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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle,

und zum Schnupfen ist mir seit lange zur Genüge bekannt. Bleiben Sie mir
auch mit Ihrem Esel von Hamlet dem Danck gefälligst vom Leibe, und in
Ihrem eignen Interesse auch von Vater Pfisters Mühlwasser, Was, Maßlieb
und Veilchen bei der Jahreszeit? Dänische Tropfen werde ich Ihnen morgen
anzuraten haben, und deutsche Kamille wird alles von Florens Kindern sein,
was Fräulein O -- Fräulein Albertine Ihnen zu bieten hat, wenn Sie wieder
einmal uicht auf den guten Rat Ihrer besten Freunde hören und nicht auf der
Stelle nach Hause gehen.

Die junge Dame griff mit einem fast bösen Blick auf meinen armen
Freund Asche, aber doch zugleich angstvoll nach der Hand ihres Vaters:

O bitte, komm mit mir! Der Herr sagt es ja auch, daß es dir besser sein wird.

Nachher -- mit den jungen Leuten, Kind! Sie sind selbstverständlich zum
Frühstück bei uns eingeladen,

O! rief Fräulein Albertine leise, nun nicht zornig und ängstlich, sondern
im wirklichen Schrecken, Aber Vater -- die Herren -- du weißt --

Wenn die Zeit langt, Lippoldes, brummte Adam Asche gröblicher noch
denn zuvor. Jedenfalls drängt sie, wenn Vater Pfister bei seiner Rückkehr ans
der Kirche seine Gastfreundschaft gegen mich nicht zu allen seinen übrigen
Plagen rechnen soll. Doktor Lippoldes -- lieber ein andermal! Mein Fräu¬
lein -- ich habe die Ehre!

Er hob den gedrückten, langgedienten Filz ein wenig von dem seltsamen
zerzausten Haarwulst und ließ ihn wieder darauf zurückfalle". Sodann be¬
förderte er den ahnungslos gaffenden saufe mit seinem Flaschenkorbe vermit¬
telst eines Winkes, der fast einem Rippenstoß glich, auf unserm Pfade strom¬
aufwärts weiter und sich ihm nach, die handschuhlosen Fäuste tief in den Taschen
seines Überrocks, Doktor Lippoldes aber nahm meinen Arm und sagte:

Dieser Mensch ist ohne Zweifel ein Grobian! Nun, aber der erste nicht,
der mir im Leben begegnete. Ich mag ihn schon seit langen Jahren ganz gern,
junger Pfister; unter den Flegeln mit Gemüt ist er mir einer der liebsten, und
so mag auch er unter meiner bessern Bekanntschaft weiter mitlaufen. Kommen
Sie, junger Mann, daß wir ihn nicht aus dem Gesicht verlieren. Er hat selbst¬
verständlich keine Ahnung, wie sehr ich eben rss mög. s^lor sagen kann an Ihres
Vaters vergiftetem Lebensquell, Mädchen, die Herren haben deine Einladung
angenommen. Leihe mir deinen Arm, Knabe Lenker,

Er hatte es wirklich nötig, daß er nicht nur geführt, sondern auch gelenkt
wurde. Über die Schulter zurückblickend sah ich noch, wie Fräulein Albertine
die Hand an die Augen hob, ihr Tuch dichter um sich zusammenzog und dann
zögernd der armseligen Behausung zuschritt.

Als wir die Vorangegangenen wieder erreicht hatten, meinte Adam:

Sie hätten etwas Besseres thun können, als Ihrer armen Tochter diesen
Schrecken einzujagen, Lippoldes,


Pfisters Mühle,

und zum Schnupfen ist mir seit lange zur Genüge bekannt. Bleiben Sie mir
auch mit Ihrem Esel von Hamlet dem Danck gefälligst vom Leibe, und in
Ihrem eignen Interesse auch von Vater Pfisters Mühlwasser, Was, Maßlieb
und Veilchen bei der Jahreszeit? Dänische Tropfen werde ich Ihnen morgen
anzuraten haben, und deutsche Kamille wird alles von Florens Kindern sein,
was Fräulein O — Fräulein Albertine Ihnen zu bieten hat, wenn Sie wieder
einmal uicht auf den guten Rat Ihrer besten Freunde hören und nicht auf der
Stelle nach Hause gehen.

Die junge Dame griff mit einem fast bösen Blick auf meinen armen
Freund Asche, aber doch zugleich angstvoll nach der Hand ihres Vaters:

O bitte, komm mit mir! Der Herr sagt es ja auch, daß es dir besser sein wird.

Nachher — mit den jungen Leuten, Kind! Sie sind selbstverständlich zum
Frühstück bei uns eingeladen,

O! rief Fräulein Albertine leise, nun nicht zornig und ängstlich, sondern
im wirklichen Schrecken, Aber Vater — die Herren — du weißt —

Wenn die Zeit langt, Lippoldes, brummte Adam Asche gröblicher noch
denn zuvor. Jedenfalls drängt sie, wenn Vater Pfister bei seiner Rückkehr ans
der Kirche seine Gastfreundschaft gegen mich nicht zu allen seinen übrigen
Plagen rechnen soll. Doktor Lippoldes — lieber ein andermal! Mein Fräu¬
lein — ich habe die Ehre!

