Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten. wurde ein für die "Nationale" wieder anscheinend günstiges Arrangement mit Findige Köpfe wissen sich zu helfen, und die Direktoren Marienfeld und "Das Defizit von 378 615.85 Mark ist meistenteils dadurch entstanden, Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten. wurde ein für die „Nationale" wieder anscheinend günstiges Arrangement mit Findige Köpfe wissen sich zu helfen, und die Direktoren Marienfeld und „Das Defizit von 378 615.85 Mark ist meistenteils dadurch entstanden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157245"/> <fw type="header" place="top"> Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1113" prev="#ID_1112"> wurde ein für die „Nationale" wieder anscheinend günstiges Arrangement mit<lb/> ihr dahin getroffen, daß sie gegen Herausgabe ihrer Solawechsel die Obligationen<lb/> zurückgab und auf die 25 Prozent Einzahlung, sowie auf eine größere Forderung,<lb/> mit welcher die Gesellschaft bei ihr im Buche stand, vollständig verzichtete. Die<lb/> Regierung gab hierzu ihre Zustimmung, weil man ihr sagte, die Gesellschaft<lb/> gewinne damit nicht weniger als eine Viertelmillio». Diese verschwand aber<lb/> gleichfalls, und nichts blieb übrig, um den Reserven auf die Beine zu helfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1114"> Findige Köpfe wissen sich zu helfen, und die Direktoren Marienfeld und<lb/> Ballien waren sindige Köpfe, Letzterer schlug der Gesellschaft den Ankauf ge¬<lb/> wisser Grundstücke in der äußersten Peripherie Berlins, sogenannter Speku¬<lb/> lationsbauten, vor. Der Kaufpreis war zwar sehr hoch, aber das schien gerade<lb/> recht; denn derselbe sollte teils durch Übernahme der Hypotheken, im übrigen<lb/> aber ohne Sicherstellung durch eine Jahresrente auf Lebenszeit gedeckt werden.<lb/> Das Geschäft kam zu stände, und der eingebildete, nicht wirkliche Mehrwert der<lb/> Grundstücke brachte es zu Wege, daß man mit Aufstellung einer (natürlich fik¬<lb/> tiven) Prämienreserve beginnen konnte. Subdirektor Ballien bekam für diese<lb/> rettende That 6000 Mark Provision. Die Gesellschaft aber geriet von jetzt<lb/> ab in immer größeren Mißkredit. Indes, die leitenden Faktoren setzten ihr Treiben<lb/> fort, bezogen und gaben Tantiemen, zahlten Zinsen für die Obligationen und<lb/> brachten einen ansehnlichen Teil derselben zur Verloosung, bis ihnen endlich ein<lb/> energisches Halt zugerufen und der Augiasstall von den unsaubern Elementen<lb/> gereinigt wurde, nicht früh genug, um die Versicherten vor beträchtlichen Ver¬<lb/> lusten zu bewahren, nicht zu spät, wie es schien, um auch noch einiges für sie retten<lb/> zu können. Der neue Aufsichtsrat und die nunmehrige Direktion schienen dazu<lb/> geneigt, wenigstens bekannten sie die Verhältnisse, indem sie die Bilanz für 1881<lb/> lieferten und an die Versicherten eine Ansprache richteten, in der es unter<lb/> anderen hieß:</p><lb/> <p xml:id="ID_1115" next="#ID_1116"> „Das Defizit von 378 615.85 Mark ist meistenteils dadurch entstanden,<lb/> daß die im Jahre 1878 erworbenen Häuser nur mit ihrem wahren Wert in<lb/> Ansatz gebracht worden sind. Dieselben wurden für die auf ihnen haftenden<lb/> Hypotheken von 217 500 Mark erworben, mit der Verpflichtung, der Vorbe¬<lb/> sitzerin eine lebenslängliche Jahresrente von 4500 Mark und ebenso nach ihrem<lb/> Tode noch einem Verwandten lebenslänglich 1200 Mark zu zahlen. Außerdem<lb/> hat die Gesellschaft die Verpflichtung, für das Begräbnis und die Instand¬<lb/> haltung des Grabes der Vorbesitzerin der Häuser 1450 Mark zu entrichten.<lb/> Selbstverständlich ist bei einer Schuldenlast von 217500 Mark und den er¬<lb/> wähnten Verpflichtungen keine Anzahlung geleistet. Wie aber die frühere<lb/> Direktion da einen Gewinn von 220 642.02 Mark in die Bilanz bringen<lb/> konnte, wird jedem Unparteiischen unbegreiflich bleiben; denn die Häuser haben<lb/> der Gesellschaft bis jetzt 32686 Mark (Balliens Provision, drei Jahre Rente<lb/> der Vorbesitzerin, Reparaturen u. dergl.) gekostet. . .. Nachdem die Grundstücke</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
Die Verstaatlichung der Versicherungsanstalten.
