Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Fortschritte in der Photographie. Als man die Photographie zu Hilfe nahm und durch Momentaufnahme Daß mit den neuen Anforderungen die mechanische Technik treulich Schritt Fortschritte in der Photographie. Als man die Photographie zu Hilfe nahm und durch Momentaufnahme Daß mit den neuen Anforderungen die mechanische Technik treulich Schritt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157215"/> <fw type="header" place="top"> Fortschritte in der Photographie.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1005"> Als man die Photographie zu Hilfe nahm und durch Momentaufnahme<lb/> den Galoppsprung eines Pferdes in acht Bilder zerlegte, fand es sich, daß das<lb/> Pferd Stellungen annimmt, die uns völlig unbekannt waren. Wie ein Vogel<lb/> fliegt, glaubt jeder zu wissen, und doch ist es ein noch ungelöstes Rätsel, jeder<lb/> glaubt es mit eignen Augen zu sehen und sieht doch z. B. bei einer Taube nur<lb/> die innere Hälfte des Flügels deutlich, während die äußere wegen der Schnellig¬<lb/> keit der Bewegung ins Unklare verschwindet. Und in der That haben Augen¬<lb/> blicksphotographien von fliegenden Tauben Flügelstellungen zutage gefördert,<lb/> von denen man keine Ahnung hatte. Ein photographirter Blitz hat einen viel<lb/> verzweigteren und lange nicht so eckigen Gang, als er sich unserm Auge dar¬<lb/> stellt. So haben wir in der Trockenplatte das authentische Protokoll von dem,<lb/> was unser Auge sieht und während des Sehens vergißt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1006"> Daß mit den neuen Anforderungen die mechanische Technik treulich Schritt<lb/> gehalten hat, ist nicht zu verwundern. Der größern Empfindlichkeit der Emul¬<lb/> sionsplatten gegenüber erscheinen Kassetten und Cameras, die früher für licht¬<lb/> dicht galten, als reine Lichtsiebe. Man mußte also noch genauer arbeiten als<lb/> früher. Für die Zwecke der Landschaftsaufnahme sind Touristenapparate gebaut<lb/> worden, welche sich neben der nötigen Solidität durch große Leichtigkeit aus¬<lb/> zeichnen. Man kann einen Apparat, mit welchem Aufnahmen von Kabinetsgröße<lb/> gemacht werden, in einer Handtasche bei sich führen; er hat die Größe von<lb/> 22 x 18 x 18 Centimeter und wiegt mit acht Kassetten 1,7 Kilo. Das statio<lb/> hat die Gestalt eines Stockes und wird auch so geführt. Aufstellen und Zu¬<lb/> sammenpacken nimmt höchstens fünf Minuten in Anspruch. Es ist also ein wirk¬<lb/> licher Touristenapparat. Für Momentaufnahmen sind sinnreiche, schnellwirkende<lb/> Objektivverschlüsse, darunter auch pneumatisch wirkende, konstruirt worden. Die letz¬<lb/> tern befinden sich im Innern der Camera; sie werden durch einen in eine Kugel endi¬<lb/> genden Gummischlauch angeblasen. Nimmt der Photograph die Kugel in die Tasche,<lb/> wobei der Gummischlauch bis zum Apparat führt, so kann er die Aufnahme machen,<lb/> ohne daß es jemand merkt, nämlich in dem Augenblicke, wo er noch zu armngiren<lb/> scheint, was bei Kindern und lebhaften Personen von großem Vorteil ist. Liesegang<lb/> hat unter dem Namen Künstler-Camera einen Apparat in den Handel gebracht,<lb/> welcher aus zwei kleinen übereinandergestellten Apparaten von ganz gleicher<lb/> Arbeit und einem unter beiden angebrachten verschiebbaren Wechselkasten für<lb/> zwölf kleine Platten besteht. Das Ganze hat kaum die Größe einer Zigarrenkiste.<lb/> Man nimmt den Apparat einfach in die Hand und beobachtet durch den oberen<lb/> Apparat den aufzunehmenden beweglichen Gegenstand. Sobald derselbe die<lb/> gewünschte Stelle oder Stellung erlangt hat, drückt man auf einen Knopf, und<lb/> die Aufnahme ist fertig. Der photographische Revolver, mit welchem man wie<lb/> mit dem Revolver zielt und abdrückt, um Aufnahmen von zwei Centimeter im<lb/> Quadrat zu machen, ist wohl mehr als Spielerei zu betrachten. Bei alledem steht<lb/> die Augenblicksphotographie erst noch im Anfange ihrer Entwicklung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
Fortschritte in der Photographie.
