Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Italienische Zustände. davon muß natürlich die Waarenbewegung erheblich zurückgehen, wenn der Per¬ Am empfindlichsten war der Verlust, welcher die italienische Staatskasse Wenn nun die italienische Regierung glaubte, den Schmuggel durch den Grenzboten IV. 1384. S2
Italienische Zustände. davon muß natürlich die Waarenbewegung erheblich zurückgehen, wenn der Per¬ Am empfindlichsten war der Verlust, welcher die italienische Staatskasse Wenn nun die italienische Regierung glaubte, den Schmuggel durch den Grenzboten IV. 1384. S2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157342"/> <fw type="header" place="top"> Italienische Zustände.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> davon muß natürlich die Waarenbewegung erheblich zurückgehen, wenn der Per¬<lb/> sonentransport so gut wie aufhört oder sich wenigstens auf das absolut Not¬<lb/> wendige beschränkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1441"> Am empfindlichsten war der Verlust, welcher die italienische Staatskasse<lb/> direkt getroffen hat. Der Grund der Animosität gegen die Schweiz (gegen<lb/> Frankreich scheint die Quarantäne wesentlich anders gehandhabt worden zu<lb/> sein) lag in der Forderung, die Bundesregierung solle dem Schmuggel steuern.<lb/> Nun wird dieser Schmuggel natürlich nur von italienischen Unterthanen be¬<lb/> trieben, welche Thee, Kaffee, Zucker, Petroleum, Salz und ähnliches in den<lb/> Grenzorten einlaufe», über die Pässe bringen und in Italien absetzen. Der<lb/> Nutzen ist trotz der Schwierigkeit des Transportes sehr erheblich, weil die meisten<lb/> der geschmuggelten Waaren in Italien der hohen Zölle wegen das Doppelte<lb/> kosten. Die Schweizer Regierung sagte mit vollem Rechte, daß der Schmuggel<lb/> nur da inhibirt oder bestraft werden könne, wo ein Delikt gegen die Landesge¬<lb/> setze vorliege, das heißt in Italien, während die Händler ihre Waaren in der<lb/> Schweiz in vollkommen gesetzlicher Weise ankaufen. Dazu kommt, daß die<lb/> Schweiz gar keine eigentliche Grenzbewachung durch Steueroffizicmten hat, da<lb/> aus Italien nach der Schweiz kein Schmuggel getrieben wird, während Italien<lb/> über ein großes Heer von Douaniers verfügt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> Wenn nun die italienische Regierung glaubte, den Schmuggel durch den<lb/> militärischen Korton z» verhindern oder gar unmöglich zu macheu, so hat sie<lb/> sich aufs bitterste getäuscht. Die Steuereinnahme« sind währeud der Dauer<lb/> der Quarantäne viel geringer gewesen als sonst, und zwar aus dem einfachen<lb/> Grunde, weil der Schmuggel niemals so kolossale Dimensionen angenommen hat<lb/> wie zur Zeit der militärischen Grenzbewachung. Die Douaniers sollen nämlich<lb/> zwar auch gewissen Einflüssen nicht ganz unzugänglich sein, welche dem<lb/> Schmuggler durch wirksame Überredung gestatten, seine Waaren ungehindert<lb/> über die Grenze zu tragen — aber sie kennen das Terrain, die Schlupfwinkel<lb/> und Schleichwege aufs vortrefflichste. Die Personen der Schmuggler sowie<lb/> der Kundschafter, die vor der Trägerkarawanc hergehen und dnrch ein vorzüg¬<lb/> lich eingerichtetes System von Signalen die Träger über die Gefahr und ihre<lb/> Richtung verständigen, sind ihnen ganz genau bekannt. Wollen sie also nicht<lb/> getäuscht sein, so sind sie sehr schwer zu betrügen. Die Soldaten dagegen<lb/> (denn nun trat das Militärkommando an die Stelle der Steucrverwaltung)<lb/> sind ebenso leicht zu — überreden wie die Douaniers und kennen außerdem die<lb/> ganze Sachlage uicht. Der Grenzkordon bestand aus Wachtposten, die von<lb/> fünfzig zu fünfzig Metern aufgestellt waren; hatten die Schmuggler zwei Wacht¬<lb/> posten begreiflich gemacht, daß sie besser thäten, nicht hinzusehen, falls ein Zug<lb/> waarenbepackter Männer über die Grenze gehen sollte, so kamen die Schmuggler<lb/> ungehindert durch. Die Krämer schweizerischer Grenzorte, von denen fast nur<lb/> Sachen verkauft werden, die in Italien einem hohen Eingangszoll unterliegen,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1384. S2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
Italienische Zustände.
