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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Biblische Wörterbücher.

Was zu den menschlichen Bedürfnissen im weitesten Sinne des Wortes gehört.
So führt uns eine ägyptische Darstellung in das Innere einer Küche, in
welcher gekocht, gebraten und gebacken wird. Wir sehen, wie gerupftes Feder¬
vieh in Kessel gesteckt und eine über dem Feuer stehende Pfanne von zwei Köchen
bedient wird. Der Kuchen, den man bäckt, hat große Ähnlichkeit mit den aus
Goethes Leben wohlbekannten Leipziger Kräpfeln; verschiedne Arten sind auf
einem Brette an der Küchenwand aufgespeichert. An den Wänden eines Ganges
im Palaste Sanheribs zu Kujundschik sehen wir .einen Zug von Dienern bildlich
dargestellt, welche allerlei Früchte, Blumen, Wildpret und andres Zubehör für
die königliche Tafel herbeibringen, sodaß wir genau unterrichtet werden, welche
Leckerbissen man in Altafsyrien der königlichen Tafel wert hielt. Es sind z. B.
auch getrocknete Heuschrecken darunter, die an langen Stäben zu beiden Seiten
aufgereiht sind. Mit derselben Genauigkeit und Treue wird uns alles lebens¬
wahr vor die Augen geführt, was das Leben der assyrischen Könige und ihrer
Unterthanen ausfüllt. Ihre Geschäfte im Frieden, ihre Vergnügungen, beson¬
ders die Jagd, aber auch die mannichfachen Seiten des kriegerischen Treibens,
von der Schanzarbeit bis zur blutigen Feldschlacht, werden in Hunderten von
charakteristischen Darstellungen geschildert.

All dieses reiche Material ist nun in Deutschland zum ersten male in
Eduard Riehms "Handwörterbuch des biblischen Altertums für ge¬
bildete Bibelleser" im Interesse einer lebendigeren Anschauung der Verhältnisse
des altisraelitischen Lebens verwertet. Dieses wertvolle Werk, dessen erste Lie¬
ferung 1874 erschien, ist gegenwärtig, also nach zehn Jahren, mit der neun¬
zehnten Lieferung zum Abschluß gekommen (Leipzig, Velhagen und Klasing).
Die Mitarbeiter, welche Riesen aus den deutschen Bibelforschern ausgewählt
hatte, sind durch ihre gründliche Gelehrsamkeit, wie durch ihre freie, echt
wissenschaftliche Stellung zu den brennenden Fragen der biblischen Kritik, zu¬
gleich aber durch ihre warme religiöse Auffassung ausgezeichnet, und überdies
war die Auswahl von dem Herausgeber so getroffen, daß trotz der Mitarbeit
mehrerer Fachgenossen doch der einheitliche Charakter des Ganzen durchweg ge¬
wahrt geblieben ist. Wenn dabei gegen Ende des Werkes, wie es uns scheinen
will, der Herausgeber mehr als am Anfange zugleich der Verfasser der wich¬
tigsten Artikel ist, so erscheint uns dies als ein besonders hervorzuhebender Vor¬
zug, nicht bloß weil dadurch der einheitliche Charakter des Werkes noch mehr,
als dies bei aller Übereinstimmung der Mitarbeiter möglich wäre, zur Geltung
gekommen ist, sondern weil auch Niesens ganze Art der Behandlung, der sichere
Takt der Auffassung, die ruhige, klare und überzeugende Darstellung und die
richtige Auswahl zwischen dem für das Verständnis Nötigen und Entbehrlichen,
uns namentlich sympathisch ist.

Von besondern! Werte sind alle diejenigen Artikel, in denen der Heraus¬
geber über den Entwicklungsgang der israelitischen Religion und der hebräischen


Biblische Wörterbücher.

Was zu den menschlichen Bedürfnissen im weitesten Sinne des Wortes gehört.
So führt uns eine ägyptische Darstellung in das Innere einer Küche, in
welcher gekocht, gebraten und gebacken wird. Wir sehen, wie gerupftes Feder¬
vieh in Kessel gesteckt und eine über dem Feuer stehende Pfanne von zwei Köchen
bedient wird. Der Kuchen, den man bäckt, hat große Ähnlichkeit mit den aus
Goethes Leben wohlbekannten Leipziger Kräpfeln; verschiedne Arten sind auf
einem Brette an der Küchenwand aufgespeichert. An den Wänden eines Ganges
im Palaste Sanheribs zu Kujundschik sehen wir .einen Zug von Dienern bildlich
dargestellt, welche allerlei Früchte, Blumen, Wildpret und andres Zubehör für
die königliche Tafel herbeibringen, sodaß wir genau unterrichtet werden, welche
Leckerbissen man in Altafsyrien der königlichen Tafel wert hielt. Es sind z. B.
auch getrocknete Heuschrecken darunter, die an langen Stäben zu beiden Seiten
aufgereiht sind. Mit derselben Genauigkeit und Treue wird uns alles lebens¬
wahr vor die Augen geführt, was das Leben der assyrischen Könige und ihrer
Unterthanen ausfüllt. Ihre Geschäfte im Frieden, ihre Vergnügungen, beson¬
ders die Jagd, aber auch die mannichfachen Seiten des kriegerischen Treibens,
von der Schanzarbeit bis zur blutigen Feldschlacht, werden in Hunderten von
charakteristischen Darstellungen geschildert.

