Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Notizen. versteht es der Verfasser die weltgeschichtliche Stellung der einzelnen Völker zu Fassen wir nur die kunstgeschichtlichen Abschnitte ins Auge, so begrüßen wir Höchst aufmerksam ist Meyer ferner den Spuren des Zusammenhanges der Dem Buche, welches übrigens auch typographisch schön und praktisch ausgestattet Notizen. versteht es der Verfasser die weltgeschichtliche Stellung der einzelnen Völker zu Fassen wir nur die kunstgeschichtlichen Abschnitte ins Auge, so begrüßen wir Höchst aufmerksam ist Meyer ferner den Spuren des Zusammenhanges der Dem Buche, welches übrigens auch typographisch schön und praktisch ausgestattet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157320"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1372" prev="#ID_1371"> versteht es der Verfasser die weltgeschichtliche Stellung der einzelnen Völker zu<lb/> würdigen, ganz besonders möchten wir da den die Semiten betreffenden Abschnitt<lb/> hervorheben. Selbstverständlich beschränkt sich die Erzählung nicht aus die Dar¬<lb/> stellung der politischen Geschichte; die gesamte Kulturentwicklung, Religion, Literatur,<lb/> Handel und nicht zum wenigsten die Kunst finden eingehende Behandlung,</p><lb/> <p xml:id="ID_1373"> Fassen wir nur die kunstgeschichtlichen Abschnitte ins Auge, so begrüßen wir<lb/> gleich mit wahrer Freude die Darstellung der ägyptischen Skulptur, von der Meyer<lb/> mit vollem Recht rühmt, daß sie uns eigentlich sofort mit Meisterwerken ersten<lb/> Ranges entgegentrete, wie der Hvlzstatue des „Dorfschulzen" und der Statue des<lb/> „Schreibers" im Louvre. „Wer erwägt, sagt der Verfasser, daß die Statuen dem<lb/> „Ka" des Verstorbenen (einem Geist, der den Menschen beim Tode wieder verläßt<lb/> und den man sich als ein förmliches Abbild des Lebenden denkt) als Wohnsitz<lb/> dienen sollte und daher eine ernste, würdevolle Haltung unbedingt geboten war,<lb/> wird gegen diese Werke den oft geäußerten Vorwurf der Steifheit nicht erheben,<lb/> sondern anerkennen, daß der Künstler die ihm gestellte Aufgabe auf das voll¬<lb/> kommenste gelöst hat,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1374"> Höchst aufmerksam ist Meyer ferner den Spuren des Zusammenhanges der<lb/> orientalischen Kunstentwicklung mit der des Abendlandes, namentlich Griechenlands,<lb/> gefolgt. So erstreckt die babylonische Kunst ihren Einfluß auf die abendländischen<lb/> Völker durch Schaffung mißgestaltiger Ungeheuer, wie Drachen, Einhörner,<lb/> Greifen u. dergl. In der Schilderung der durch Verbindung ägyptischer und<lb/> babylonischer Elemente entstandenen syrischen Mischkunst tritt besonders die Orna¬<lb/> mentik, namentlich die linearen Ornamente (Mäanderlinie u. s. w.), hervor. An<lb/> diesen „geometrischen Stil" hat die spätere griechische Vasentechnik angeknüpft. Die<lb/> Entwicklung der assyrischen Baukunst weist uns auf das Vordringen dieses Stiles<lb/> nach Kleinasien hin, wo er zur Kenntnis der Griechen gelangte, aus ihm hat sich<lb/> der ionische Stil entwickelt. Schliemanns Funde haben natürlich ausgiebige Ver¬<lb/> wertung gefunden. Die Verwendung von Goldmasken, wie sie in Mykenä ge¬<lb/> funden worden, will der Verfasser ägyptischem Einfluß zuschreiben, die erhaltenen<lb/> Masken aber möchte er lieber als einheimische denn als phönikischc Arbeit ansehen.<lb/> Die obenerwähnte phöniko-syrische Ornamentik ist in Orchomenos zu tage gekommen.<lb/> Der gesamte von Schliemann in Hissarlik ausgegrabene Goldschmuck, viele Gold¬<lb/> sachen in Mykenä und Orchomenos sind Erzeugnisse phönikischer Kunst, von dem<lb/> betriebsamen Handelsvolk an den Küsten des ägäischen Meeres verbreitet. An den<lb/> Werken der phönikisch-vorderasiatischen Kunst entwickelte sich die griechische Kunst,<lb/> Jahrhunderte später erst trat dazu der Einfluß der babylonisch-assyrischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Dem Buche, welches übrigens auch typographisch schön und praktisch ausgestattet<lb/> ist, geht eine kurze Erklärung voran, worin der Verfasser seinen Standpunkt gegenüber<lb/> der Transkription darlegt — ein schwieriger Punkt. Wir haben eine Deutsche<lb/> Morgenländische Gesellschaft, dazu neuerdings auch Orientalistenkougresse; für diese<lb/> wäre es wahrhaftig eine lohnende Aufgabe, eine einheitliche Umschreibung anzu¬<lb/> bahnen. Jetzt findet sich z, B. in dem einen Werke Dhutmes, in dein andern<lb/> Tntmes, hier werden Herhor und Hör Psiuncha, dort Hrihor und Har-Pisebcha in:<lb/> gebraucht, ganz abgesehen davon, daß auch oft noch die' griechische Form, für das<lb/> lctzterchWort z, B. Psusennes, steht. Den Laien, den Nichtkenner des AegYPtischen,<lb/> Assyrischer — und das wird wohl immer die Mehrzahl der Leser bleiben — kann<lb/> das nur irre leiten. Welche heillose Verwirrung wird erst entstehen, wenn einmal<lb/> die Ergebnisse der neueren orientalischen Forschungen bis in die Schul- und Hand¬<lb/> bücher durchgesickert sein werden!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Notizen.