Er hob den gedrückten, langgedienten Filz ein wenig von dem seltsamen
zerzausten Haarwulst und ließ ihn wieder darauf zurückfalle». Sodann be¬
förderte er den ahnungslos gaffenden saufe mit seinem Flaschenkorbe vermit¬
telst eines Winkes, der fast einem Rippenstoß glich, auf unserm Pfade strom¬
aufwärts weiter und sich ihm nach, die handschuhlosen Fäuste tief in den Taschen
seines Überrocks, Doktor Lippoldes aber nahm meinen Arm und sagte:

Dieser Mensch ist ohne Zweifel ein Grobian! Nun, aber der erste nicht,
der mir im Leben begegnete. Ich mag ihn schon seit langen Jahren ganz gern,
junger Pfister; unter den Flegeln mit Gemüt ist er mir einer der liebsten, und
so mag auch er unter meiner bessern Bekanntschaft weiter mitlaufen. Kommen
Sie, junger Mann, daß wir ihn nicht aus dem Gesicht verlieren. Er hat selbst¬
verständlich keine Ahnung, wie sehr ich eben rss mög. s^lor sagen kann an Ihres
Vaters vergiftetem Lebensquell, Mädchen, die Herren haben deine Einladung
angenommen. Leihe mir deinen Arm, Knabe Lenker,

Er hatte es wirklich nötig, daß er nicht nur geführt, sondern auch gelenkt
wurde. Über die Schulter zurückblickend sah ich noch, wie Fräulein Albertine
die Hand an die Augen hob, ihr Tuch dichter um sich zusammenzog und dann
zögernd der armseligen Behausung zuschritt.

Als wir die Vorangegangenen wieder erreicht hatten, meinte Adam:

Sie hätten etwas Besseres thun können, als Ihrer armen Tochter diesen
Schrecken einzujagen, Lippoldes,


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[0388] Pfisters Mühle, und zum Schnupfen ist mir seit lange zur Genüge bekannt. Bleiben Sie mir auch mit Ihrem Esel von Hamlet dem Danck gefälligst vom Leibe, und in Ihrem eignen Interesse auch von Vater Pfisters Mühlwasser, Was, Maßlieb und Veilchen bei der Jahreszeit? Dänische Tropfen werde ich Ihnen morgen anzuraten haben, und deutsche Kamille wird alles von Florens Kindern sein, was Fräulein O — Fräulein Albertine Ihnen zu bieten hat, wenn Sie wieder einmal uicht auf den guten Rat Ihrer besten Freunde hören und nicht auf der Stelle nach Hause gehen. Die junge Dame griff mit einem fast bösen Blick auf meinen armen Freund Asche, aber doch zugleich angstvoll nach der Hand ihres Vaters: O bitte, komm mit mir! Der Herr sagt es ja auch, daß es dir besser sein wird. Nachher — mit den jungen Leuten, Kind! Sie sind selbstverständlich zum Frühstück bei uns eingeladen, O! rief Fräulein Albertine leise, nun nicht zornig und ängstlich, sondern im wirklichen Schrecken, Aber Vater — die Herren — du weißt — Wenn die Zeit langt, Lippoldes, brummte Adam Asche gröblicher noch denn zuvor. Jedenfalls drängt sie, wenn Vater Pfister bei seiner Rückkehr ans der Kirche seine Gastfreundschaft gegen mich nicht zu allen seinen übrigen Plagen rechnen soll. Doktor Lippoldes — lieber ein andermal! Mein Fräu¬ lein — ich habe die Ehre! Er hob den gedrückten, langgedienten Filz ein wenig von dem seltsamen zerzausten Haarwulst und ließ ihn wieder darauf zurückfalle». Sodann be¬ förderte er den ahnungslos gaffenden saufe mit seinem Flaschenkorbe vermit¬ telst eines Winkes, der fast einem Rippenstoß glich, auf unserm Pfade strom¬ aufwärts weiter und sich ihm nach, die handschuhlosen Fäuste tief in den Taschen seines Überrocks, Doktor Lippoldes aber nahm meinen Arm und sagte: Dieser Mensch ist ohne Zweifel ein Grobian! Nun, aber der erste nicht, der mir im Leben begegnete. Ich mag ihn schon seit langen Jahren ganz gern, junger Pfister; unter den Flegeln mit Gemüt ist er mir einer der liebsten, und so mag auch er unter meiner bessern Bekanntschaft weiter mitlaufen. Kommen Sie, junger Mann, daß wir ihn nicht aus dem Gesicht verlieren. Er hat selbst¬ verständlich keine Ahnung, wie sehr ich eben rss mög. s^lor sagen kann an Ihres Vaters vergiftetem Lebensquell, Mädchen, die Herren haben deine Einladung angenommen. Leihe mir deinen Arm, Knabe Lenker, Er hatte es wirklich nötig, daß er nicht nur geführt, sondern auch gelenkt wurde. Über die Schulter zurückblickend sah ich noch, wie Fräulein Albertine die Hand an die Augen hob, ihr Tuch dichter um sich zusammenzog und dann zögernd der armseligen Behausung zuschritt. Als wir die Vorangegangenen wieder erreicht hatten, meinte Adam: Sie hätten etwas Besseres thun können, als Ihrer armen Tochter diesen Schrecken einzujagen, Lippoldes,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/388>, abgerufen am 29.12.2024.