Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.pfisters Mühle. gedacht' ich nun der Ewigkeit, Ich hatte die ganze Ccmzone. die Hände unterm Hinterkopf, mit halb¬ Hast du das eben gemacht, Männchen? fragte mein unlitterarisches Mädchen Du dummes Närrchen, habe ich das eben selber gemacht? Von einem Und er war sicher ein ebenso närrischer Patron wie du, wenn du gottlob Und statt Giacomo Leopardi zu deklamiren in unsrer alten Schanze aus Wenn die Schwalben heimwärts ziehn, und alle die Schwalben, die noch in sommerlichster Lust zwitschernd über uns Ach und wie gut das weichmütige Abschiedslied in die Stunde paßte! pfisters Mühle. gedacht' ich nun der Ewigkeit, Ich hatte die ganze Ccmzone. die Hände unterm Hinterkopf, mit halb¬ Hast du das eben gemacht, Männchen? fragte mein unlitterarisches Mädchen Du dummes Närrchen, habe ich das eben selber gemacht? Von einem Und er war sicher ein ebenso närrischer Patron wie du, wenn du gottlob Und statt Giacomo Leopardi zu deklamiren in unsrer alten Schanze aus Wenn die Schwalben heimwärts ziehn, und alle die Schwalben, die noch in sommerlichster Lust zwitschernd über uns Ach und wie gut das weichmütige Abschiedslied in die Stunde paßte! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157364"/> <fw type="header" place="top"> pfisters Mühle.</fw><lb/> <quote> gedacht' ich nun der Ewigkeit,<lb/> Der längst entschwundnen, toten, wie der jetz'gar<lb/> Lebend'gen Zeit und ihres Lnrins. In dieser<lb/> Unendlichkeit versank mein ganzes Denken,<lb/> Und süß war's mir, auf diesem Meer zu scheitern.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1519"> Ich hatte die ganze Ccmzone. die Hände unterm Hinterkopf, mit halb¬<lb/> geschlossenen Augen vor mich hingesprochen, und —</p><lb/> <p xml:id="ID_1520"> Hast du das eben gemacht, Männchen? fragte mein unlitterarisches Mädchen<lb/> so freundlich und vergnüglich, daß ich mich rasch offenen Auges auf den Ellen¬<lb/> bogen stützte und rief:</p><lb/> <p xml:id="ID_1521"> Du dummes Närrchen, habe ich das eben selber gemacht? Von einem<lb/> kleinen buckligen Italiener ist's. Recanati hieß sein Dorf, in dessen Umgebung<lb/> wohl eine ähnliche Hecke gewesen sein muß wie diese hier, hinter welcher er es,<lb/> wie deine Volksgenossen sich auszudrücken Pflegen, unter der Feder hatte. Er war<lb/> sogar ein Graf, mein Herz, wenn auch mit zu wenig Taschengeld —</p><lb/> <p xml:id="ID_1522"> Und er war sicher ein ebenso närrischer Patron wie du, wenn du gottlob<lb/> auch keinen Buckel hast und noch weniger ein Graf bist, und mein Haushaltungs¬<lb/> geld mußt du mir unbedingt erhöhen, Ebert, wenn wir wieder nach Berlin<lb/> kommen und zu Hause sind. Ich habe alles noch einmal ganz genau zu¬<lb/> sammengerechnet und komme wirklich für den Herbst nicht iveiter aus. Und<lb/> höre mal, in den nächsten Tagen müssen wir doch wohl anfangen, unsre Sachen<lb/> so leiseken zusammenzusuchen in deiner Mühle. Die Herren aus der Stadt,<lb/> die gestern wieder mit ihren Maßstäben und Notizbüchern da waren, lind der<lb/> Wagen mit Schubkarren und Schaufeln und Hacken, der heute Morgen kam und<lb/> abgeladen wurde, deuten doch wohl darauf hin, daß unsre Stunden hier ge¬<lb/> zählt sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1523"> Und statt Giacomo Leopardi zu deklamiren in unsrer alten Schanze aus<lb/> der Schwedenzeit, sang mit Heller Stimme mein fröhliches, horniges Lebensglück<lb/> von G. K. Herloßsohn und mit Franz Abt:</p><lb/> <quote> Wenn die Schwalben heimwärts ziehn,</quote><lb/> <p xml:id="ID_1524"> und alle die Schwalben, die noch in sommerlichster Lust zwitschernd über uns<lb/> und der alten Schlachtenstätte sich im Kreise schwangen, schienen diese Kreise zu<lb/> verengern um meine klarstimmige Sängerin, während die Lerche ihr zu Häupten<lb/> im Blauen still hing.</p><lb/> <p xml:id="ID_1525"> Ach und wie gut das weichmütige Abschiedslied in die Stunde paßte!<lb/> Sie hatten den Wagen mit den Schubkarren, Hacken und Schaufeln der nächstens<lb/> nachrückenden Erdarbeiter wirklich am Morgen unter unsre Kastanienbäume ge¬<lb/> schoben. Die Schaufeln, Hacken und Äxte waren fürs erste noch in der Turbinen¬<lb/> stube niedergelegt worden; aber die Schubkarren waren schon draußen geblieben<lb/> und standen in zwei langen Reihen zwischen den Gartentischen unter den lieben,<lb/> dem Verhängnis verfallenen Bäumen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
pfisters Mühle.
