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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.
Wilhelm Raabe. Lin Sommerferienheft von
(Fortsetzung.)

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V"es bekam einen Platz in der Quinta, und mein Vater, der sein
ganzes liebes Leben durch in seinen Ansprüchen bescheiden war
und ein dankbares Gemüt dazu hatte, begabte, zum Lohn für
seinen Erfolg, meinen und seinen Privatgelehrten mit einer so¬
liden silbernen Taschenuhr, welchen höchst überflüssigen Zeit¬
messer Asche bereits gegen Ende des laufenden Mondes nach dem Pfandhause
trug und vor dem Ablauf des Jahres für immer gegen "andere Werte und
momentan nützlicheres" vertauschte. Daß er so ziemlich um diese Zeit seine
Studien, oder wie die Leute (nicht er!) es sonst nannten, vollendete, rufe ich
dazu mit einiger Schwierigkeit in die Erinnerung zurück. Was er eigentlich
studirt hatte, konnte jkein Mensch recht sagen, er selber vielleicht auch uicht.
Naturwissenschaften hieß es offiziell, und mit der Natur stand er freilich auf
bestem Fuße, legte sich aber noch lieber an schönen Tagen, so lang er war, in
dieselbe hin, mit den Händen unter dem Kopfe und einer Zigarre oder kurzen
Holzpfeife zwischen den Zähnen. Wovon er in dieser Zeit lebte, das wußte
außer den Göttern und meinem Vater niemand; aber er lebte und wurde eines
Tages auch Doktor der Philosophie, und ich habe später die unumstößliche Ge¬
wißheit aus verschiedenen Papieren in Pfisters Mühle gewonnen, daß dieses
gleichfalls nur unter Mitwisser und Beihilfe meines Vaters und der Unsterb¬
lichen möglich gemacht worden war.

Ich habe seinen Vater gekannt, pflegte mein Vater zu sagen. Der war
ähnlich und ist bis an seinen Tod mein bester Freund gewesen, und es war
schade, schade um ihn! Und wenn er von seines Berufes wegen als Schön¬
färber sich auch die Welt für sein Fortkommen in ihr ein bischen zu hübsch ge¬
färbt hat, so ist doch kein andrer Mensch als er selber und höchstens sein Junge




pfisters Mühle.
Wilhelm Raabe. Lin Sommerferienheft von
(Fortsetzung.)

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V«es bekam einen Platz in der Quinta, und mein Vater, der sein
ganzes liebes Leben durch in seinen Ansprüchen bescheiden war
und ein dankbares Gemüt dazu hatte, begabte, zum Lohn für
seinen Erfolg, meinen und seinen Privatgelehrten mit einer so¬
liden silbernen Taschenuhr, welchen höchst überflüssigen Zeit¬
messer Asche bereits gegen Ende des laufenden Mondes nach dem Pfandhause
trug und vor dem Ablauf des Jahres für immer gegen „andere Werte und
momentan nützlicheres" vertauschte. Daß er so ziemlich um diese Zeit seine
Studien, oder wie die Leute (nicht er!) es sonst nannten, vollendete, rufe ich
dazu mit einiger Schwierigkeit in die Erinnerung zurück. Was er eigentlich
studirt hatte, konnte jkein Mensch recht sagen, er selber vielleicht auch uicht.
Naturwissenschaften hieß es offiziell, und mit der Natur stand er freilich auf
bestem Fuße, legte sich aber noch lieber an schönen Tagen, so lang er war, in
dieselbe hin, mit den Händen unter dem Kopfe und einer Zigarre oder kurzen
Holzpfeife zwischen den Zähnen. Wovon er in dieser Zeit lebte, das wußte
außer den Göttern und meinem Vater niemand; aber er lebte und wurde eines
Tages auch Doktor der Philosophie, und ich habe später die unumstößliche Ge¬
wißheit aus verschiedenen Papieren in Pfisters Mühle gewonnen, daß dieses
gleichfalls nur unter Mitwisser und Beihilfe meines Vaters und der Unsterb¬
lichen möglich gemacht worden war.

Ich habe seinen Vater gekannt, pflegte mein Vater zu sagen. Der war
ähnlich und ist bis an seinen Tod mein bester Freund gewesen, und es war
schade, schade um ihn! Und wenn er von seines Berufes wegen als Schön¬
färber sich auch die Welt für sein Fortkommen in ihr ein bischen zu hübsch ge¬
färbt hat, so ist doch kein andrer Mensch als er selber und höchstens sein Junge


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[0143] [Abbildung] pfisters Mühle. Wilhelm Raabe. Lin Sommerferienheft von (Fortsetzung.) >?sDjZHD^ W^WM^ GMM^ V«es bekam einen Platz in der Quinta, und mein Vater, der sein ganzes liebes Leben durch in seinen Ansprüchen bescheiden war und ein dankbares Gemüt dazu hatte, begabte, zum Lohn für seinen Erfolg, meinen und seinen Privatgelehrten mit einer so¬ liden silbernen Taschenuhr, welchen höchst überflüssigen Zeit¬ messer Asche bereits gegen Ende des laufenden Mondes nach dem Pfandhause trug und vor dem Ablauf des Jahres für immer gegen „andere Werte und momentan nützlicheres" vertauschte. Daß er so ziemlich um diese Zeit seine Studien, oder wie die Leute (nicht er!) es sonst nannten, vollendete, rufe ich dazu mit einiger Schwierigkeit in die Erinnerung zurück. Was er eigentlich studirt hatte, konnte jkein Mensch recht sagen, er selber vielleicht auch uicht. Naturwissenschaften hieß es offiziell, und mit der Natur stand er freilich auf bestem Fuße, legte sich aber noch lieber an schönen Tagen, so lang er war, in dieselbe hin, mit den Händen unter dem Kopfe und einer Zigarre oder kurzen Holzpfeife zwischen den Zähnen. Wovon er in dieser Zeit lebte, das wußte außer den Göttern und meinem Vater niemand; aber er lebte und wurde eines Tages auch Doktor der Philosophie, und ich habe später die unumstößliche Ge¬ wißheit aus verschiedenen Papieren in Pfisters Mühle gewonnen, daß dieses gleichfalls nur unter Mitwisser und Beihilfe meines Vaters und der Unsterb¬ lichen möglich gemacht worden war. Ich habe seinen Vater gekannt, pflegte mein Vater zu sagen. Der war ähnlich und ist bis an seinen Tod mein bester Freund gewesen, und es war schade, schade um ihn! Und wenn er von seines Berufes wegen als Schön¬ färber sich auch die Welt für sein Fortkommen in ihr ein bischen zu hübsch ge¬ färbt hat, so ist doch kein andrer Mensch als er selber und höchstens sein Junge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/143>, abgerufen am 29.12.2024.