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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der Aufruhr im Sudan,

mit demselben siegreich geblieben waren, wurden später wiederholt geschlagen,
und bald befand sich Darfur, Kordofan und das Land nördlich von der abyssi-
nischen Grenze bis zum Roten Meere im Besitz der Aufständischen, Die ägyp¬
tische Zentralregierung, welche inzwischen nach der Niederwerfung Arabi Paschas
freie Hand bekommen hatte, dachte nun ans energische Maßregeln. Die englische
Negierung schickte im Dezember 1882 den Oberstleutnant Stewart zur Bericht¬
erstattung über die Lage des Sudan nach Chartum, lehnte aber eine militärische
Beihilfe durch englische oder indische Truppen ab, erklärte auch wiederholt, daß
sie keinerlei Verantwortung für die Operationen im Sudan übernehme (Mai
1883). Doch gestattete sie dem Oberst Hicks und andern englischen Offizieren,
in das ägyptische Heer zu treten. Hicks rüstete in Chartum eine Expedition
aus, um Obeid, die Hauptstadt Kordofcms, welche der Mcchdi im Januar 1883
eingenommen hatte, wieder zu erobern. Nach kleinern glücklichen Gefechten
geriet Hicks am 5. November 1883 bei Kaschgate in einen Hinterhalt, wo er
mit fast dem ganzen Heere -- angeblich 10 000 Mann -- umkam. Auch an
andern Orten mißglückte der Versuch, ägyptische Truppen durch englische Offi¬
ziere zum Sieg führen zu lassen. Am 6. November 1883 wurden 500 Maun
Ägypter, welche der englische Konsul Kapitän Moncricsf nach Tokar geleiten
wollte, geschlagen, Moncrieff selbst getötet. Der Kommandant der ägyptischen
Gendarmerie Baker -- nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Sir Samuel
Baker -- erlitt am 4. Januar 1884 mit 3500 Mann bei El Teb, unweit
Truckitat, eine schmähliche Niederlage.

England, dessen Truppen nach Niederwerfung des Arabischen Aufstandes
bereits teilweise Ägypten verlassen hatten, beschränkte sich auf die Rolle
eines Beraters der ägyptischen Regierung. Das britische Kabinet sprach seine
Ansicht dahin ans, daß es im Hinblick auf die Lage der ägyptischen Finanzen
und nachdem sich die ägyptischen Truppen dem Mahdi gegenüber machtlos
gezeigt hätten, das beste sei, den Sudan aufzugeben. Nach der Niederlage des
Oberst Hicks eröffnete sie der ägyptischen Regierung wiederholt, daß sie britische
oder indische Truppen im Sudan nicht operiren lassen werde, zwar gegen die
vom Chedive ins Ange gefaßte Heranziehung türkischer Truppen nichts einzu¬
wenden finde, aber gegen die Verwendung der ägyptischen Einnahmen zur
Wiedereroberung des Sudan Protestire und den Rat gebe, baldigst die Territorien
südlich von Assuan oder wenigstens von Wady Halfa aufzugeben, indem sie sich
bereit erklärte, das eigentliche Ägypten und die Häfen des Roten Meeres zu
schützen. Zugleich widerriet sie die vom Chedive beabsichtigte Sendung Sibehr
Paschas nach dem Sudan, fragte auch an, ob die ägyptische Regierung von
den Diensten des frühern Generalgouverueurs Gordon Gebrauch machen könne,
wenn dieser nach Ägypten kommen wolle. Scherif Pascha, welcher die Abcm-
dvnnirung des Sudan für unthunlich erachtete, lehnte Gordons Dienste ab,
weil er fürchtete, daß die Anstellung eines Christen die treu gebliebenen Stämme


Der Aufruhr im Sudan,

mit demselben siegreich geblieben waren, wurden später wiederholt geschlagen,
und bald befand sich Darfur, Kordofan und das Land nördlich von der abyssi-
nischen Grenze bis zum Roten Meere im Besitz der Aufständischen, Die ägyp¬
tische Zentralregierung, welche inzwischen nach der Niederwerfung Arabi Paschas
freie Hand bekommen hatte, dachte nun ans energische Maßregeln. Die englische
Negierung schickte im Dezember 1882 den Oberstleutnant Stewart zur Bericht¬
erstattung über die Lage des Sudan nach Chartum, lehnte aber eine militärische
Beihilfe durch englische oder indische Truppen ab, erklärte auch wiederholt, daß
sie keinerlei Verantwortung für die Operationen im Sudan übernehme (Mai
1883). Doch gestattete sie dem Oberst Hicks und andern englischen Offizieren,
in das ägyptische Heer zu treten. Hicks rüstete in Chartum eine Expedition
aus, um Obeid, die Hauptstadt Kordofcms, welche der Mcchdi im Januar 1883
eingenommen hatte, wieder zu erobern. Nach kleinern glücklichen Gefechten
geriet Hicks am 5. November 1883 bei Kaschgate in einen Hinterhalt, wo er
mit fast dem ganzen Heere — angeblich 10 000 Mann — umkam. Auch an
andern Orten mißglückte der Versuch, ägyptische Truppen durch englische Offi¬
ziere zum Sieg führen zu lassen. Am 6. November 1883 wurden 500 Maun
Ägypter, welche der englische Konsul Kapitän Moncricsf nach Tokar geleiten
wollte, geschlagen, Moncrieff selbst getötet. Der Kommandant der ägyptischen
Gendarmerie Baker — nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Sir Samuel
Baker — erlitt am 4. Januar 1884 mit 3500 Mann bei El Teb, unweit
Truckitat, eine schmähliche Niederlage.

England, dessen Truppen nach Niederwerfung des Arabischen Aufstandes
bereits teilweise Ägypten verlassen hatten, beschränkte sich auf die Rolle
eines Beraters der ägyptischen Regierung. Das britische Kabinet sprach seine
Ansicht dahin ans, daß es im Hinblick auf die Lage der ägyptischen Finanzen
und nachdem sich die ägyptischen Truppen dem Mahdi gegenüber machtlos
gezeigt hätten, das beste sei, den Sudan aufzugeben. Nach der Niederlage des
Oberst Hicks eröffnete sie der ägyptischen Regierung wiederholt, daß sie britische
oder indische Truppen im Sudan nicht operiren lassen werde, zwar gegen die
vom Chedive ins Ange gefaßte Heranziehung türkischer Truppen nichts einzu¬
wenden finde, aber gegen die Verwendung der ägyptischen Einnahmen zur
Wiedereroberung des Sudan Protestire und den Rat gebe, baldigst die Territorien
südlich von Assuan oder wenigstens von Wady Halfa aufzugeben, indem sie sich
bereit erklärte, das eigentliche Ägypten und die Häfen des Roten Meeres zu
schützen. Zugleich widerriet sie die vom Chedive beabsichtigte Sendung Sibehr
Paschas nach dem Sudan, fragte auch an, ob die ägyptische Regierung von
den Diensten des frühern Generalgouverueurs Gordon Gebrauch machen könne,
wenn dieser nach Ägypten kommen wolle. Scherif Pascha, welcher die Abcm-
dvnnirung des Sudan für unthunlich erachtete, lehnte Gordons Dienste ab,
weil er fürchtete, daß die Anstellung eines Christen die treu gebliebenen Stämme


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/19>, abgerufen am 28.12.2024.