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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

Streben. Dieses Ziel erreichte er durch den Neubau des alten Wittenberger
Schlosses und der damit verbundenen Schloß- oder Stiftskirche, sowie durch
die Gründung der Universität. Schloßkirche und Schloß haben uns besonders
zu beschäftigen.

Schon vor seiner Fahrt nach dem heiligen Grabe hatte der Kurfürst den
Neubau der Kirche begonnen, und im Jahre 1499 war der äußere Bau voll¬
endet. Es war eine einschiffige gothische Basilika mit dreiseitigen Chorschluß,
hochgewölbt ohne Pfeiler, außer einem im Westen, wo sie sich an die fürstliche
Wohnung anschloß, wie die Mehrzahl aller damaligen Schloßkapellen auf Empor¬
kirchen angelegt und samt diesen fast ohne Holzverwenduug aus Werkstücken auf¬
geführt, am Boden mit bunten Marmorsteinen gepflastert. Auf dem Dache
erhob sich ein nicht allzu hohes Türmchen, doch geräumig genug, um drei
Glocken zu fassen. Neben dem Portale standen zwei Steinbilder, das eine
durch Bart und Bischofsmütze auf einen geistlichen Würdenträger deutend, das
andre durch die Krone auf dem Haupte als Vertreter der weltlichen Herrschaft
bezeichnet. Über diesen männlichen Statuen befanden sich noch zwei heilige
Frauen, Hände und Antlitz betend zum Himmel erhoben.

So unscheinbar dieses äußere Gerüst war, so herrlich waren die Kunst¬
werke, die in den nächsten Jahren sich im Innern der Kirche anhäuften. Die
Fenster mußten mit Glasmalereien, die Altäre mit Bildern geschmückt werden,
und es gelang Friedrich, die neunzehn Altäre der Kirche bis zum Jahre 1508
mit trefflichen Gemälden auszustatten. Er hat die größten Künstler Deutsch¬
lands zum Schmucke seiner Stiftskirche herangezogen.

Das für den Hauptaltar bestimmte und wahrscheinlich schon 1503 bei der
Einweihung der Kirche vollendete Bild hatte Cranach zu malen. Es war ein
Flügelaltar. Der rechte Außenflügel zeigte den Heiland mit seinen Jüngern,
der linke die Mutter Maria mit zehn heiligen Jungfrauen; im Innern war
dargestellt, wie Kurfürst Friedrich und sein Bruder Johann von ihren Schutz¬
patronen der heiligen Dreieinigkeit empfohlen werden. Hier lernen wir also
zum erstenmal den Künstler kennen, der nun ein halbes Jahrhundert lang in
engster Verbindung mit dem sächsischen Kurfürstenhause blieb, Lukas Cranach.
Das Altarbild für die Schloßkirche ist nachweislich das erste Werk, das Cranach
für Friedrich lieferte. Im Jahre 1604 wurde er zum Hofmaler ernannt und
ließ sich in Wittenberg nieder. Er erhielt ein Jahrgeld von hundert Gulden,
"Winter- und Sommer-Hoffkleydung uff sein Leib" und besondre Bezahlung
aller für den Hof gelieferten Arbeiten. Wieviel Werke er außer dem Hauptaltar
noch für die Schloßkirche malte, läßt sich nicht mit Sicherheit nachweisen. Von den
übrigen Kunstwerken wird nur noch ein zweites ausdrücklich Cranach zugeschrieben,
Maria und Elisabeth, ebenfalls wieder von den fürstlichen Brüdern angebetet.

Hierzu kamen in den folgenden Jahren mehrere Bilder Albrecht Dürers.
Als Dürer 1494 von seiner Wanderschaft zurückgekehrt war und sich als junger


Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert.

Streben. Dieses Ziel erreichte er durch den Neubau des alten Wittenberger
Schlosses und der damit verbundenen Schloß- oder Stiftskirche, sowie durch
die Gründung der Universität. Schloßkirche und Schloß haben uns besonders
zu beschäftigen.

Schon vor seiner Fahrt nach dem heiligen Grabe hatte der Kurfürst den
Neubau der Kirche begonnen, und im Jahre 1499 war der äußere Bau voll¬
endet. Es war eine einschiffige gothische Basilika mit dreiseitigen Chorschluß,
hochgewölbt ohne Pfeiler, außer einem im Westen, wo sie sich an die fürstliche
Wohnung anschloß, wie die Mehrzahl aller damaligen Schloßkapellen auf Empor¬
kirchen angelegt und samt diesen fast ohne Holzverwenduug aus Werkstücken auf¬
geführt, am Boden mit bunten Marmorsteinen gepflastert. Auf dem Dache
erhob sich ein nicht allzu hohes Türmchen, doch geräumig genug, um drei
Glocken zu fassen. Neben dem Portale standen zwei Steinbilder, das eine
durch Bart und Bischofsmütze auf einen geistlichen Würdenträger deutend, das
andre durch die Krone auf dem Haupte als Vertreter der weltlichen Herrschaft
bezeichnet. Über diesen männlichen Statuen befanden sich noch zwei heilige
Frauen, Hände und Antlitz betend zum Himmel erhoben.

So unscheinbar dieses äußere Gerüst war, so herrlich waren die Kunst¬
werke, die in den nächsten Jahren sich im Innern der Kirche anhäuften. Die
Fenster mußten mit Glasmalereien, die Altäre mit Bildern geschmückt werden,
und es gelang Friedrich, die neunzehn Altäre der Kirche bis zum Jahre 1508
mit trefflichen Gemälden auszustatten. Er hat die größten Künstler Deutsch¬
lands zum Schmucke seiner Stiftskirche herangezogen.

Das für den Hauptaltar bestimmte und wahrscheinlich schon 1503 bei der
Einweihung der Kirche vollendete Bild hatte Cranach zu malen. Es war ein
Flügelaltar. Der rechte Außenflügel zeigte den Heiland mit seinen Jüngern,
der linke die Mutter Maria mit zehn heiligen Jungfrauen; im Innern war
dargestellt, wie Kurfürst Friedrich und sein Bruder Johann von ihren Schutz¬
patronen der heiligen Dreieinigkeit empfohlen werden. Hier lernen wir also
zum erstenmal den Künstler kennen, der nun ein halbes Jahrhundert lang in
engster Verbindung mit dem sächsischen Kurfürstenhause blieb, Lukas Cranach.
Das Altarbild für die Schloßkirche ist nachweislich das erste Werk, das Cranach
für Friedrich lieferte. Im Jahre 1604 wurde er zum Hofmaler ernannt und
ließ sich in Wittenberg nieder. Er erhielt ein Jahrgeld von hundert Gulden,
„Winter- und Sommer-Hoffkleydung uff sein Leib" und besondre Bezahlung
aller für den Hof gelieferten Arbeiten. Wieviel Werke er außer dem Hauptaltar
noch für die Schloßkirche malte, läßt sich nicht mit Sicherheit nachweisen. Von den
übrigen Kunstwerken wird nur noch ein zweites ausdrücklich Cranach zugeschrieben,
Maria und Elisabeth, ebenfalls wieder von den fürstlichen Brüdern angebetet.

Hierzu kamen in den folgenden Jahren mehrere Bilder Albrecht Dürers.
Als Dürer 1494 von seiner Wanderschaft zurückgekehrt war und sich als junger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/31>, abgerufen am 28.12.2024.