise Erzeugnisse der Kunstindustrie ankaufen und verkoofen — durchaus löbliche Institutionen. Aber auch wenn für einen wohlthätigen Zweck Frauenarbeiten und ähnliche Gegenstände mäßigen Wertes zusammengebracht und verlooft werde», sei es auch, daß der für die Loose erhobene, zur Unterstützung des gedachten Zweckes bestimmte Preis den Wert dieser Gegenstände bei weitem übersteigt, so ist dagegen sicherlich nichts einzuwenden. Denn mutmaßlich nimmt doch jeder nur ein Loos, um den wohl¬ thätigen Zweck zu fördern, und die daran geknüpfte Aussicht auf einen Gewinn hat nur die Bedeutung eines zum Spenden anreizenden unschuldigen Scherzes. Dem Grundsatz, daß Privatlotterien nicht auf die Gewinnsucht der Menschen berechnet sein sollten, huldigen eigentlich auch alle die Lotterieunternehmer, welche statt baaren Geldes Goldsäulen, Goldeier in, ausspielen; aber freilich nur in der Weise, daß sie jenen Grundsatz in schnödester Weise umgehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/468>, abgerufen am 28.12.2024.