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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Mecklenburger Welsen.

Waltens für Deutschland, von den Kriegen Unseres Volkes, von den großen
und herrlichen Tagen, welche die deutschen Länder und Stämme zu dem deut¬
schen Reiche vereinigt haben. Darüber, daß wir nicht des Kaisers Volk sind,
sondern das Volk unsers angestammten Fürsten, haben wir uns schon . . .
ausgesprochen. Ebenso noch vor kurzem über den durchaus geschichtswidrigen
sprachlichen Abusus, der so thut, als ob das Erzherzogtum Österreich, Steier-
mark, Körnten, Krain, Friaul, die Gebiete von Triest, Trient und Brixen, Tirol,
Vorarlberg, Salzburg, Böhmen, Mähren, Österreichich-Schlesien garnicht in der
Welt und der Kaiser von Österreich nicht auch erst recht ein deutscher Kaiser
sei. Der ritterliche Herr und edle Fürst gehört so gewiß zum deutschen Volke
wie seine Lande zu Deutschland, mögen beide auch das fragwürdige Glück nicht ge¬
nießen, Glieder des von 1866/70 datirenden neuen deutschen Reiches zu sein. Wer
will es sie entgelten lassen, daß sie unterliegen mußten, weil der Gegner, ein
nur zum Teil deutscher Stamm ^ganz wie die Mecklenburger und alle Nord¬
deutschen mit Ausnahme der Nordseeküstenbewohner, wenn man nach den Ur¬
vätern urteilt), sich zum Kriege gegen den deutschen Bruderstamm mit dem
Welschen und König-Ehrenmann verband. ... Es ist recht zu bedauern, daß
man bei Abfassung der Urkunde der "Begeisterung" auf Kosten der geschichtlichen
Objektivität so überreichlich freien Lauf gelassen hat."

Die Sonne ist also noch nicht aufgegangen über der Gegend von Dargun
und ihren Journalisten. Keine Slaven, Magyaren, Rumänen, Italiener in
Österreich! Kein Friede von Prag, kein wirkliches deutsches Reich! Herr Pritt-
witz und seine Junker wollen nicht, srZo ist's nicht oder ist nur Dunstbild und
Augentäuschung. Wir leben eigentlich noch im Jahre 186S und in der Föde¬
ration, die der deutsche Bund genannt wird.

Sollen wir uns die Mühe nehmen, gegen solche Ansichten zu polemisiren,
ihren Trägern ein Licht aufzustecken, sie des Irrtums zu überführen? Wir
denken, nein. Leute der Sorte sind nicht zu überzeugen, und mit ihnen ist
ebensowenig zu rechten wie mit dem gehörnten Kopfe im Mecklenburger Wappen.
Man macht sich und andern Verständigen nur einen Spaß, wenn man sie durch
Zitate ihrer Äußerungen charakterisirt, und das sei denn in den folgenden Zeilen
noch aus andrer Quelle fortgesetzt. Die obigen Auszüge zeigten uns, wie der
echte Feudale im Obotritenlande über Kaiser und Reich denkt, die nachstehende
Erinnerung wird uns in ergötzlichster Weise erkennen lassen, als was er sich
selbst fühlt, was er im engsten Kreise, seinen "Unterthanen" gegenüber, zu sein
und beanspruchen zu können meint. Aus bester Quelle -- wir dürfen sie jetzt
nennen: es war der verstorbene Fritz Reuter -- ging uns vor einigen Jahren
ein Dokument zu, das hierüber Licht verbreitet. Daß es völlig authentisch ist,
ist nie bestritten worden, und da es unsers Wissens niemals zurückgenommen
worden ist, so sind wir wohl befugt, es als noch jetzt geltend zu betrachten.
Zu bemerken ist nichts dazu, als daß das "Hahnsche" eine jener Herrschaften


Mecklenburger Welsen.

Waltens für Deutschland, von den Kriegen Unseres Volkes, von den großen
und herrlichen Tagen, welche die deutschen Länder und Stämme zu dem deut¬
schen Reiche vereinigt haben. Darüber, daß wir nicht des Kaisers Volk sind,
sondern das Volk unsers angestammten Fürsten, haben wir uns schon . . .
ausgesprochen. Ebenso noch vor kurzem über den durchaus geschichtswidrigen
sprachlichen Abusus, der so thut, als ob das Erzherzogtum Österreich, Steier-
mark, Körnten, Krain, Friaul, die Gebiete von Triest, Trient und Brixen, Tirol,
Vorarlberg, Salzburg, Böhmen, Mähren, Österreichich-Schlesien garnicht in der
Welt und der Kaiser von Österreich nicht auch erst recht ein deutscher Kaiser
sei. Der ritterliche Herr und edle Fürst gehört so gewiß zum deutschen Volke
wie seine Lande zu Deutschland, mögen beide auch das fragwürdige Glück nicht ge¬
nießen, Glieder des von 1866/70 datirenden neuen deutschen Reiches zu sein. Wer
will es sie entgelten lassen, daß sie unterliegen mußten, weil der Gegner, ein
nur zum Teil deutscher Stamm ^ganz wie die Mecklenburger und alle Nord¬
deutschen mit Ausnahme der Nordseeküstenbewohner, wenn man nach den Ur¬
vätern urteilt), sich zum Kriege gegen den deutschen Bruderstamm mit dem
Welschen und König-Ehrenmann verband. ... Es ist recht zu bedauern, daß
man bei Abfassung der Urkunde der »Begeisterung« auf Kosten der geschichtlichen
Objektivität so überreichlich freien Lauf gelassen hat."

