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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle.

He he he, kicherte der unzurechnungsfähige Gastfreund der Olympier. Es
soll mich in der Theil wundern, wie sie es anfangen wird, sich nicht zu bla-
miren. Merken Sie sichs, Eberhard Pfister, und halten Sie sich an ein so¬
lides Kopf- und Handwerk. Kinder von meinesgleichen, und wenn es die besten
lieben Mädchen wären, sind leider nicht cour- und tafelfähig da oben -- über
den Wolken und Krähenschwärmen. Beim Zeus und allen feinen Redensarten
nach der Teilung seiner Erde, mein Kind und gutes Mädchen hat wenigstens
auch seine Freude an reinem Wasser auf dieser Erde, und ich halte es nicht
weniger als mich und Ihren Papa, Vater Pfister, berechtigt, durch die che¬
mischen Kenntnisse des Menschen da vor uns zu erfahren, wer uus dieses hier
verpestet. Da kommt wieder ein halb Dutzend toter Fische herunter, Asche.

Der Wasserbeschauer zuckte nur verdrossener denn zuvor die Achseln, ant¬
wortete dem Poeten aber nicht. Doktor A. A. Asche hielt sich jetzt einfach an
seine Aufgabe und teilte nur mir dann und wann ein Minimum seiner Beobach¬
tungen mit.

Mir aber kam es nicht zu, meinem Weibe in der Sommerfrische das Ver¬
ständnis zu öffnen für saures Calcium- und saures Magnesiumcarbonat, für
Calciumsulfat und Chlorcalcium, für Chlorkali, Kieselsäure und Chlormagnesium.

Ich bitte dich, bester Mann, höre auf, sagte sie, meine Emmy, nach dem
ersten Versuch meinerseits. Großer Gott, und das müßtet ihr alles riechen?
Ja, da riecht es zu Weihnachten ja selbst bei uns in Berlin besser! Verliere
nur weiter kein Wort mehr; ich kann mir wirklich Frau Albertine und deinen
armen seligen Papa ganz genau vorstellen, auch ohne Doktor Asches gräßliche
gelehrte Apothekerredensarten.

Ich that, offen gestanden, mir nicht weniger als ihr einen Gefallen damit,
aufzuhören, und uns den Sommertag nicht auch noch gar durch unverständliche
tsruüui tövdnioi einer uns doch nur vom Hörensagen bekannten unheimlichen
Wissenschaft zu verderben.

Kurz, wir sahen meines Vaters Mühlwasser je höher hinauf, desto un¬
sauberer werden, wir sahen noch mehr als einen auf der Seite liegenden Fisch
an uus vorbeitreiben, und wir füllten, die Nasen zuhaltend, Samses Flaschen¬
korb und versahen jede einzelne Flasche mit einer genauen Bezeichnung der Stelle,
wo wir die geschändete Najade um eine Probe angegangen waren.

Zweiundeinhalb Kilometer von Doktor Lippoldes Behausung gelangten wir
dann, nach der Welt Lauf und Entwicklung, wie zu etwas ganz selbstverständ¬
lichen , zu dem Ursprung des Verderbens von Pfisters Mühle, zu der Quelle
von Vater Pfisters Leiden, und Doktor Adam Asche sprach zum erstenmale an
jenem Morgen freundlich ein Wort. Auf die Mündung eines winzigen Neben¬
baches und über eine von einer entsetzlichen, widerwärtig gefärbten, klebrig stagni-
renden Flüssigkeit überschwemmte Wiesenfläche mit der Hand deutend, sagte er
mit unbeschreiblichem, gewissermaßen herzlichem Genügen:


Pfisters Mühle.

He he he, kicherte der unzurechnungsfähige Gastfreund der Olympier. Es
soll mich in der Theil wundern, wie sie es anfangen wird, sich nicht zu bla-
miren. Merken Sie sichs, Eberhard Pfister, und halten Sie sich an ein so¬
lides Kopf- und Handwerk. Kinder von meinesgleichen, und wenn es die besten
lieben Mädchen wären, sind leider nicht cour- und tafelfähig da oben — über
den Wolken und Krähenschwärmen. Beim Zeus und allen feinen Redensarten
nach der Teilung seiner Erde, mein Kind und gutes Mädchen hat wenigstens
auch seine Freude an reinem Wasser auf dieser Erde, und ich halte es nicht
weniger als mich und Ihren Papa, Vater Pfister, berechtigt, durch die che¬
mischen Kenntnisse des Menschen da vor uns zu erfahren, wer uus dieses hier
verpestet. Da kommt wieder ein halb Dutzend toter Fische herunter, Asche.

Der Wasserbeschauer zuckte nur verdrossener denn zuvor die Achseln, ant¬
wortete dem Poeten aber nicht. Doktor A. A. Asche hielt sich jetzt einfach an
seine Aufgabe und teilte nur mir dann und wann ein Minimum seiner Beobach¬
tungen mit.

Mir aber kam es nicht zu, meinem Weibe in der Sommerfrische das Ver¬
ständnis zu öffnen für saures Calcium- und saures Magnesiumcarbonat, für
Calciumsulfat und Chlorcalcium, für Chlorkali, Kieselsäure und Chlormagnesium.

Ich bitte dich, bester Mann, höre auf, sagte sie, meine Emmy, nach dem
ersten Versuch meinerseits. Großer Gott, und das müßtet ihr alles riechen?
Ja, da riecht es zu Weihnachten ja selbst bei uns in Berlin besser! Verliere
nur weiter kein Wort mehr; ich kann mir wirklich Frau Albertine und deinen
armen seligen Papa ganz genau vorstellen, auch ohne Doktor Asches gräßliche
gelehrte Apothekerredensarten.

Ich that, offen gestanden, mir nicht weniger als ihr einen Gefallen damit,
aufzuhören, und uns den Sommertag nicht auch noch gar durch unverständliche
tsruüui tövdnioi einer uns doch nur vom Hörensagen bekannten unheimlichen
Wissenschaft zu verderben.

Kurz, wir sahen meines Vaters Mühlwasser je höher hinauf, desto un¬
sauberer werden, wir sahen noch mehr als einen auf der Seite liegenden Fisch
an uus vorbeitreiben, und wir füllten, die Nasen zuhaltend, Samses Flaschen¬
korb und versahen jede einzelne Flasche mit einer genauen Bezeichnung der Stelle,
wo wir die geschändete Najade um eine Probe angegangen waren.

Zweiundeinhalb Kilometer von Doktor Lippoldes Behausung gelangten wir
dann, nach der Welt Lauf und Entwicklung, wie zu etwas ganz selbstverständ¬
lichen , zu dem Ursprung des Verderbens von Pfisters Mühle, zu der Quelle
von Vater Pfisters Leiden, und Doktor Adam Asche sprach zum erstenmale an
jenem Morgen freundlich ein Wort. Auf die Mündung eines winzigen Neben¬
baches und über eine von einer entsetzlichen, widerwärtig gefärbten, klebrig stagni-
renden Flüssigkeit überschwemmte Wiesenfläche mit der Hand deutend, sagte er
mit unbeschreiblichem, gewissermaßen herzlichem Genügen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/389>, abgerufen am 29.12.2024.