Als man die Photographie zu Hilfe nahm und durch Momentaufnahme
den Galoppsprung eines Pferdes in acht Bilder zerlegte, fand es sich, daß das
Pferd Stellungen annimmt, die uns völlig unbekannt waren. Wie ein Vogel
fliegt, glaubt jeder zu wissen, und doch ist es ein noch ungelöstes Rätsel, jeder
glaubt es mit eignen Augen zu sehen und sieht doch z. B. bei einer Taube nur
die innere Hälfte des Flügels deutlich, während die äußere wegen der Schnellig¬
keit der Bewegung ins Unklare verschwindet. Und in der That haben Augen¬
blicksphotographien von fliegenden Tauben Flügelstellungen zutage gefördert,
von denen man keine Ahnung hatte. Ein photographirter Blitz hat einen viel
verzweigteren und lange nicht so eckigen Gang, als er sich unserm Auge dar¬
stellt. So haben wir in der Trockenplatte das authentische Protokoll von dem,
was unser Auge sieht und während des Sehens vergißt.
Daß mit den neuen Anforderungen die mechanische Technik treulich Schritt
gehalten hat, ist nicht zu verwundern. Der größern Empfindlichkeit der Emul¬
sionsplatten gegenüber erscheinen Kassetten und Cameras, die früher für licht¬
dicht galten, als reine Lichtsiebe. Man mußte also noch genauer arbeiten als
früher. Für die Zwecke der Landschaftsaufnahme sind Touristenapparate gebaut
worden, welche sich neben der nötigen Solidität durch große Leichtigkeit aus¬
zeichnen. Man kann einen Apparat, mit welchem Aufnahmen von Kabinetsgröße
gemacht werden, in einer Handtasche bei sich führen; er hat die Größe von
22 x 18 x 18 Centimeter und wiegt mit acht Kassetten 1,7 Kilo. Das statio
hat die Gestalt eines Stockes und wird auch so geführt. Aufstellen und Zu¬
sammenpacken nimmt höchstens fünf Minuten in Anspruch. Es ist also ein wirk¬
licher Touristenapparat. Für Momentaufnahmen sind sinnreiche, schnellwirkende
Objektivverschlüsse, darunter auch pneumatisch wirkende, konstruirt worden. Die letz¬
tern befinden sich im Innern der Camera; sie werden durch einen in eine Kugel endi¬
genden Gummischlauch angeblasen. Nimmt der Photograph die Kugel in die Tasche,
wobei der Gummischlauch bis zum Apparat führt, so kann er die Aufnahme machen,
ohne daß es jemand merkt, nämlich in dem Augenblicke, wo er noch zu armngiren
scheint, was bei Kindern und lebhaften Personen von großem Vorteil ist. Liesegang
hat unter dem Namen Künstler-Camera einen Apparat in den Handel gebracht,
welcher aus zwei kleinen übereinandergestellten Apparaten von ganz gleicher
Arbeit und einem unter beiden angebrachten verschiebbaren Wechselkasten für
zwölf kleine Platten besteht. Das Ganze hat kaum die Größe einer Zigarrenkiste.
Man nimmt den Apparat einfach in die Hand und beobachtet durch den oberen
Apparat den aufzunehmenden beweglichen Gegenstand. Sobald derselbe die
gewünschte Stelle oder Stellung erlangt hat, drückt man auf einen Knopf, und
die Aufnahme ist fertig. Der photographische Revolver, mit welchem man wie
mit dem Revolver zielt und abdrückt, um Aufnahmen von zwei Centimeter im
Quadrat zu machen, ist wohl mehr als Spielerei zu betrachten. Bei alledem steht
die Augenblicksphotographie erst noch im Anfange ihrer Entwicklung.
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