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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Schutzzöllner in England.

um ebensoviel verringerten sie dieselbe betreffs unsrer eignen Arbeit." Bald
nachher schrieb Sherlock in Liverpool eine Schrift über Our xrsssnt suivi6g.1
nsog.1 xolio^, in der er statistisch nachwies, daß England in den letzten drei¬
zehn Jahren für etwa tausend Millionen Pfund Sterling fremde Manufaktur¬
waaren eingeführt habe, und daß der englische Schatz bei zehn Prozent Zoll auf
dieselben 104 986 000 Pfund Sterling hätte gewinnen können, und der lüvsrxool
(üourisr bemerkte dazu: "Es giebt keinen Grund, weshalb wir von Fremden
Möbel beziehen sollten, die daheim gemacht werden können, oder Kerzen, eiserne
Träger und Eisendraht.... ^Selbst Postkarten bezieht England jetzt aus Deutsch¬
lands Ganz in dem Verhältnis, in welchem diese Waaren Fremder gekauft
werden, wird die englische Arbeit verdrängt, und dies ist eine Phase des fiska¬
lischen Problems, die wir dem Studium von Handwerkern und Arbeitern em¬
pfehlen."

Bedeutsamer als diese Kundgebungen, neben denen ähnliches herging, war
die Debatte, die am 1, November im Unterhause über den Antrag Macivers
stattfand, "die Aufmerksamkeit Ihrer Majestät auf das Darniederliegen von
Handel und Ackerbau zu lenken und zu bedauern, daß die Thronrede auf einen
so hochwichtigen Gegenstand nicht Bezug genommen habe." Der Antragsteller
sagte u, a., die Untersuchung dieser Frage sei wichtiger als das Wahlgesetz, mit
dem man verhungernde Leute nicht sättigen könne, und die Lage sei zu ernst,
um als Parteifrage behandelt werden zu können. Die Wollenwaarenfabrikation,
der Schiffsbau, die Schifffahrt Englands stünden jetzt gegen diese Gewerbszweige
in andern Ländern zurück. Viele Freihändler würden ihm zugeben, daß das, was
man Freihandel nenne, jedermann enttäuscht hätte. Ein andrer Redner bemerkte,
"die Prophezeiungen der Freihändler fänden bei keiner Klasse mehr Glauben;
denn sie hätten sich zu oft als falsch erwiesen. Früher hätten Handel und Ge¬
werbe niemals so oft und so lange darnieder gelegen als jetzt." Wieder andre Ab¬
geordnete klagten über niedrige Löhne, überfüllte Märkte und geringen Nutzen
der Fabrikanten beim Verkauf ihrer Erzeugnisse, sowie über die gedrückte Lage
der Landwirte, die für ihren Weizen und ihr Vieh weit niedrigere Preise be¬
kämen als früher, und fanden die Ursachen von alledem in der Konkurrenz des
Auslandes und dem Mangel an Schutz vor derselben. Sie sagten ungefähr
dasselbe, was in den Jahren vor 1873 hinsichtlich der Schutzlosigkeit von In¬
dustrie und Landwirtschaft in Deutschland gesagt worden war. Es wurde be¬
hauptet, daß der Verlust, den das Land hierdurch erleide, 160 bis 200 Mil¬
lionen Pfund Sterling betrage. "Unsre Gewerbe haben, so erklärte ein Redner,
aufgehört, mit dem Anwachsen der Bevölkerung zu wachsen, und zwar gilt dies
vom Gebiete der Landwirtschaft wie von dem der Fabrikation. . . . Alles ge-
sunde Wachstum hat vollständig aufgehört. So z. B. in Wollenwaaren, wo
unsre Ausfuhr in den Jahren 1879 bis 1883 sich, verglichen mit der in den
Jahren 1869 bis 1873, um 30 Prozent an Wert vermindert hat. In bezug


Schutzzöllner in England.

um ebensoviel verringerten sie dieselbe betreffs unsrer eignen Arbeit." Bald
nachher schrieb Sherlock in Liverpool eine Schrift über Our xrsssnt suivi6g.1
nsog.1 xolio^, in der er statistisch nachwies, daß England in den letzten drei¬
zehn Jahren für etwa tausend Millionen Pfund Sterling fremde Manufaktur¬
waaren eingeführt habe, und daß der englische Schatz bei zehn Prozent Zoll auf
dieselben 104 986 000 Pfund Sterling hätte gewinnen können, und der lüvsrxool
(üourisr bemerkte dazu: „Es giebt keinen Grund, weshalb wir von Fremden
Möbel beziehen sollten, die daheim gemacht werden können, oder Kerzen, eiserne
Träger und Eisendraht.... ^Selbst Postkarten bezieht England jetzt aus Deutsch¬
lands Ganz in dem Verhältnis, in welchem diese Waaren Fremder gekauft
werden, wird die englische Arbeit verdrängt, und dies ist eine Phase des fiska¬
lischen Problems, die wir dem Studium von Handwerkern und Arbeitern em¬
pfehlen."

