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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

trägt, erfahren wir dann, daß der Kaiser dem Jan Brueghel diese Summe für
Gemälde seines Vaters schuldete. "Der Kaiser hat große Kosten aufgewendet,
um in den Besitz aller seiner Werke zu gelangen." Deshalb sei es ihm nicht
möglich, dem Wunsche des Erzbischofs zu entsprechen, welcher ebenfalls ein Ge¬
mälde des alten Brueghel haben wollte. Indessen habe er eine Kopie von
einem Bilde des Vaters angefertigt, die er ihm in wenigen Tagen schicken
würde.

Zu einer Zeit also, wo des Kaisers Bruder Matthias, dem Drängen aller
Glieder des österreichischen Fürstenhauses nachgebend, gegen Rudolf seine Waffen
kehrte und ihn zur Abtretung von Ungarn, Österreich und Mähren zwang, war
die Hauptsorge des gekrönten Alchemisten darauf gerichtet, alle irgendwie er¬
reichbaren Gemälde Pieter Brueghels zu erlangen! Psychologisch ist auch dieser
Zug zu erklären. Noch heute macht der ungeheure Gebändekomplex auf dem
Hradschin in Prag, wo Kaiser Rudolf sich eingesponnen hatte, den Eindruck der
Unnahbarkeit und Unantastbarkeit. Umsomehr konnte vor drei Jahrhunderten
ein frühzeitig mit dem Glänze der Majestät umgebener, phantastisch angelegter
Mensch auf den Gedanken kommen, daß keine Macht der Welt ihn aus dieser
Festung, die alles in sich barg, was wünschenswert ist, herausreißen könne.
Unbekümmert um das Herannahen feindlicher Heere und in blindem Vertrauen
auf die vor seinen Augen geübte brutale Gewalt seiner Trabanten, gab sich
Rudolf II. auch mitten im Kriegsgetümmel seinen Liebhabereien hin.

Wir wissen nicht, ob Jan Brueghel seine 2400 Goldgulden vom Kaiser
erhalten hat. Es ist aber anzunehmen, da Brueghel sonst jedenfalls im weitern
Verlauf seines Briefwechsels mit dem Erzbischof von Mailand und mit Ercole
Bianchi auf diesen Punkt zurückgekommen wäre. Denn die Preise für seine
Gemälde und überhaupt Geldangelegenheiten spielen in diesem Briefwechsel eine
so große Rolle, daß man vollen Grund haben würde, nach diesen Dokumenten
Jan Brueghel im Lichte eines habsüchtigen und äußerst geldgierigen Geizhalses
zu sehen. Dagegen sprechen aber viele Züge, sowohl in diesem Briefwechsel selbst,
als solche, die uns aus andern Quellen überliefert worden sind. Trotzdem daß
Brueghel mit großer Ängstlichkeit auf seinen eignen Vorteil bedacht ist, weiß
er stets die wärmsten Worte für seine Freunde zu finden. Einmal handelt es
sich darum, bei dem Erzbischof Fürsprache einzulegen für einen Antwerpener
Maler, der wegen irgendeiner unbesonnenen Äußerung dein heiligen Offizio in
Rom in die Hände gefallen und ins Gefängnis geworfen worden war. Das
andremal betrifft es den Antwerpener Maler Franz Snyders, welcher im
Jahre 1608 nach Mailand kam und den Winter daselbst bleiben wollte. Nicht
genug, daß er dem Kardinal und seinem Protektor Ercole Bianchi den Freund
mit den dringendsten Worten empfiehlt, er weist ihm auch einen Vorschuß bis
zu hundert Goldgulden aus seinem Guthaben an, für den Fall, daß er des
Geldes bedürftig sein sollte. "Denn ich bin diesem jungen Manne, schreibt er,


Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei.

trägt, erfahren wir dann, daß der Kaiser dem Jan Brueghel diese Summe für
Gemälde seines Vaters schuldete. „Der Kaiser hat große Kosten aufgewendet,
um in den Besitz aller seiner Werke zu gelangen." Deshalb sei es ihm nicht
möglich, dem Wunsche des Erzbischofs zu entsprechen, welcher ebenfalls ein Ge¬
mälde des alten Brueghel haben wollte. Indessen habe er eine Kopie von
einem Bilde des Vaters angefertigt, die er ihm in wenigen Tagen schicken
würde.

Zu einer Zeit also, wo des Kaisers Bruder Matthias, dem Drängen aller
Glieder des österreichischen Fürstenhauses nachgebend, gegen Rudolf seine Waffen
kehrte und ihn zur Abtretung von Ungarn, Österreich und Mähren zwang, war
die Hauptsorge des gekrönten Alchemisten darauf gerichtet, alle irgendwie er¬
reichbaren Gemälde Pieter Brueghels zu erlangen! Psychologisch ist auch dieser
Zug zu erklären. Noch heute macht der ungeheure Gebändekomplex auf dem
Hradschin in Prag, wo Kaiser Rudolf sich eingesponnen hatte, den Eindruck der
Unnahbarkeit und Unantastbarkeit. Umsomehr konnte vor drei Jahrhunderten
ein frühzeitig mit dem Glänze der Majestät umgebener, phantastisch angelegter
Mensch auf den Gedanken kommen, daß keine Macht der Welt ihn aus dieser
Festung, die alles in sich barg, was wünschenswert ist, herausreißen könne.
Unbekümmert um das Herannahen feindlicher Heere und in blindem Vertrauen
auf die vor seinen Augen geübte brutale Gewalt seiner Trabanten, gab sich
Rudolf II. auch mitten im Kriegsgetümmel seinen Liebhabereien hin.