Die Sonne ist also noch nicht aufgegangen über der Gegend von Dargun
und ihren Journalisten. Keine Slaven, Magyaren, Rumänen, Italiener in
Österreich! Kein Friede von Prag, kein wirkliches deutsches Reich! Herr Pritt-
witz und seine Junker wollen nicht, srZo ist's nicht oder ist nur Dunstbild und
Augentäuschung. Wir leben eigentlich noch im Jahre 186S und in der Föde¬
ration, die der deutsche Bund genannt wird.

Sollen wir uns die Mühe nehmen, gegen solche Ansichten zu polemisiren,
ihren Trägern ein Licht aufzustecken, sie des Irrtums zu überführen? Wir
denken, nein. Leute der Sorte sind nicht zu überzeugen, und mit ihnen ist
ebensowenig zu rechten wie mit dem gehörnten Kopfe im Mecklenburger Wappen.
Man macht sich und andern Verständigen nur einen Spaß, wenn man sie durch
Zitate ihrer Äußerungen charakterisirt, und das sei denn in den folgenden Zeilen
noch aus andrer Quelle fortgesetzt. Die obigen Auszüge zeigten uns, wie der
echte Feudale im Obotritenlande über Kaiser und Reich denkt, die nachstehende
Erinnerung wird uns in ergötzlichster Weise erkennen lassen, als was er sich
selbst fühlt, was er im engsten Kreise, seinen „Unterthanen" gegenüber, zu sein
und beanspruchen zu können meint. Aus bester Quelle — wir dürfen sie jetzt
nennen: es war der verstorbene Fritz Reuter — ging uns vor einigen Jahren
ein Dokument zu, das hierüber Licht verbreitet. Daß es völlig authentisch ist,
ist nie bestritten worden, und da es unsers Wissens niemals zurückgenommen
worden ist, so sind wir wohl befugt, es als noch jetzt geltend zu betrachten.
Zu bemerken ist nichts dazu, als daß das „Hahnsche" eine jener Herrschaften


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[0163] Mecklenburger Welsen. Waltens für Deutschland, von den Kriegen Unseres Volkes, von den großen und herrlichen Tagen, welche die deutschen Länder und Stämme zu dem deut¬ schen Reiche vereinigt haben. Darüber, daß wir nicht des Kaisers Volk sind, sondern das Volk unsers angestammten Fürsten, haben wir uns schon . . . ausgesprochen. Ebenso noch vor kurzem über den durchaus geschichtswidrigen sprachlichen Abusus, der so thut, als ob das Erzherzogtum Österreich, Steier- mark, Körnten, Krain, Friaul, die Gebiete von Triest, Trient und Brixen, Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Böhmen, Mähren, Österreichich-Schlesien garnicht in der Welt und der Kaiser von Österreich nicht auch erst recht ein deutscher Kaiser sei. Der ritterliche Herr und edle Fürst gehört so gewiß zum deutschen Volke wie seine Lande zu Deutschland, mögen beide auch das fragwürdige Glück nicht ge¬ nießen, Glieder des von 1866/70 datirenden neuen deutschen Reiches zu sein. Wer will es sie entgelten lassen, daß sie unterliegen mußten, weil der Gegner, ein nur zum Teil deutscher Stamm ^ganz wie die Mecklenburger und alle Nord¬ deutschen mit Ausnahme der Nordseeküstenbewohner, wenn man nach den Ur¬ vätern urteilt), sich zum Kriege gegen den deutschen Bruderstamm mit dem Welschen und König-Ehrenmann verband. ... Es ist recht zu bedauern, daß man bei Abfassung der Urkunde der »Begeisterung« auf Kosten der geschichtlichen Objektivität so überreichlich freien Lauf gelassen hat." Die Sonne ist also noch nicht aufgegangen über der Gegend von Dargun und ihren Journalisten. Keine Slaven, Magyaren, Rumänen, Italiener in Österreich! Kein Friede von Prag, kein wirkliches deutsches Reich! Herr Pritt- witz und seine Junker wollen nicht, srZo ist's nicht oder ist nur Dunstbild und Augentäuschung. Wir leben eigentlich noch im Jahre 186S und in der Föde¬ ration, die der deutsche Bund genannt wird. Sollen wir uns die Mühe nehmen, gegen solche Ansichten zu polemisiren, ihren Trägern ein Licht aufzustecken, sie des Irrtums zu überführen? Wir denken, nein. Leute der Sorte sind nicht zu überzeugen, und mit ihnen ist ebensowenig zu rechten wie mit dem gehörnten Kopfe im Mecklenburger Wappen. Man macht sich und andern Verständigen nur einen Spaß, wenn man sie durch Zitate ihrer Äußerungen charakterisirt, und das sei denn in den folgenden Zeilen noch aus andrer Quelle fortgesetzt. Die obigen Auszüge zeigten uns, wie der echte Feudale im Obotritenlande über Kaiser und Reich denkt, die nachstehende Erinnerung wird uns in ergötzlichster Weise erkennen lassen, als was er sich selbst fühlt, was er im engsten Kreise, seinen „Unterthanen" gegenüber, zu sein und beanspruchen zu können meint. Aus bester Quelle — wir dürfen sie jetzt nennen: es war der verstorbene Fritz Reuter — ging uns vor einigen Jahren ein Dokument zu, das hierüber Licht verbreitet. Daß es völlig authentisch ist, ist nie bestritten worden, und da es unsers Wissens niemals zurückgenommen worden ist, so sind wir wohl befugt, es als noch jetzt geltend zu betrachten. Zu bemerken ist nichts dazu, als daß das „Hahnsche" eine jener Herrschaften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/163>, abgerufen am 29.12.2024.