All dieses reiche Material ist nun in Deutschland zum ersten male in
Eduard Riehms „Handwörterbuch des biblischen Altertums für ge¬
bildete Bibelleser" im Interesse einer lebendigeren Anschauung der Verhältnisse
des altisraelitischen Lebens verwertet. Dieses wertvolle Werk, dessen erste Lie¬
ferung 1874 erschien, ist gegenwärtig, also nach zehn Jahren, mit der neun¬
zehnten Lieferung zum Abschluß gekommen (Leipzig, Velhagen und Klasing).
Die Mitarbeiter, welche Riesen aus den deutschen Bibelforschern ausgewählt
hatte, sind durch ihre gründliche Gelehrsamkeit, wie durch ihre freie, echt
wissenschaftliche Stellung zu den brennenden Fragen der biblischen Kritik, zu¬
gleich aber durch ihre warme religiöse Auffassung ausgezeichnet, und überdies
war die Auswahl von dem Herausgeber so getroffen, daß trotz der Mitarbeit
mehrerer Fachgenossen doch der einheitliche Charakter des Ganzen durchweg ge¬
wahrt geblieben ist. Wenn dabei gegen Ende des Werkes, wie es uns scheinen
will, der Herausgeber mehr als am Anfange zugleich der Verfasser der wich¬
tigsten Artikel ist, so erscheint uns dies als ein besonders hervorzuhebender Vor¬
zug, nicht bloß weil dadurch der einheitliche Charakter des Werkes noch mehr,
als dies bei aller Übereinstimmung der Mitarbeiter möglich wäre, zur Geltung
gekommen ist, sondern weil auch Niesens ganze Art der Behandlung, der sichere
Takt der Auffassung, die ruhige, klare und überzeugende Darstellung und die
richtige Auswahl zwischen dem für das Verständnis Nötigen und Entbehrlichen,
uns namentlich sympathisch ist.

Von besondern! Werte sind alle diejenigen Artikel, in denen der Heraus¬
geber über den Entwicklungsgang der israelitischen Religion und der hebräischen


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[0227] Biblische Wörterbücher. Was zu den menschlichen Bedürfnissen im weitesten Sinne des Wortes gehört. So führt uns eine ägyptische Darstellung in das Innere einer Küche, in welcher gekocht, gebraten und gebacken wird. Wir sehen, wie gerupftes Feder¬ vieh in Kessel gesteckt und eine über dem Feuer stehende Pfanne von zwei Köchen bedient wird. Der Kuchen, den man bäckt, hat große Ähnlichkeit mit den aus Goethes Leben wohlbekannten Leipziger Kräpfeln; verschiedne Arten sind auf einem Brette an der Küchenwand aufgespeichert. An den Wänden eines Ganges im Palaste Sanheribs zu Kujundschik sehen wir .einen Zug von Dienern bildlich dargestellt, welche allerlei Früchte, Blumen, Wildpret und andres Zubehör für die königliche Tafel herbeibringen, sodaß wir genau unterrichtet werden, welche Leckerbissen man in Altafsyrien der königlichen Tafel wert hielt. Es sind z. B. auch getrocknete Heuschrecken darunter, die an langen Stäben zu beiden Seiten aufgereiht sind. Mit derselben Genauigkeit und Treue wird uns alles lebens¬ wahr vor die Augen geführt, was das Leben der assyrischen Könige und ihrer Unterthanen ausfüllt. Ihre Geschäfte im Frieden, ihre Vergnügungen, beson¬ ders die Jagd, aber auch die mannichfachen Seiten des kriegerischen Treibens, von der Schanzarbeit bis zur blutigen Feldschlacht, werden in Hunderten von charakteristischen Darstellungen geschildert. All dieses reiche Material ist nun in Deutschland zum ersten male in Eduard Riehms „Handwörterbuch des biblischen Altertums für ge¬ bildete Bibelleser" im Interesse einer lebendigeren Anschauung der Verhältnisse des altisraelitischen Lebens verwertet. Dieses wertvolle Werk, dessen erste Lie¬ ferung 1874 erschien, ist gegenwärtig, also nach zehn Jahren, mit der neun¬ zehnten Lieferung zum Abschluß gekommen (Leipzig, Velhagen und Klasing). Die Mitarbeiter, welche Riesen aus den deutschen Bibelforschern ausgewählt hatte, sind durch ihre gründliche Gelehrsamkeit, wie durch ihre freie, echt wissenschaftliche Stellung zu den brennenden Fragen der biblischen Kritik, zu¬ gleich aber durch ihre warme religiöse Auffassung ausgezeichnet, und überdies war die Auswahl von dem Herausgeber so getroffen, daß trotz der Mitarbeit mehrerer Fachgenossen doch der einheitliche Charakter des Ganzen durchweg ge¬ wahrt geblieben ist. Wenn dabei gegen Ende des Werkes, wie es uns scheinen will, der Herausgeber mehr als am Anfange zugleich der Verfasser der wich¬ tigsten Artikel ist, so erscheint uns dies als ein besonders hervorzuhebender Vor¬ zug, nicht bloß weil dadurch der einheitliche Charakter des Werkes noch mehr, als dies bei aller Übereinstimmung der Mitarbeiter möglich wäre, zur Geltung gekommen ist, sondern weil auch Niesens ganze Art der Behandlung, der sichere Takt der Auffassung, die ruhige, klare und überzeugende Darstellung und die richtige Auswahl zwischen dem für das Verständnis Nötigen und Entbehrlichen, uns namentlich sympathisch ist. Von besondern! Werte sind alle diejenigen Artikel, in denen der Heraus¬ geber über den Entwicklungsgang der israelitischen Religion und der hebräischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/227>, abgerufen am 29.12.2024.