Wir wissen nicht, ob Jan Brueghel seine 2400 Goldgulden vom Kaiser
erhalten hat. Es ist aber anzunehmen, da Brueghel sonst jedenfalls im weitern
Verlauf seines Briefwechsels mit dem Erzbischof von Mailand und mit Ercole
Bianchi auf diesen Punkt zurückgekommen wäre. Denn die Preise für seine
Gemälde und überhaupt Geldangelegenheiten spielen in diesem Briefwechsel eine
so große Rolle, daß man vollen Grund haben würde, nach diesen Dokumenten
Jan Brueghel im Lichte eines habsüchtigen und äußerst geldgierigen Geizhalses
zu sehen. Dagegen sprechen aber viele Züge, sowohl in diesem Briefwechsel selbst,
als solche, die uns aus andern Quellen überliefert worden sind. Trotzdem daß
Brueghel mit großer Ängstlichkeit auf seinen eignen Vorteil bedacht ist, weiß
er stets die wärmsten Worte für seine Freunde zu finden. Einmal handelt es
sich darum, bei dem Erzbischof Fürsprache einzulegen für einen Antwerpener
Maler, der wegen irgendeiner unbesonnenen Äußerung dein heiligen Offizio in
Rom in die Hände gefallen und ins Gefängnis geworfen worden war. Das
andremal betrifft es den Antwerpener Maler Franz Snyders, welcher im
Jahre 1608 nach Mailand kam und den Winter daselbst bleiben wollte. Nicht
genug, daß er dem Kardinal und seinem Protektor Ercole Bianchi den Freund
mit den dringendsten Worten empfiehlt, er weist ihm auch einen Vorschuß bis
zu hundert Goldgulden aus seinem Guthaben an, für den Fall, daß er des
Geldes bedürftig sein sollte. „Denn ich bin diesem jungen Manne, schreibt er,


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[0421] Die niederländische Genre- und Landschaftsmalerei. trägt, erfahren wir dann, daß der Kaiser dem Jan Brueghel diese Summe für Gemälde seines Vaters schuldete. „Der Kaiser hat große Kosten aufgewendet, um in den Besitz aller seiner Werke zu gelangen." Deshalb sei es ihm nicht möglich, dem Wunsche des Erzbischofs zu entsprechen, welcher ebenfalls ein Ge¬ mälde des alten Brueghel haben wollte. Indessen habe er eine Kopie von einem Bilde des Vaters angefertigt, die er ihm in wenigen Tagen schicken würde. Zu einer Zeit also, wo des Kaisers Bruder Matthias, dem Drängen aller Glieder des österreichischen Fürstenhauses nachgebend, gegen Rudolf seine Waffen kehrte und ihn zur Abtretung von Ungarn, Österreich und Mähren zwang, war die Hauptsorge des gekrönten Alchemisten darauf gerichtet, alle irgendwie er¬ reichbaren Gemälde Pieter Brueghels zu erlangen! Psychologisch ist auch dieser Zug zu erklären. Noch heute macht der ungeheure Gebändekomplex auf dem Hradschin in Prag, wo Kaiser Rudolf sich eingesponnen hatte, den Eindruck der Unnahbarkeit und Unantastbarkeit. Umsomehr konnte vor drei Jahrhunderten ein frühzeitig mit dem Glänze der Majestät umgebener, phantastisch angelegter Mensch auf den Gedanken kommen, daß keine Macht der Welt ihn aus dieser Festung, die alles in sich barg, was wünschenswert ist, herausreißen könne. Unbekümmert um das Herannahen feindlicher Heere und in blindem Vertrauen auf die vor seinen Augen geübte brutale Gewalt seiner Trabanten, gab sich Rudolf II. auch mitten im Kriegsgetümmel seinen Liebhabereien hin. Wir wissen nicht, ob Jan Brueghel seine 2400 Goldgulden vom Kaiser erhalten hat. Es ist aber anzunehmen, da Brueghel sonst jedenfalls im weitern Verlauf seines Briefwechsels mit dem Erzbischof von Mailand und mit Ercole Bianchi auf diesen Punkt zurückgekommen wäre. Denn die Preise für seine Gemälde und überhaupt Geldangelegenheiten spielen in diesem Briefwechsel eine so große Rolle, daß man vollen Grund haben würde, nach diesen Dokumenten Jan Brueghel im Lichte eines habsüchtigen und äußerst geldgierigen Geizhalses zu sehen. Dagegen sprechen aber viele Züge, sowohl in diesem Briefwechsel selbst, als solche, die uns aus andern Quellen überliefert worden sind. Trotzdem daß Brueghel mit großer Ängstlichkeit auf seinen eignen Vorteil bedacht ist, weiß er stets die wärmsten Worte für seine Freunde zu finden. Einmal handelt es sich darum, bei dem Erzbischof Fürsprache einzulegen für einen Antwerpener Maler, der wegen irgendeiner unbesonnenen Äußerung dein heiligen Offizio in Rom in die Hände gefallen und ins Gefängnis geworfen worden war. Das andremal betrifft es den Antwerpener Maler Franz Snyders, welcher im Jahre 1608 nach Mailand kam und den Winter daselbst bleiben wollte. Nicht genug, daß er dem Kardinal und seinem Protektor Ercole Bianchi den Freund mit den dringendsten Worten empfiehlt, er weist ihm auch einen Vorschuß bis zu hundert Goldgulden aus seinem Guthaben an, für den Fall, daß er des Geldes bedürftig sein sollte. „Denn ich bin diesem jungen Manne, schreibt er,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/421>, abgerufen am 29.12.2024.