Bedeutsamer als diese Kundgebungen, neben denen ähnliches herging, war
die Debatte, die am 1, November im Unterhause über den Antrag Macivers
stattfand, „die Aufmerksamkeit Ihrer Majestät auf das Darniederliegen von
Handel und Ackerbau zu lenken und zu bedauern, daß die Thronrede auf einen
so hochwichtigen Gegenstand nicht Bezug genommen habe." Der Antragsteller
sagte u, a., die Untersuchung dieser Frage sei wichtiger als das Wahlgesetz, mit
dem man verhungernde Leute nicht sättigen könne, und die Lage sei zu ernst,
um als Parteifrage behandelt werden zu können. Die Wollenwaarenfabrikation,
der Schiffsbau, die Schifffahrt Englands stünden jetzt gegen diese Gewerbszweige
in andern Ländern zurück. Viele Freihändler würden ihm zugeben, daß das, was
man Freihandel nenne, jedermann enttäuscht hätte. Ein andrer Redner bemerkte,
„die Prophezeiungen der Freihändler fänden bei keiner Klasse mehr Glauben;
denn sie hätten sich zu oft als falsch erwiesen. Früher hätten Handel und Ge¬
werbe niemals so oft und so lange darnieder gelegen als jetzt." Wieder andre Ab¬
geordnete klagten über niedrige Löhne, überfüllte Märkte und geringen Nutzen
der Fabrikanten beim Verkauf ihrer Erzeugnisse, sowie über die gedrückte Lage
der Landwirte, die für ihren Weizen und ihr Vieh weit niedrigere Preise be¬
kämen als früher, und fanden die Ursachen von alledem in der Konkurrenz des
Auslandes und dem Mangel an Schutz vor derselben. Sie sagten ungefähr
dasselbe, was in den Jahren vor 1873 hinsichtlich der Schutzlosigkeit von In¬
dustrie und Landwirtschaft in Deutschland gesagt worden war. Es wurde be¬
hauptet, daß der Verlust, den das Land hierdurch erleide, 160 bis 200 Mil¬
lionen Pfund Sterling betrage. „Unsre Gewerbe haben, so erklärte ein Redner,
aufgehört, mit dem Anwachsen der Bevölkerung zu wachsen, und zwar gilt dies
vom Gebiete der Landwirtschaft wie von dem der Fabrikation. . . . Alles ge-
sunde Wachstum hat vollständig aufgehört. So z. B. in Wollenwaaren, wo
unsre Ausfuhr in den Jahren 1879 bis 1883 sich, verglichen mit der in den
Jahren 1869 bis 1873, um 30 Prozent an Wert vermindert hat. In bezug


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[0354] Schutzzöllner in England. um ebensoviel verringerten sie dieselbe betreffs unsrer eignen Arbeit." Bald nachher schrieb Sherlock in Liverpool eine Schrift über Our xrsssnt suivi6g.1 nsog.1 xolio^, in der er statistisch nachwies, daß England in den letzten drei¬ zehn Jahren für etwa tausend Millionen Pfund Sterling fremde Manufaktur¬ waaren eingeführt habe, und daß der englische Schatz bei zehn Prozent Zoll auf dieselben 104 986 000 Pfund Sterling hätte gewinnen können, und der lüvsrxool (üourisr bemerkte dazu: „Es giebt keinen Grund, weshalb wir von Fremden Möbel beziehen sollten, die daheim gemacht werden können, oder Kerzen, eiserne Träger und Eisendraht.... ^Selbst Postkarten bezieht England jetzt aus Deutsch¬ lands Ganz in dem Verhältnis, in welchem diese Waaren Fremder gekauft werden, wird die englische Arbeit verdrängt, und dies ist eine Phase des fiska¬ lischen Problems, die wir dem Studium von Handwerkern und Arbeitern em¬ pfehlen." Bedeutsamer als diese Kundgebungen, neben denen ähnliches herging, war die Debatte, die am 1, November im Unterhause über den Antrag Macivers stattfand, „die Aufmerksamkeit Ihrer Majestät auf das Darniederliegen von Handel und Ackerbau zu lenken und zu bedauern, daß die Thronrede auf einen so hochwichtigen Gegenstand nicht Bezug genommen habe." Der Antragsteller sagte u, a., die Untersuchung dieser Frage sei wichtiger als das Wahlgesetz, mit dem man verhungernde Leute nicht sättigen könne, und die Lage sei zu ernst, um als Parteifrage behandelt werden zu können. Die Wollenwaarenfabrikation, der Schiffsbau, die Schifffahrt Englands stünden jetzt gegen diese Gewerbszweige in andern Ländern zurück. Viele Freihändler würden ihm zugeben, daß das, was man Freihandel nenne, jedermann enttäuscht hätte. Ein andrer Redner bemerkte, „die Prophezeiungen der Freihändler fänden bei keiner Klasse mehr Glauben; denn sie hätten sich zu oft als falsch erwiesen. Früher hätten Handel und Ge¬ werbe niemals so oft und so lange darnieder gelegen als jetzt." Wieder andre Ab¬ geordnete klagten über niedrige Löhne, überfüllte Märkte und geringen Nutzen der Fabrikanten beim Verkauf ihrer Erzeugnisse, sowie über die gedrückte Lage der Landwirte, die für ihren Weizen und ihr Vieh weit niedrigere Preise be¬ kämen als früher, und fanden die Ursachen von alledem in der Konkurrenz des Auslandes und dem Mangel an Schutz vor derselben. Sie sagten ungefähr dasselbe, was in den Jahren vor 1873 hinsichtlich der Schutzlosigkeit von In¬ dustrie und Landwirtschaft in Deutschland gesagt worden war. Es wurde be¬ hauptet, daß der Verlust, den das Land hierdurch erleide, 160 bis 200 Mil¬ lionen Pfund Sterling betrage. „Unsre Gewerbe haben, so erklärte ein Redner, aufgehört, mit dem Anwachsen der Bevölkerung zu wachsen, und zwar gilt dies vom Gebiete der Landwirtschaft wie von dem der Fabrikation. . . . Alles ge- sunde Wachstum hat vollständig aufgehört. So z. B. in Wollenwaaren, wo unsre Ausfuhr in den Jahren 1879 bis 1883 sich, verglichen mit der in den Jahren 1869 bis 1873, um 30 Prozent an Wert vermindert hat. In bezug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/354>, abgerufen am 28.12.2024.