Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.unser Schild einzuziehen. Können sie Pfisters Mühle in der Welt nicht mehr So leicht geben wir und die Welt Pfisters Mühle doch wohl nicht auf, Das sage ich mir ja auch in jedweder schlaflosen Nacht, Ebert; aber was Deine Leute haben dir gekündigt? Bis auf saufe, und den sehe ich immer nur darauf an in stiller Verwun¬ Zum Teufel auch! der Henker soll sie holen! Fluche nicht, mein Sohn, sprach der alte Herr melancholisch den Kopf Und es ist seitdem noch schlimmer geworden? Der Alte erhob sich aus seinem Stuhl, weitbeinig stellte er sich fest, beide Der lebendige Satan soll mich frikassiren, wenn ich für mein Teil es bis unser Schild einzuziehen. Können sie Pfisters Mühle in der Welt nicht mehr So leicht geben wir und die Welt Pfisters Mühle doch wohl nicht auf, Das sage ich mir ja auch in jedweder schlaflosen Nacht, Ebert; aber was Deine Leute haben dir gekündigt? Bis auf saufe, und den sehe ich immer nur darauf an in stiller Verwun¬ Zum Teufel auch! der Henker soll sie holen! Fluche nicht, mein Sohn, sprach der alte Herr melancholisch den Kopf Und es ist seitdem noch schlimmer geworden? Der Alte erhob sich aus seinem Stuhl, weitbeinig stellte er sich fest, beide Der lebendige Satan soll mich frikassiren, wenn ich für mein Teil es bis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157074"/> <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> unser Schild einzuziehen. Können sie Pfisters Mühle in der Welt nicht mehr<lb/> gebrauchen, haben sie genug von ihr, nun so muß es mir, ihr und dir am Ende<lb/> ja wohl auch egal sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> So leicht geben wir und die Welt Pfisters Mühle doch wohl nicht auf,<lb/> Vater!</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Das sage ich mir ja auch in jedweder schlaflosen Nacht, Ebert; aber was<lb/> kannst du am Ende noch weiter thun, als daß du dich bis aufs Äußerste wehrst,<lb/> dir in der Mühlstube die Nase zuhältst, nur an dein Handwerksgeschäft denkst,<lb/> und denkst: Freunde, Herrschaften, gute Gevattern hin und her, was thut's,<lb/> wenn sie dir ausbleiben, Alter? Am Ende bist du doch von rechtswegen eigent¬<lb/> lich mehr ein Müller als ein Krugwirt, und so lange sich dir das Rad dreht,<lb/> hast du noch nicht den richtigen Grund, deinen Herrgott wegen Ungerechtigkeit<lb/> anzuklagen. Aber, wenn sie dir auch in der Turbinenstube aufwerfen und<lb/> sprechen: Meister Pfister, daß Sie uns recht sind, das wissen Sie; aber aus¬<lb/> halten thut das bei Ihnen Keiner mehr, der Parfüm ist zu giftig! Was dann?</p><lb/> <p xml:id="ID_486"> Deine Leute haben dir gekündigt?</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> Bis auf saufe, und den sehe ich immer nur darauf an in stiller Verwun¬<lb/> derung und zerbreche mir den Kopf über die Frage, ob er ans Dummheit oder<lb/> Anhänglichkeit bleibt. Ja, sie haben allesamt außer ihm ihre Kräfte in Nase<lb/> und Lunge taxirt und sind zu dem Beschluß gekommen, daß sie über Weihnachten<lb/> und Neujahr wohl noch reichen müßten, aber daß sie zu Ostern komplet damit<lb/> zu Ende seien. Sie gehen alle zu Ostern von Pfisters Mühle!</p><lb/> <p xml:id="ID_488"> Zum Teufel auch! der Henker soll sie holen!</p><lb/> <p xml:id="ID_489"> Fluche nicht, mein Sohn, sprach der alte Herr melancholisch den Kopf<lb/> schüttelnd. Du bist seit vierzehn Tagen nicht draußen gewesen und hast schon<lb/> bei deinem letzten Aufenthalt und Besuch genug geflucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_490"> Und es ist seitdem noch schlimmer geworden?</p><lb/> <p xml:id="ID_491"> Der Alte erhob sich aus seinem Stuhl, weitbeinig stellte er sich fest, beide<lb/> Hände in die Seiten stemmend. Sechsmal blies er aus vollen Backen vor sich<lb/> hin und schlug dann mit voller Faust aus mein Schreibpult, daß rundum das<lb/> ganze Gemach zitterte, und so keuchte er wütend:</p><lb/> <p xml:id="ID_492" next="#ID_493"> Der lebendige Satan soll mich frikassiren, wenn ich für mein Teil es bis<lb/> zum heiligen Christ aushalte! Sie haben am Ende Anhänglichkeit an mich<lb/> und prätendiren es also ein bischen länger; aber was kann ich denn noch an<lb/> mir haben bei so bewandten Zuständen? . . Ob es ärger geworden ist?.. Bücher<lb/> könnte man darüber schreiben und soll es auch, wenn ich was dazukann! Die<lb/> besten alten Freunde und urältesten, treuen Stammgäste — gelehrte und un¬<lb/> gelehrte — gucken nur noch über die Hecke oder in das Gartenthor seit Mitte<lb/> vorigen Monats, oder klopfen höchstens an's Fenster vom Klubzimmer und<lb/> sagen: Mit dem besten Willen, es geht nicht länger, Vater Pfister; das bringt<lb/> kein Doppelmops, kein Kardinal, keine Havanna und kein sonstig Kraut in</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0149]
unser Schild einzuziehen. Können sie Pfisters Mühle in der Welt nicht mehr
gebrauchen, haben sie genug von ihr, nun so muß es mir, ihr und dir am Ende
ja wohl auch egal sein.
