Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Die große Kunstausstellung in Berlin. von Adolf Rosenberg, 2. le Historienmalern oder, allgemeiner gefaßt, die Malerei großen Die große Kunstausstellung in Berlin. von Adolf Rosenberg, 2. le Historienmalern oder, allgemeiner gefaßt, die Malerei großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156890"/> </div> <div n="1"> <head> Die große Kunstausstellung in Berlin.<lb/><note type="byline"> von Adolf Rosenberg,</note> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_2832" next="#ID_2833"> le Historienmalern oder, allgemeiner gefaßt, die Malerei großen<lb/> Stils kann nicht allein dadurch gedeihen, daß man berufenen und<lb/> unberufenen Künstlern große Wandflächen zum Erproben ihrer<lb/> Kräfte anweist. Auch das historische Stasfcleibild will gepflegt<lb/> sein, und an dieser Pflege hat es die preußische Kunstverwaltung<lb/> bisher fehlen lassen. Man sucht sich zwar vor dem Ankauf umfangreicher Hi¬<lb/> storienbilder mit dem Hinweis darauf zu schützen, daß die Räume der National¬<lb/> galerie viel zu beschränkt seien, um große Gemälde aufnehmen zu können, und<lb/> daß man aus Rücksicht auf den Raum lieber sechs Genrebilder ankaufe statt<lb/> eines Historienbildes, womit man zugleich den Neigungen der Mehrzahl der<lb/> Besucher entgegenkommt, welche eine öffentliche Kunstsammlung als ein großes<lb/> Bilderbuch zu betrachten gewohnt sind. Ist der Kuustfonds aber allein für die<lb/> Berliner Nationalgalerie da? Wenn auch nach dem Wortlaute des Gesetzes,<lb/> so doch gewiß nicht nach dem Sinne der Gesetzgeber. Die Verwaltung der<lb/> königlichen Gemäldegalerie im alten Museum hat den Anfang gemacht, aus<lb/> ihren Magazinen, die noch eine Menge wertvoller oder doch interessanter Bilder<lb/> enthalten, eine ziemlich beträchtliche Anzahl auszusondern und an verschiedne<lb/> Provinzialmuseen zu verteilen, damit die großen Summen, welche für die Ver¬<lb/> mehrung der Berliner Kunstsammlungen aufgewendet werden, auch den Steuer¬<lb/> zahlern in den Provinzen zu gute kommen. Bis jetzt sind Aachen, Breslau,<lb/> Kassel und Magdeburg mit derartigen Sendungen bedacht worden. Auch an<lb/> die Direktion der Nationalgalerie ist von Provinzialmuseen ein solches Gesuch<lb/> gestellt worden, und es ist auch der Bescheid gekommen, daß gewisse Bilder aus<lb/> der Nationalgalerie für bestimmte Zeiträume ausgeliehen werden sollen. Das<lb/> sind gewiß sehr erfreuliche Schritte zum Zwecke der Dezentralisation der Kunst<lb/> und des Kunstgenusses, die nur daun ihre ideale Mission erfüllen können, wenn<lb/> sie zum Gemeingut des ganzen Volkes gemacht werden. Aber damit ist noch<lb/> nicht genug gethan. Wenn unsre Kunstverwaltung auch in einem Jahrzehnt<lb/> ungeheure Fortschritte zum Bessern gemacht hat, die wir mit vollster Dankbar¬<lb/> keit anerkennen, so kann sie doch immer noch einiges von Frankreich lernen.<lb/> Wenn die Nationalgalerie keinen Raum mehr für große Historienbilder hat, so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Die große Kunstausstellung in Berlin.
von Adolf Rosenberg, 2.
le Historienmalern oder, allgemeiner gefaßt, die Malerei großen
Stils kann nicht allein dadurch gedeihen, daß man berufenen und
unberufenen Künstlern große Wandflächen zum Erproben ihrer
Kräfte anweist. Auch das historische Stasfcleibild will gepflegt
sein, und an dieser Pflege hat es die preußische Kunstverwaltung
bisher fehlen lassen. Man sucht sich zwar vor dem Ankauf umfangreicher Hi¬
storienbilder mit dem Hinweis darauf zu schützen, daß die Räume der National¬
galerie viel zu beschränkt seien, um große Gemälde aufnehmen zu können, und
daß man aus Rücksicht auf den Raum lieber sechs Genrebilder ankaufe statt
eines Historienbildes, womit man zugleich den Neigungen der Mehrzahl der
Besucher entgegenkommt, welche eine öffentliche Kunstsammlung als ein großes
Bilderbuch zu betrachten gewohnt sind. Ist der Kuustfonds aber allein für die
Berliner Nationalgalerie da? Wenn auch nach dem Wortlaute des Gesetzes,
so doch gewiß nicht nach dem Sinne der Gesetzgeber. Die Verwaltung der
königlichen Gemäldegalerie im alten Museum hat den Anfang gemacht, aus
ihren Magazinen, die noch eine Menge wertvoller oder doch interessanter Bilder
enthalten, eine ziemlich beträchtliche Anzahl auszusondern und an verschiedne
Provinzialmuseen zu verteilen, damit die großen Summen, welche für die Ver¬
mehrung der Berliner Kunstsammlungen aufgewendet werden, auch den Steuer¬
zahlern in den Provinzen zu gute kommen. Bis jetzt sind Aachen, Breslau,
Kassel und Magdeburg mit derartigen Sendungen bedacht worden. Auch an
die Direktion der Nationalgalerie ist von Provinzialmuseen ein solches Gesuch
gestellt worden, und es ist auch der Bescheid gekommen, daß gewisse Bilder aus
der Nationalgalerie für bestimmte Zeiträume ausgeliehen werden sollen. Das
sind gewiß sehr erfreuliche Schritte zum Zwecke der Dezentralisation der Kunst
und des Kunstgenusses, die nur daun ihre ideale Mission erfüllen können, wenn
sie zum Gemeingut des ganzen Volkes gemacht werden. Aber damit ist noch
nicht genug gethan. Wenn unsre Kunstverwaltung auch in einem Jahrzehnt
ungeheure Fortschritte zum Bessern gemacht hat, die wir mit vollster Dankbar¬
keit anerkennen, so kann sie doch immer noch einiges von Frankreich lernen.
Wenn die Nationalgalerie keinen Raum mehr für große Historienbilder hat, so
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