wurde ein für die „Nationale" wieder anscheinend günstiges Arrangement mit
ihr dahin getroffen, daß sie gegen Herausgabe ihrer Solawechsel die Obligationen
zurückgab und auf die 25 Prozent Einzahlung, sowie auf eine größere Forderung,
mit welcher die Gesellschaft bei ihr im Buche stand, vollständig verzichtete. Die
Regierung gab hierzu ihre Zustimmung, weil man ihr sagte, die Gesellschaft
gewinne damit nicht weniger als eine Viertelmillio». Diese verschwand aber
gleichfalls, und nichts blieb übrig, um den Reserven auf die Beine zu helfen.
Findige Köpfe wissen sich zu helfen, und die Direktoren Marienfeld und
Ballien waren sindige Köpfe, Letzterer schlug der Gesellschaft den Ankauf ge¬
wisser Grundstücke in der äußersten Peripherie Berlins, sogenannter Speku¬
lationsbauten, vor. Der Kaufpreis war zwar sehr hoch, aber das schien gerade
recht; denn derselbe sollte teils durch Übernahme der Hypotheken, im übrigen
aber ohne Sicherstellung durch eine Jahresrente auf Lebenszeit gedeckt werden.
Das Geschäft kam zu stände, und der eingebildete, nicht wirkliche Mehrwert der
Grundstücke brachte es zu Wege, daß man mit Aufstellung einer (natürlich fik¬
tiven) Prämienreserve beginnen konnte. Subdirektor Ballien bekam für diese
rettende That 6000 Mark Provision. Die Gesellschaft aber geriet von jetzt
ab in immer größeren Mißkredit. Indes, die leitenden Faktoren setzten ihr Treiben
fort, bezogen und gaben Tantiemen, zahlten Zinsen für die Obligationen und
brachten einen ansehnlichen Teil derselben zur Verloosung, bis ihnen endlich ein
energisches Halt zugerufen und der Augiasstall von den unsaubern Elementen
gereinigt wurde, nicht früh genug, um die Versicherten vor beträchtlichen Ver¬
lusten zu bewahren, nicht zu spät, wie es schien, um auch noch einiges für sie retten
zu können. Der neue Aufsichtsrat und die nunmehrige Direktion schienen dazu
geneigt, wenigstens bekannten sie die Verhältnisse, indem sie die Bilanz für 1881
lieferten und an die Versicherten eine Ansprache richteten, in der es unter
anderen hieß:
„Das Defizit von 378 615.85 Mark ist meistenteils dadurch entstanden,
daß die im Jahre 1878 erworbenen Häuser nur mit ihrem wahren Wert in
Ansatz gebracht worden sind. Dieselben wurden für die auf ihnen haftenden
Hypotheken von 217 500 Mark erworben, mit der Verpflichtung, der Vorbe¬
sitzerin eine lebenslängliche Jahresrente von 4500 Mark und ebenso nach ihrem
Tode noch einem Verwandten lebenslänglich 1200 Mark zu zahlen. Außerdem
hat die Gesellschaft die Verpflichtung, für das Begräbnis und die Instand¬
haltung des Grabes der Vorbesitzerin der Häuser 1450 Mark zu entrichten.
Selbstverständlich ist bei einer Schuldenlast von 217500 Mark und den er¬
wähnten Verpflichtungen keine Anzahlung geleistet. Wie aber die frühere
Direktion da einen Gewinn von 220 642.02 Mark in die Bilanz bringen
konnte, wird jedem Unparteiischen unbegreiflich bleiben; denn die Häuser haben
der Gesellschaft bis jetzt 32686 Mark (Balliens Provision, drei Jahre Rente
der Vorbesitzerin, Reparaturen u. dergl.) gekostet. . .. Nachdem die Grundstücke
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