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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

scheinung, Mariä Verkündigung, die sieben Freuden und sieben Schmerzen, das
Fegefeuer, Adam und Eva, Zwischen Altar und Kanzel sah man außer ver-
schiednen naturgeschichtlichen Merkwürdigkeiten die große obenerwähnte Reisetafel,
welche die heiligen Orte Palästinas geographisch nachwies, und andre dem hei¬
ligen Grabe entnommene Darstellungen. Vier Teppiche, welche die Passion
darstellte" und welche Friedrich angeblich für 4000 Gulden gekauft hatte, voll¬
endeten den reichen Wandschmuck der Kirche.

Aber nicht nur mit diesen Bildern und Teppichen war die Kirche versehen,
sie barg außerdem auch uoch den reichen Schatz von Reliquien, der zum Teil
schon früher in der alten Manischen Schloßkapelle bewahrt worden war und
den Friedrich seit dem Beginne seiner Regierung ununterbrochen vermehrt hatte.
"Es strich dieser Churfürst diesen Stift mit Heilthnm, gülden Stücken, Kleinoten
in Gold und Silber also heraus, daß gewißlich dazumal wenig Stiftkirchen in
allen deutscheu Landen derart geziert gewest -- und daß mens dafür halten
wollt, es hätt seiner Churfürstlichen Gnaden über 400000 Gulden gekostet."
Mit diesen Worten hat Friedrichs Biograph, Spalatin, über den Neliquicnschcch
der Kirche berichtet. Bis auf 6005 war durch Friedrichs Bemühtingen all¬
mählich die Zahl der Reliquien angewachsen, die in kostbaren Schreinen ver¬
wahrt wurden und deren jede bei gläubiger Verehrung einen hunderttägigcu
Ablaß versprach. Alljährlich, am Montage nach Misericvrdias Domini, waren
die Heiligtümer zur allgemeinen Verehrung ausgestellt und wurden von den
Bewohnern Wittenbergs gläubig betrachtet. Um die Bedeutung des Reliquien¬
schatzes aber auch Auswärtigen klarzumachen, ließ Friedrich eine besondre Schrift,
das Wittenberger Heiligtumsbüchleiu, verfassen. Cranach, der unterdessen in
ein immer näheres Verhältnis zum Kurfürsten getreten war, Wappenbrief und
Adel bekommen hatte und soeben von einer Reise aus den Niederlanden zurück¬
kam, wurde beauftragt, die Abbildungen der Heiligtümer anzufertigen; diese
wurden in Holz geschnitten und der Wittenberger Buchdrucker Johann Grünen¬
berg lieferte im Jahre 1609 den Druck.

Die Einleitung der Schrift, die in manchen Exemplaren auf Pergament,
für eine größere Verbreitung auf Papier gedruckt wurde, enthält eine kurze
Geschichte der Stiftskirche und ihrer Ausstattung mit Reliquien und fordert
die Gläubigen zur Wallfahrt nach dem Heiligtum auf, wo sie reichen Ablaß
erhalten könnten. Zu dieser Einleitung gehören die beiden ersten Illustrationen,
ein Kupferstich und ein Holzschnitt. Der Kupferstich des Titels zeigt die beiden
fürstlichen Brüder Friedrich und Johann, welchen die Stiftskirche ihren Neubau
verdankte, unter einem Fensterbogen nebeneinanderstehend, den einen in einem
reichbesetzten Pelze, den andern mit einer schweren doppelten Halskette. Darauf
folgt auf der Rückseite des Titels die neuerbaute Stiftskirche in ihrem deutschen
Spitzbogenstil, mit dem hohen, runden Turme und dem daneben liegenden
Gottesacker. Die Schrift selbst enthält das Verzeichnis der 6005 Heiligtümer


Grenzboten IV. 1884. 4
Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

scheinung, Mariä Verkündigung, die sieben Freuden und sieben Schmerzen, das
Fegefeuer, Adam und Eva, Zwischen Altar und Kanzel sah man außer ver-
schiednen naturgeschichtlichen Merkwürdigkeiten die große obenerwähnte Reisetafel,
welche die heiligen Orte Palästinas geographisch nachwies, und andre dem hei¬
ligen Grabe entnommene Darstellungen. Vier Teppiche, welche die Passion
darstellte» und welche Friedrich angeblich für 4000 Gulden gekauft hatte, voll¬
endeten den reichen Wandschmuck der Kirche.

Aber nicht nur mit diesen Bildern und Teppichen war die Kirche versehen,
sie barg außerdem auch uoch den reichen Schatz von Reliquien, der zum Teil
schon früher in der alten Manischen Schloßkapelle bewahrt worden war und
den Friedrich seit dem Beginne seiner Regierung ununterbrochen vermehrt hatte.
„Es strich dieser Churfürst diesen Stift mit Heilthnm, gülden Stücken, Kleinoten
in Gold und Silber also heraus, daß gewißlich dazumal wenig Stiftkirchen in
allen deutscheu Landen derart geziert gewest — und daß mens dafür halten
wollt, es hätt seiner Churfürstlichen Gnaden über 400000 Gulden gekostet."
Mit diesen Worten hat Friedrichs Biograph, Spalatin, über den Neliquicnschcch
der Kirche berichtet. Bis auf 6005 war durch Friedrichs Bemühtingen all¬
mählich die Zahl der Reliquien angewachsen, die in kostbaren Schreinen ver¬
wahrt wurden und deren jede bei gläubiger Verehrung einen hunderttägigcu
Ablaß versprach. Alljährlich, am Montage nach Misericvrdias Domini, waren
die Heiligtümer zur allgemeinen Verehrung ausgestellt und wurden von den
Bewohnern Wittenbergs gläubig betrachtet. Um die Bedeutung des Reliquien¬
schatzes aber auch Auswärtigen klarzumachen, ließ Friedrich eine besondre Schrift,
das Wittenberger Heiligtumsbüchleiu, verfassen. Cranach, der unterdessen in
ein immer näheres Verhältnis zum Kurfürsten getreten war, Wappenbrief und
Adel bekommen hatte und soeben von einer Reise aus den Niederlanden zurück¬
kam, wurde beauftragt, die Abbildungen der Heiligtümer anzufertigen; diese
wurden in Holz geschnitten und der Wittenberger Buchdrucker Johann Grünen¬
berg lieferte im Jahre 1609 den Druck.