gedacht' ich nun der Ewigkeit,
Der längst entschwundnen, toten, wie der jetz'gar
Lebend'gen Zeit und ihres Lnrins. In dieser
Unendlichkeit versank mein ganzes Denken,
Und süß war's mir, auf diesem Meer zu scheitern.
Ich hatte die ganze Ccmzone. die Hände unterm Hinterkopf, mit halb¬
geschlossenen Augen vor mich hingesprochen, und —
Hast du das eben gemacht, Männchen? fragte mein unlitterarisches Mädchen
so freundlich und vergnüglich, daß ich mich rasch offenen Auges auf den Ellen¬
bogen stützte und rief:
Du dummes Närrchen, habe ich das eben selber gemacht? Von einem
kleinen buckligen Italiener ist's. Recanati hieß sein Dorf, in dessen Umgebung
wohl eine ähnliche Hecke gewesen sein muß wie diese hier, hinter welcher er es,
wie deine Volksgenossen sich auszudrücken Pflegen, unter der Feder hatte. Er war
sogar ein Graf, mein Herz, wenn auch mit zu wenig Taschengeld —
Und er war sicher ein ebenso närrischer Patron wie du, wenn du gottlob
auch keinen Buckel hast und noch weniger ein Graf bist, und mein Haushaltungs¬
geld mußt du mir unbedingt erhöhen, Ebert, wenn wir wieder nach Berlin
kommen und zu Hause sind. Ich habe alles noch einmal ganz genau zu¬
sammengerechnet und komme wirklich für den Herbst nicht iveiter aus. Und
höre mal, in den nächsten Tagen müssen wir doch wohl anfangen, unsre Sachen
so leiseken zusammenzusuchen in deiner Mühle. Die Herren aus der Stadt,
die gestern wieder mit ihren Maßstäben und Notizbüchern da waren, lind der
Wagen mit Schubkarren und Schaufeln und Hacken, der heute Morgen kam und
abgeladen wurde, deuten doch wohl darauf hin, daß unsre Stunden hier ge¬
zählt sind.
Und statt Giacomo Leopardi zu deklamiren in unsrer alten Schanze aus
der Schwedenzeit, sang mit Heller Stimme mein fröhliches, horniges Lebensglück
von G. K. Herloßsohn und mit Franz Abt:
Wenn die Schwalben heimwärts ziehn,
und alle die Schwalben, die noch in sommerlichster Lust zwitschernd über uns
und der alten Schlachtenstätte sich im Kreise schwangen, schienen diese Kreise zu
verengern um meine klarstimmige Sängerin, während die Lerche ihr zu Häupten
im Blauen still hing.
Ach und wie gut das weichmütige Abschiedslied in die Stunde paßte!
Sie hatten den Wagen mit den Schubkarren, Hacken und Schaufeln der nächstens
nachrückenden Erdarbeiter wirklich am Morgen unter unsre Kastanienbäume ge¬
schoben. Die Schaufeln, Hacken und Äxte waren fürs erste noch in der Turbinen¬
stube niedergelegt worden; aber die Schubkarren waren schon draußen geblieben
und standen in zwei langen Reihen zwischen den Gartentischen unter den lieben,
dem Verhängnis verfallenen Bäumen.
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