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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

gekrauster Nase geprobt hatte. Auch eine angenehme Atmosphäre! Nur um eine
Idee lieblicher als Pfisters Mühle -- der Satan weiß es. Guten Abend, Junge.

Guten Abend, Vater, sagte ich lachend. Will der alte Sünder seinen
Sprößling ob der Wohlgerüche Arabiens, in die er ihn gepflanzt hat, gar
noch verhöhnen? Was kann denn dein Kind dafür, daß Mutter Müller mit
Käse, Häringen und Schellfisch aus zweiter Hand handelt, daß Mutter Pape
ihre Kinderwäsche wahrscheinlich zu nahe an den Ofen gehängt hat, daß Jungfer
Jürgens heute Mittag eines kleinen Zwistes mit Schneider Busch halben ein
wenig nachlässig mit ihrem Sauerkraut auf dem Petroleumkocher umgegangen
ist, und daß Meister Busch hinten hinaus soeben einen ziemlichen Teil der Sonn¬
tagsgarderobe der Nachbarschaft auf Benzin traktirt? Na komm herein, Vater
Pfister! Unter allen Umständen bringst du den neuen Winter mit, also mach
mir auch auf der Stelle dem gewohntes vergnügtes Gesicht dazu und verkünde
beiläufig, was dich eigentlich zu so ungewohnter Stunde herführt.

Ich hatte ihn in meinem Scholarenstübchen. Er saß in dem Sorgenstuhl
des Seligen der Wittib, bei welcher er mich in Wohnung und allerlei andre
Verpflegung gethan hatte. Hut und Stock hatte ich ihm abgenommen und den
wollenen Shawl ihm vom Halse gewickelt. Einen Überrock hatte er nie ge¬
tragen, und jetzt knöpfte er kopfschüttelnd, dem Winter, den er mitgebracht
hatte, zum Trotz, die Weste über der breiten Brust und dem stattlichen Bäuch¬
lein auf, rang noch einige Zeit nach mehr Atem und sprach:

Ja ja, mein Junge, nur noch einen Augenblick . . . das Fenster laß nur
zu; es kommt nichts besseres herein, als hinausgeht. Ja ja, in Veilchen, Rosen
und Hyacinthen bist du freilich hier nicht gebettet, und so will ich auch nichts
dagegen einwenden, daß du dich auch wieder mal an meinen besten Varinas,
wie ich merke, gehalten hast, um dir die Lüfte zu verbessern. Es ist bei dir
doch nur ein Übergang in deinen jungen Jahren; aber ich bin zu alt dazu.
Ich halte es nicht länger aus, mich, ohne mich dagegen zu rühren, zu Tode
stärkern und stinken zu lassen, und heute ist dem Faß der Boden ausgefalle",
und du brauchst mich nicht so dumm anzustieren: ich bin darum in der Stadt,
und wenn es eine Wissenschaft und Gerechtigkeit giebt, so soll sie jetzt für uns
zwei -- Pfisters Mühle und mich eintreten -- oder wir schließen beide das
Geschäft, sie und ich, und für mich mag es ja Wohl der beste Trost sein, daß
du dich nicht darum zu kümmern hast, sondern für was andres auf Schulen
und Universitäten vorbereitet bist, gerade als ob ich eine Ahnung davon gehabt
hätte, als ich dich aus der freien Luft herein rief und an die Bücher setzte
und Doktor Aschen über dich!

Lieber Vater --

Jawohl, mein Sohn, wie dein lieber Vater es dir sagt, so verhält es sich.
saufe hat im blauen Bock ausgespannt, und ich bin hier vorhanden, um der
Sache auf den Grund zu kommen, oder mit Ergebung das Rad zu stellen und


pfisters Mühle.

gekrauster Nase geprobt hatte. Auch eine angenehme Atmosphäre! Nur um eine
Idee lieblicher als Pfisters Mühle — der Satan weiß es. Guten Abend, Junge.

Guten Abend, Vater, sagte ich lachend. Will der alte Sünder seinen
Sprößling ob der Wohlgerüche Arabiens, in die er ihn gepflanzt hat, gar
noch verhöhnen? Was kann denn dein Kind dafür, daß Mutter Müller mit
Käse, Häringen und Schellfisch aus zweiter Hand handelt, daß Mutter Pape
ihre Kinderwäsche wahrscheinlich zu nahe an den Ofen gehängt hat, daß Jungfer
Jürgens heute Mittag eines kleinen Zwistes mit Schneider Busch halben ein
wenig nachlässig mit ihrem Sauerkraut auf dem Petroleumkocher umgegangen
ist, und daß Meister Busch hinten hinaus soeben einen ziemlichen Teil der Sonn¬
tagsgarderobe der Nachbarschaft auf Benzin traktirt? Na komm herein, Vater
Pfister! Unter allen Umständen bringst du den neuen Winter mit, also mach
mir auch auf der Stelle dem gewohntes vergnügtes Gesicht dazu und verkünde
beiläufig, was dich eigentlich zu so ungewohnter Stunde herführt.