Die Einleitung der Schrift, die in manchen Exemplaren auf Pergament,
für eine größere Verbreitung auf Papier gedruckt wurde, enthält eine kurze
Geschichte der Stiftskirche und ihrer Ausstattung mit Reliquien und fordert
die Gläubigen zur Wallfahrt nach dem Heiligtum auf, wo sie reichen Ablaß
erhalten könnten. Zu dieser Einleitung gehören die beiden ersten Illustrationen,
ein Kupferstich und ein Holzschnitt. Der Kupferstich des Titels zeigt die beiden
fürstlichen Brüder Friedrich und Johann, welchen die Stiftskirche ihren Neubau
verdankte, unter einem Fensterbogen nebeneinanderstehend, den einen in einem
reichbesetzten Pelze, den andern mit einer schweren doppelten Halskette. Darauf
folgt auf der Rückseite des Titels die neuerbaute Stiftskirche in ihrem deutschen
Spitzbogenstil, mit dem hohen, runden Turme und dem daneben liegenden
Gottesacker. Die Schrift selbst enthält das Verzeichnis der 6005 Heiligtümer


Grenzboten IV. 1884. 4
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[0033] Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert. scheinung, Mariä Verkündigung, die sieben Freuden und sieben Schmerzen, das Fegefeuer, Adam und Eva, Zwischen Altar und Kanzel sah man außer ver- schiednen naturgeschichtlichen Merkwürdigkeiten die große obenerwähnte Reisetafel, welche die heiligen Orte Palästinas geographisch nachwies, und andre dem hei¬ ligen Grabe entnommene Darstellungen. Vier Teppiche, welche die Passion darstellte» und welche Friedrich angeblich für 4000 Gulden gekauft hatte, voll¬ endeten den reichen Wandschmuck der Kirche. Aber nicht nur mit diesen Bildern und Teppichen war die Kirche versehen, sie barg außerdem auch uoch den reichen Schatz von Reliquien, der zum Teil schon früher in der alten Manischen Schloßkapelle bewahrt worden war und den Friedrich seit dem Beginne seiner Regierung ununterbrochen vermehrt hatte. „Es strich dieser Churfürst diesen Stift mit Heilthnm, gülden Stücken, Kleinoten in Gold und Silber also heraus, daß gewißlich dazumal wenig Stiftkirchen in allen deutscheu Landen derart geziert gewest — und daß mens dafür halten wollt, es hätt seiner Churfürstlichen Gnaden über 400000 Gulden gekostet." Mit diesen Worten hat Friedrichs Biograph, Spalatin, über den Neliquicnschcch der Kirche berichtet. Bis auf 6005 war durch Friedrichs Bemühtingen all¬ mählich die Zahl der Reliquien angewachsen, die in kostbaren Schreinen ver¬ wahrt wurden und deren jede bei gläubiger Verehrung einen hunderttägigcu Ablaß versprach. Alljährlich, am Montage nach Misericvrdias Domini, waren die Heiligtümer zur allgemeinen Verehrung ausgestellt und wurden von den Bewohnern Wittenbergs gläubig betrachtet. Um die Bedeutung des Reliquien¬ schatzes aber auch Auswärtigen klarzumachen, ließ Friedrich eine besondre Schrift, das Wittenberger Heiligtumsbüchleiu, verfassen. Cranach, der unterdessen in ein immer näheres Verhältnis zum Kurfürsten getreten war, Wappenbrief und Adel bekommen hatte und soeben von einer Reise aus den Niederlanden zurück¬ kam, wurde beauftragt, die Abbildungen der Heiligtümer anzufertigen; diese wurden in Holz geschnitten und der Wittenberger Buchdrucker Johann Grünen¬ berg lieferte im Jahre 1609 den Druck. Die Einleitung der Schrift, die in manchen Exemplaren auf Pergament, für eine größere Verbreitung auf Papier gedruckt wurde, enthält eine kurze Geschichte der Stiftskirche und ihrer Ausstattung mit Reliquien und fordert die Gläubigen zur Wallfahrt nach dem Heiligtum auf, wo sie reichen Ablaß erhalten könnten. Zu dieser Einleitung gehören die beiden ersten Illustrationen, ein Kupferstich und ein Holzschnitt. Der Kupferstich des Titels zeigt die beiden fürstlichen Brüder Friedrich und Johann, welchen die Stiftskirche ihren Neubau verdankte, unter einem Fensterbogen nebeneinanderstehend, den einen in einem reichbesetzten Pelze, den andern mit einer schweren doppelten Halskette. Darauf folgt auf der Rückseite des Titels die neuerbaute Stiftskirche in ihrem deutschen Spitzbogenstil, mit dem hohen, runden Turme und dem daneben liegenden Gottesacker. Die Schrift selbst enthält das Verzeichnis der 6005 Heiligtümer Grenzboten IV. 1884. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/33>, abgerufen am 28.12.2024.