davon muß natürlich die Waarenbewegung erheblich zurückgehen, wenn der Per¬
sonentransport so gut wie aufhört oder sich wenigstens auf das absolut Not¬
wendige beschränkt.
Am empfindlichsten war der Verlust, welcher die italienische Staatskasse
direkt getroffen hat. Der Grund der Animosität gegen die Schweiz (gegen
Frankreich scheint die Quarantäne wesentlich anders gehandhabt worden zu
sein) lag in der Forderung, die Bundesregierung solle dem Schmuggel steuern.
Nun wird dieser Schmuggel natürlich nur von italienischen Unterthanen be¬
trieben, welche Thee, Kaffee, Zucker, Petroleum, Salz und ähnliches in den
Grenzorten einlaufe», über die Pässe bringen und in Italien absetzen. Der
Nutzen ist trotz der Schwierigkeit des Transportes sehr erheblich, weil die meisten
der geschmuggelten Waaren in Italien der hohen Zölle wegen das Doppelte
kosten. Die Schweizer Regierung sagte mit vollem Rechte, daß der Schmuggel
nur da inhibirt oder bestraft werden könne, wo ein Delikt gegen die Landesge¬
setze vorliege, das heißt in Italien, während die Händler ihre Waaren in der
Schweiz in vollkommen gesetzlicher Weise ankaufen. Dazu kommt, daß die
Schweiz gar keine eigentliche Grenzbewachung durch Steueroffizicmten hat, da
aus Italien nach der Schweiz kein Schmuggel getrieben wird, während Italien
über ein großes Heer von Douaniers verfügt.
Wenn nun die italienische Regierung glaubte, den Schmuggel durch den
militärischen Korton z» verhindern oder gar unmöglich zu macheu, so hat sie
sich aufs bitterste getäuscht. Die Steuereinnahme« sind währeud der Dauer
der Quarantäne viel geringer gewesen als sonst, und zwar aus dem einfachen
Grunde, weil der Schmuggel niemals so kolossale Dimensionen angenommen hat
wie zur Zeit der militärischen Grenzbewachung. Die Douaniers sollen nämlich
zwar auch gewissen Einflüssen nicht ganz unzugänglich sein, welche dem
Schmuggler durch wirksame Überredung gestatten, seine Waaren ungehindert
über die Grenze zu tragen — aber sie kennen das Terrain, die Schlupfwinkel
und Schleichwege aufs vortrefflichste. Die Personen der Schmuggler sowie
der Kundschafter, die vor der Trägerkarawanc hergehen und dnrch ein vorzüg¬
lich eingerichtetes System von Signalen die Träger über die Gefahr und ihre
Richtung verständigen, sind ihnen ganz genau bekannt. Wollen sie also nicht
getäuscht sein, so sind sie sehr schwer zu betrügen. Die Soldaten dagegen
(denn nun trat das Militärkommando an die Stelle der Steucrverwaltung)
sind ebenso leicht zu — überreden wie die Douaniers und kennen außerdem die
ganze Sachlage uicht. Der Grenzkordon bestand aus Wachtposten, die von
fünfzig zu fünfzig Metern aufgestellt waren; hatten die Schmuggler zwei Wacht¬
posten begreiflich gemacht, daß sie besser thäten, nicht hinzusehen, falls ein Zug
waarenbepackter Männer über die Grenze gehen sollte, so kamen die Schmuggler
ungehindert durch. Die Krämer schweizerischer Grenzorte, von denen fast nur
Sachen verkauft werden, die in Italien einem hohen Eingangszoll unterliegen,
Grenzboten IV. 1384. S2
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