versteht es der Verfasser die weltgeschichtliche Stellung der einzelnen Völker zu
würdigen, ganz besonders möchten wir da den die Semiten betreffenden Abschnitt
hervorheben. Selbstverständlich beschränkt sich die Erzählung nicht aus die Dar¬
stellung der politischen Geschichte; die gesamte Kulturentwicklung, Religion, Literatur,
Handel und nicht zum wenigsten die Kunst finden eingehende Behandlung,
Fassen wir nur die kunstgeschichtlichen Abschnitte ins Auge, so begrüßen wir
gleich mit wahrer Freude die Darstellung der ägyptischen Skulptur, von der Meyer
mit vollem Recht rühmt, daß sie uns eigentlich sofort mit Meisterwerken ersten
Ranges entgegentrete, wie der Hvlzstatue des „Dorfschulzen" und der Statue des
„Schreibers" im Louvre. „Wer erwägt, sagt der Verfasser, daß die Statuen dem
„Ka" des Verstorbenen (einem Geist, der den Menschen beim Tode wieder verläßt
und den man sich als ein förmliches Abbild des Lebenden denkt) als Wohnsitz
dienen sollte und daher eine ernste, würdevolle Haltung unbedingt geboten war,
wird gegen diese Werke den oft geäußerten Vorwurf der Steifheit nicht erheben,
sondern anerkennen, daß der Künstler die ihm gestellte Aufgabe auf das voll¬
kommenste gelöst hat,"
Höchst aufmerksam ist Meyer ferner den Spuren des Zusammenhanges der
orientalischen Kunstentwicklung mit der des Abendlandes, namentlich Griechenlands,
gefolgt. So erstreckt die babylonische Kunst ihren Einfluß auf die abendländischen
Völker durch Schaffung mißgestaltiger Ungeheuer, wie Drachen, Einhörner,
Greifen u. dergl. In der Schilderung der durch Verbindung ägyptischer und
babylonischer Elemente entstandenen syrischen Mischkunst tritt besonders die Orna¬
mentik, namentlich die linearen Ornamente (Mäanderlinie u. s. w.), hervor. An
diesen „geometrischen Stil" hat die spätere griechische Vasentechnik angeknüpft. Die
Entwicklung der assyrischen Baukunst weist uns auf das Vordringen dieses Stiles
nach Kleinasien hin, wo er zur Kenntnis der Griechen gelangte, aus ihm hat sich
der ionische Stil entwickelt. Schliemanns Funde haben natürlich ausgiebige Ver¬
wertung gefunden. Die Verwendung von Goldmasken, wie sie in Mykenä ge¬
funden worden, will der Verfasser ägyptischem Einfluß zuschreiben, die erhaltenen
Masken aber möchte er lieber als einheimische denn als phönikischc Arbeit ansehen.
Die obenerwähnte phöniko-syrische Ornamentik ist in Orchomenos zu tage gekommen.
Der gesamte von Schliemann in Hissarlik ausgegrabene Goldschmuck, viele Gold¬
sachen in Mykenä und Orchomenos sind Erzeugnisse phönikischer Kunst, von dem
betriebsamen Handelsvolk an den Küsten des ägäischen Meeres verbreitet. An den
Werken der phönikisch-vorderasiatischen Kunst entwickelte sich die griechische Kunst,
Jahrhunderte später erst trat dazu der Einfluß der babylonisch-assyrischen.
Dem Buche, welches übrigens auch typographisch schön und praktisch ausgestattet
ist, geht eine kurze Erklärung voran, worin der Verfasser seinen Standpunkt gegenüber
der Transkription darlegt — ein schwieriger Punkt. Wir haben eine Deutsche
Morgenländische Gesellschaft, dazu neuerdings auch Orientalistenkougresse; für diese
wäre es wahrhaftig eine lohnende Aufgabe, eine einheitliche Umschreibung anzu¬
bahnen. Jetzt findet sich z, B. in dem einen Werke Dhutmes, in dein andern
Tntmes, hier werden Herhor und Hör Psiuncha, dort Hrihor und Har-Pisebcha in:
gebraucht, ganz abgesehen davon, daß auch oft noch die' griechische Form, für das
lctzterchWort z, B. Psusennes, steht. Den Laien, den Nichtkenner des AegYPtischen,
Assyrischer — und das wird wohl immer die Mehrzahl der Leser bleiben — kann
das nur irre leiten. Welche heillose Verwirrung wird erst entstehen, wenn einmal
die Ergebnisse der neueren orientalischen Forschungen bis in die Schul- und Hand¬
bücher durchgesickert sein werden!
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