So leicht geben wir und die Welt Pfisters Mühle doch wohl nicht auf,
Vater!
Das sage ich mir ja auch in jedweder schlaflosen Nacht, Ebert; aber was
kannst du am Ende noch weiter thun, als daß du dich bis aufs Äußerste wehrst,
dir in der Mühlstube die Nase zuhältst, nur an dein Handwerksgeschäft denkst,
und denkst: Freunde, Herrschaften, gute Gevattern hin und her, was thut's,
wenn sie dir ausbleiben, Alter? Am Ende bist du doch von rechtswegen eigent¬
lich mehr ein Müller als ein Krugwirt, und so lange sich dir das Rad dreht,
hast du noch nicht den richtigen Grund, deinen Herrgott wegen Ungerechtigkeit
anzuklagen. Aber, wenn sie dir auch in der Turbinenstube aufwerfen und
sprechen: Meister Pfister, daß Sie uns recht sind, das wissen Sie; aber aus¬
halten thut das bei Ihnen Keiner mehr, der Parfüm ist zu giftig! Was dann?
Deine Leute haben dir gekündigt?
Bis auf saufe, und den sehe ich immer nur darauf an in stiller Verwun¬
derung und zerbreche mir den Kopf über die Frage, ob er ans Dummheit oder
Anhänglichkeit bleibt. Ja, sie haben allesamt außer ihm ihre Kräfte in Nase
und Lunge taxirt und sind zu dem Beschluß gekommen, daß sie über Weihnachten
und Neujahr wohl noch reichen müßten, aber daß sie zu Ostern komplet damit
zu Ende seien. Sie gehen alle zu Ostern von Pfisters Mühle!
Zum Teufel auch! der Henker soll sie holen!
Fluche nicht, mein Sohn, sprach der alte Herr melancholisch den Kopf
schüttelnd. Du bist seit vierzehn Tagen nicht draußen gewesen und hast schon
bei deinem letzten Aufenthalt und Besuch genug geflucht.
Und es ist seitdem noch schlimmer geworden?
Der Alte erhob sich aus seinem Stuhl, weitbeinig stellte er sich fest, beide
Hände in die Seiten stemmend. Sechsmal blies er aus vollen Backen vor sich
hin und schlug dann mit voller Faust aus mein Schreibpult, daß rundum das
ganze Gemach zitterte, und so keuchte er wütend:
Der lebendige Satan soll mich frikassiren, wenn ich für mein Teil es bis
zum heiligen Christ aushalte! Sie haben am Ende Anhänglichkeit an mich
und prätendiren es also ein bischen länger; aber was kann ich denn noch an
mir haben bei so bewandten Zuständen? . . Ob es ärger geworden ist?.. Bücher
könnte man darüber schreiben und soll es auch, wenn ich was dazukann! Die
besten alten Freunde und urältesten, treuen Stammgäste — gelehrte und un¬
gelehrte — gucken nur noch über die Hecke oder in das Gartenthor seit Mitte
vorigen Monats, oder klopfen höchstens an's Fenster vom Klubzimmer und
sagen: Mit dem besten Willen, es geht nicht länger, Vater Pfister; das bringt
kein Doppelmops, kein Kardinal, keine Havanna und kein sonstig Kraut in
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