Ich hatte ihn in meinem Scholarenstübchen. Er saß in dem Sorgenstuhl
des Seligen der Wittib, bei welcher er mich in Wohnung und allerlei andre
Verpflegung gethan hatte. Hut und Stock hatte ich ihm abgenommen und den
wollenen Shawl ihm vom Halse gewickelt. Einen Überrock hatte er nie ge¬
tragen, und jetzt knöpfte er kopfschüttelnd, dem Winter, den er mitgebracht
hatte, zum Trotz, die Weste über der breiten Brust und dem stattlichen Bäuch¬
lein auf, rang noch einige Zeit nach mehr Atem und sprach:

Ja ja, mein Junge, nur noch einen Augenblick . . . das Fenster laß nur
zu; es kommt nichts besseres herein, als hinausgeht. Ja ja, in Veilchen, Rosen
und Hyacinthen bist du freilich hier nicht gebettet, und so will ich auch nichts
dagegen einwenden, daß du dich auch wieder mal an meinen besten Varinas,
wie ich merke, gehalten hast, um dir die Lüfte zu verbessern. Es ist bei dir
doch nur ein Übergang in deinen jungen Jahren; aber ich bin zu alt dazu.
Ich halte es nicht länger aus, mich, ohne mich dagegen zu rühren, zu Tode
stärkern und stinken zu lassen, und heute ist dem Faß der Boden ausgefalle»,
und du brauchst mich nicht so dumm anzustieren: ich bin darum in der Stadt,
und wenn es eine Wissenschaft und Gerechtigkeit giebt, so soll sie jetzt für uns
zwei — Pfisters Mühle und mich eintreten — oder wir schließen beide das
Geschäft, sie und ich, und für mich mag es ja Wohl der beste Trost sein, daß
du dich nicht darum zu kümmern hast, sondern für was andres auf Schulen
und Universitäten vorbereitet bist, gerade als ob ich eine Ahnung davon gehabt
hätte, als ich dich aus der freien Luft herein rief und an die Bücher setzte
und Doktor Aschen über dich!

Lieber Vater —

Jawohl, mein Sohn, wie dein lieber Vater es dir sagt, so verhält es sich.
saufe hat im blauen Bock ausgespannt, und ich bin hier vorhanden, um der
Sache auf den Grund zu kommen, oder mit Ergebung das Rad zu stellen und


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[0148] pfisters Mühle. gekrauster Nase geprobt hatte. Auch eine angenehme Atmosphäre! Nur um eine Idee lieblicher als Pfisters Mühle — der Satan weiß es. Guten Abend, Junge. Guten Abend, Vater, sagte ich lachend. Will der alte Sünder seinen Sprößling ob der Wohlgerüche Arabiens, in die er ihn gepflanzt hat, gar noch verhöhnen? Was kann denn dein Kind dafür, daß Mutter Müller mit Käse, Häringen und Schellfisch aus zweiter Hand handelt, daß Mutter Pape ihre Kinderwäsche wahrscheinlich zu nahe an den Ofen gehängt hat, daß Jungfer Jürgens heute Mittag eines kleinen Zwistes mit Schneider Busch halben ein wenig nachlässig mit ihrem Sauerkraut auf dem Petroleumkocher umgegangen ist, und daß Meister Busch hinten hinaus soeben einen ziemlichen Teil der Sonn¬ tagsgarderobe der Nachbarschaft auf Benzin traktirt? Na komm herein, Vater Pfister! Unter allen Umständen bringst du den neuen Winter mit, also mach mir auch auf der Stelle dem gewohntes vergnügtes Gesicht dazu und verkünde beiläufig, was dich eigentlich zu so ungewohnter Stunde herführt. Ich hatte ihn in meinem Scholarenstübchen. Er saß in dem Sorgenstuhl des Seligen der Wittib, bei welcher er mich in Wohnung und allerlei andre Verpflegung gethan hatte. Hut und Stock hatte ich ihm abgenommen und den wollenen Shawl ihm vom Halse gewickelt. Einen Überrock hatte er nie ge¬ tragen, und jetzt knöpfte er kopfschüttelnd, dem Winter, den er mitgebracht hatte, zum Trotz, die Weste über der breiten Brust und dem stattlichen Bäuch¬ lein auf, rang noch einige Zeit nach mehr Atem und sprach: Ja ja, mein Junge, nur noch einen Augenblick . . . das Fenster laß nur zu; es kommt nichts besseres herein, als hinausgeht. Ja ja, in Veilchen, Rosen und Hyacinthen bist du freilich hier nicht gebettet, und so will ich auch nichts dagegen einwenden, daß du dich auch wieder mal an meinen besten Varinas, wie ich merke, gehalten hast, um dir die Lüfte zu verbessern. Es ist bei dir doch nur ein Übergang in deinen jungen Jahren; aber ich bin zu alt dazu. Ich halte es nicht länger aus, mich, ohne mich dagegen zu rühren, zu Tode stärkern und stinken zu lassen, und heute ist dem Faß der Boden ausgefalle», und du brauchst mich nicht so dumm anzustieren: ich bin darum in der Stadt, und wenn es eine Wissenschaft und Gerechtigkeit giebt, so soll sie jetzt für uns zwei — Pfisters Mühle und mich eintreten — oder wir schließen beide das Geschäft, sie und ich, und für mich mag es ja Wohl der beste Trost sein, daß du dich nicht darum zu kümmern hast, sondern für was andres auf Schulen und Universitäten vorbereitet bist, gerade als ob ich eine Ahnung davon gehabt hätte, als ich dich aus der freien Luft herein rief und an die Bücher setzte und Doktor Aschen über dich! Lieber Vater — Jawohl, mein Sohn, wie dein lieber Vater es dir sagt, so verhält es sich. saufe hat im blauen Bock ausgespannt, und ich bin hier vorhanden, um der Sache auf den Grund zu kommen, oder mit Ergebung das Rad zu stellen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/148>, abgerufen am 29.12.2024.