Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Die Braunschweiger Frage. Schicksalen verfolgten Geschlechtes prägten sich in den Regenten aus, welche in Die Braunschweiger Frage. Schicksalen verfolgten Geschlechtes prägten sich in den Regenten aus, welche in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157234"/> <fw type="header" place="top"> Die Braunschweiger Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1082" prev="#ID_1081"> Schicksalen verfolgten Geschlechtes prägten sich in den Regenten aus, welche in<lb/> den letzten hundertundfunfzig Jahren die englische Krone trugen. Die beiden<lb/> ersten Georg zeigte» diese unerfreulichen Charaktermcrkmale, die vorzüglich in<lb/> maßlosem Hochmut, in Hartköpfigkeit und UnWahrhaftigkeit bestanden, nicht.<lb/> Dagegen besaß Friedrich, Prinz von Wales, alle die Anlage zur UnWahr¬<lb/> haftigkeit, welche Karl den Ersten bezeichnet hatte. Sein Sohn, Georg der<lb/> Dritte, war so halsstarrig wie Jakob der Zweite, was sich durch den Verlust<lb/> der nordamerikanischen Kolonien und dadurch bestrafte, daß Irland noch mehr<lb/> als bis dahin verbittert wurde, sodaß man die jetzigen Schwierigkeiten in diesem<lb/> Königreiche zum guten Teile auf diesen Fürsten zurückführen kann. Georg der<lb/> Vierte hatte manche anziehende Eigenschaft von dem „jungen Kavalier," aber<lb/> noch mehr von den Schwächen desselben. Der Herzog von Cumberland, welcher<lb/> 1837 als Ernst August König von Hannover wurde, war ein harter Hochtory, der<lb/> den Absolutismus und das aristokratische Recht mit einer Rücksichtslosigkeit<lb/> geltend zu machen suchte, als ob er ein Fürst des siebzehnten Jahrhunderts<lb/> wäre. Sein Bruder, König Wilhelm der Vierte von England, neigte zwar<lb/> ebenfalls stark zu toryistischen Grundsätzen und Maßregeln hin, glich aber Karl<lb/> dein Zweiten darin, daß er wußte, wenn nachzugeben war. Andre Söhne Georgs<lb/> des Dritten waren, soweit man sehen konnte, frei von den schlimmen Eigen¬<lb/> schaften der Stuarts, so z. B. die Herzöge von Sussex und von Cambridge,<lb/> und dem Herzoge von Kent, dem Vater der jetzigen Königin von England, wird<lb/> ein reiner und patriotischer Sinn nachgerühmt. Auch die Königin selbst hat<lb/> die Fehler ihrer Vorfahren nicht geerbt. Es scheint, als ob Ernst August der<lb/> letzte Erbe derselben gewesen sei und sie vom Strande der Themse an den der<lb/> Leine mit hinweggetragen habe. Der „schwarze Tropfen" im Blute der Dynastie<lb/> war in England fortan nicht mehr zu spüren, wohl aber kam er wiederholt<lb/> sehr deutlich in Hannover zum Vorschein, unter dem ersten Könige in Feind¬<lb/> schaft gegen das Verfassungsrecht, unter dem zweiten als Verblendung und<lb/> Hartnäckigkeit gegenüber dem lebendigen nationalen Recht. Einen dritten aber<lb/> wird es — eben dieses Tropfens wegen — nie geben, wenigstens in keiner<lb/> andern Welt als in der papiernen, aus der das Gmuudener Patent stammt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Die Braunschweiger Frage.
Schicksalen verfolgten Geschlechtes prägten sich in den Regenten aus, welche in
den letzten hundertundfunfzig Jahren die englische Krone trugen. Die beiden
ersten Georg zeigte» diese unerfreulichen Charaktermcrkmale, die vorzüglich in
maßlosem Hochmut, in Hartköpfigkeit und UnWahrhaftigkeit bestanden, nicht.
Dagegen besaß Friedrich, Prinz von Wales, alle die Anlage zur UnWahr¬
haftigkeit, welche Karl den Ersten bezeichnet hatte. Sein Sohn, Georg der
Dritte, war so halsstarrig wie Jakob der Zweite, was sich durch den Verlust
der nordamerikanischen Kolonien und dadurch bestrafte, daß Irland noch mehr
als bis dahin verbittert wurde, sodaß man die jetzigen Schwierigkeiten in diesem
Königreiche zum guten Teile auf diesen Fürsten zurückführen kann. Georg der
Vierte hatte manche anziehende Eigenschaft von dem „jungen Kavalier," aber
noch mehr von den Schwächen desselben. Der Herzog von Cumberland, welcher
1837 als Ernst August König von Hannover wurde, war ein harter Hochtory, der
den Absolutismus und das aristokratische Recht mit einer Rücksichtslosigkeit
geltend zu machen suchte, als ob er ein Fürst des siebzehnten Jahrhunderts
wäre. Sein Bruder, König Wilhelm der Vierte von England, neigte zwar
ebenfalls stark zu toryistischen Grundsätzen und Maßregeln hin, glich aber Karl
dein Zweiten darin, daß er wußte, wenn nachzugeben war. Andre Söhne Georgs
des Dritten waren, soweit man sehen konnte, frei von den schlimmen Eigen¬
schaften der Stuarts, so z. B. die Herzöge von Sussex und von Cambridge,
und dem Herzoge von Kent, dem Vater der jetzigen Königin von England, wird
ein reiner und patriotischer Sinn nachgerühmt. Auch die Königin selbst hat
die Fehler ihrer Vorfahren nicht geerbt. Es scheint, als ob Ernst August der
letzte Erbe derselben gewesen sei und sie vom Strande der Themse an den der
Leine mit hinweggetragen habe. Der „schwarze Tropfen" im Blute der Dynastie
war in England fortan nicht mehr zu spüren, wohl aber kam er wiederholt
sehr deutlich in Hannover zum Vorschein, unter dem ersten Könige in Feind¬
schaft gegen das Verfassungsrecht, unter dem zweiten als Verblendung und
Hartnäckigkeit gegenüber dem lebendigen nationalen Recht. Einen dritten aber
wird es — eben dieses Tropfens wegen — nie geben, wenigstens in keiner
andern Welt als in der papiernen, aus der das Gmuudener Patent stammt.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |