Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin unbekannter Aufsatz Goethes.

lassenen Gemäldesammlung. Nebst einer Vorerinnerung und ausführlichen Be¬
urteilung dreier darin befindlichen Bilder. Herausgegeben von A. W. von Schlegel.
Bonn, gedruckt bei Karl Georgi." (1840, Groß-Oktav, VIII und 36 S.;
die Vorerinnerung wiederabgedruckt in A. W, von Schlegels Werken, heraus¬
gegeben von E. Böcking, IX, S. 372 ff.) Darin heißt es, über das erste und
dritte der drei schätzbarsten Gemälde der Sammlung habe sich unter d'Altorf
Papieren eine ausführliche Untersuchung vorgefunden; über das zweite habe
Goethe schon vor vielen Jahren das Wort geführt. Schlegel läßt die drei Auf¬
sätze wieder abdrucken; der zweite ist "Goethe über ein neuentdecktes Bild des
Correggio 1809" überschrieben und wird dnrch die Anmerkung eingeleitet: "Dieser
Aufsatz stand, zum erstenmale abgedruckt, in der Jenaischen Literaturzeitung, wo
er den Jahrgang 1809 eröffnete. Dort war er unterzeichnet mit den Buch¬
staben W. K. F. (Weimarische Kunstfreunde), unter welcher Andeutung Goethe
für einen Verein zur Aufmunterung talentvoller junger Künstler, den er ge¬
stiftet hatte, das Wort zu führen Pflegte."

Nach Schlegels Worten könnte man freilich glauben, daß dieser alle mit
W. K. F. unterzeichneten Aufsätze für Arbeiten Goethes halte. Das ist aber
zunächst nur Schein. Schlegel hatte lange genug in der Nähe der Weimarischen
Kunstfreunde gelebt und sich oft genug mit Heinrich Meyer, dem zweiten im
Bunde, herumgeschlagen, daß er den verhaßten Meyer in der Firma der Wei¬
marischen Kunstfreunde wohl von Goethe unterscheiden konnte. In seinem jovialen
Alter, in welchem diese Streitigkeiten für ihn in den Hintergrund getreten waren
und sein schriftlicher Ausdruck immer bequemer und lässiger wurde, hält er es
wenigstens nicht mehr für nötig, Heinrich Meyers zu gedenken, und bezeichnet
Goethe überhaupt und im allgemeinen als den Sprecher der Gesellschaft.
Das schließt aber natürlich nicht aus, daß er von dem besprochenen Aufsatze
die Autorschaft Goethes ausdrücklich kannte, und sein Gewährsmann ist kein
andrer gewesen als d'Akkon selbst.

d'Akkon hatte in der Jugend ein unstätes Abenteurer- und Wanderleben
geführt. Er war der Jugendgeliebte Dorothea Veith, das Urbild ihres Roman¬
helden "Florentin," als welches er im Briefwechsel der "Caroline" (I, 245,
258; II, 122) und in den Briefen von Schleiermacher (III, 268) etliche male
erwähnt wird. Einen liebenswürdigen Aventurier nennt ihn Dorothea; "er sieht
ziemlich so aus wie der Sauvage von Rousseaus visvour sur 1'wöAg.lit", der
in die Wälder zurückflieht." In Varnhagens Denkwürdigkeiten ist gleichfalls
von ihm die Rede (IX, 575; II, 122). Mit schönen Kenntnissen auf dem Ge¬
biete der Natur- und Kunstgeschichte, welche er sich auf seinen vielen Reisen er¬
worben hatte, kam er nach Weimar, wo er 1809 bis 1810 im Park von Tiefurt
wohnte und Goethes und Okens Umgang genoß. Der unten abgedruckte Aufsatz
Goethes beginnt mit den Worten: "Das in vorstehendem Kupferstich verkleinert
abgebildete Gemälde von seltener Vortrefflichkeit wurde durch ein günstiges Un-


Lin unbekannter Aufsatz Goethes.

lassenen Gemäldesammlung. Nebst einer Vorerinnerung und ausführlichen Be¬
urteilung dreier darin befindlichen Bilder. Herausgegeben von A. W. von Schlegel.
Bonn, gedruckt bei Karl Georgi." (1840, Groß-Oktav, VIII und 36 S.;
die Vorerinnerung wiederabgedruckt in A. W, von Schlegels Werken, heraus¬
gegeben von E. Böcking, IX, S. 372 ff.) Darin heißt es, über das erste und
dritte der drei schätzbarsten Gemälde der Sammlung habe sich unter d'Altorf
Papieren eine ausführliche Untersuchung vorgefunden; über das zweite habe
Goethe schon vor vielen Jahren das Wort geführt. Schlegel läßt die drei Auf¬
sätze wieder abdrucken; der zweite ist „Goethe über ein neuentdecktes Bild des
Correggio 1809" überschrieben und wird dnrch die Anmerkung eingeleitet: „Dieser
Aufsatz stand, zum erstenmale abgedruckt, in der Jenaischen Literaturzeitung, wo
er den Jahrgang 1809 eröffnete. Dort war er unterzeichnet mit den Buch¬
staben W. K. F. (Weimarische Kunstfreunde), unter welcher Andeutung Goethe
für einen Verein zur Aufmunterung talentvoller junger Künstler, den er ge¬
stiftet hatte, das Wort zu führen Pflegte."

Nach Schlegels Worten könnte man freilich glauben, daß dieser alle mit
W. K. F. unterzeichneten Aufsätze für Arbeiten Goethes halte. Das ist aber
zunächst nur Schein. Schlegel hatte lange genug in der Nähe der Weimarischen
Kunstfreunde gelebt und sich oft genug mit Heinrich Meyer, dem zweiten im
Bunde, herumgeschlagen, daß er den verhaßten Meyer in der Firma der Wei¬
marischen Kunstfreunde wohl von Goethe unterscheiden konnte. In seinem jovialen
Alter, in welchem diese Streitigkeiten für ihn in den Hintergrund getreten waren
und sein schriftlicher Ausdruck immer bequemer und lässiger wurde, hält er es
wenigstens nicht mehr für nötig, Heinrich Meyers zu gedenken, und bezeichnet
Goethe überhaupt und im allgemeinen als den Sprecher der Gesellschaft.
Das schließt aber natürlich nicht aus, daß er von dem besprochenen Aufsatze
die Autorschaft Goethes ausdrücklich kannte, und sein Gewährsmann ist kein
andrer gewesen als d'Akkon selbst.

d'Akkon hatte in der Jugend ein unstätes Abenteurer- und Wanderleben
geführt. Er war der Jugendgeliebte Dorothea Veith, das Urbild ihres Roman¬
helden „Florentin," als welches er im Briefwechsel der „Caroline" (I, 245,
258; II, 122) und in den Briefen von Schleiermacher (III, 268) etliche male
erwähnt wird. Einen liebenswürdigen Aventurier nennt ihn Dorothea; „er sieht
ziemlich so aus wie der Sauvage von Rousseaus visvour sur 1'wöAg.lit«, der
in die Wälder zurückflieht." In Varnhagens Denkwürdigkeiten ist gleichfalls
von ihm die Rede (IX, 575; II, 122). Mit schönen Kenntnissen auf dem Ge¬
biete der Natur- und Kunstgeschichte, welche er sich auf seinen vielen Reisen er¬
worben hatte, kam er nach Weimar, wo er 1809 bis 1810 im Park von Tiefurt
wohnte und Goethes und Okens Umgang genoß. Der unten abgedruckte Aufsatz
Goethes beginnt mit den Worten: „Das in vorstehendem Kupferstich verkleinert
abgebildete Gemälde von seltener Vortrefflichkeit wurde durch ein günstiges Un-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0564" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156835"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin unbekannter Aufsatz Goethes.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2560" prev="#ID_2559"> lassenen Gemäldesammlung. Nebst einer Vorerinnerung und ausführlichen Be¬<lb/>
urteilung dreier darin befindlichen Bilder. Herausgegeben von A. W. von Schlegel.<lb/>
Bonn, gedruckt bei Karl Georgi." (1840, Groß-Oktav, VIII und 36 S.;<lb/>
die Vorerinnerung wiederabgedruckt in A. W, von Schlegels Werken, heraus¬<lb/>
gegeben von E. Böcking, IX, S. 372 ff.) Darin heißt es, über das erste und<lb/>
dritte der drei schätzbarsten Gemälde der Sammlung habe sich unter d'Altorf<lb/>
Papieren eine ausführliche Untersuchung vorgefunden; über das zweite habe<lb/>
Goethe schon vor vielen Jahren das Wort geführt. Schlegel läßt die drei Auf¬<lb/>
sätze wieder abdrucken; der zweite ist &#x201E;Goethe über ein neuentdecktes Bild des<lb/>
Correggio 1809" überschrieben und wird dnrch die Anmerkung eingeleitet: &#x201E;Dieser<lb/>
Aufsatz stand, zum erstenmale abgedruckt, in der Jenaischen Literaturzeitung, wo<lb/>
er den Jahrgang 1809 eröffnete. Dort war er unterzeichnet mit den Buch¬<lb/>
staben W. K. F. (Weimarische Kunstfreunde), unter welcher Andeutung Goethe<lb/>
für einen Verein zur Aufmunterung talentvoller junger Künstler, den er ge¬<lb/>
stiftet hatte, das Wort zu führen Pflegte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2561"> Nach Schlegels Worten könnte man freilich glauben, daß dieser alle mit<lb/>
W. K. F. unterzeichneten Aufsätze für Arbeiten Goethes halte. Das ist aber<lb/>
zunächst nur Schein. Schlegel hatte lange genug in der Nähe der Weimarischen<lb/>
Kunstfreunde gelebt und sich oft genug mit Heinrich Meyer, dem zweiten im<lb/>
Bunde, herumgeschlagen, daß er den verhaßten Meyer in der Firma der Wei¬<lb/>
marischen Kunstfreunde wohl von Goethe unterscheiden konnte. In seinem jovialen<lb/>
Alter, in welchem diese Streitigkeiten für ihn in den Hintergrund getreten waren<lb/>
und sein schriftlicher Ausdruck immer bequemer und lässiger wurde, hält er es<lb/>
wenigstens nicht mehr für nötig, Heinrich Meyers zu gedenken, und bezeichnet<lb/>
Goethe überhaupt und im allgemeinen als den Sprecher der Gesellschaft.<lb/>
Das schließt aber natürlich nicht aus, daß er von dem besprochenen Aufsatze<lb/>
die Autorschaft Goethes ausdrücklich kannte, und sein Gewährsmann ist kein<lb/>
andrer gewesen als d'Akkon selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2562" next="#ID_2563"> d'Akkon hatte in der Jugend ein unstätes Abenteurer- und Wanderleben<lb/>
geführt. Er war der Jugendgeliebte Dorothea Veith, das Urbild ihres Roman¬<lb/>
helden &#x201E;Florentin," als welches er im Briefwechsel der &#x201E;Caroline" (I, 245,<lb/>
258; II, 122) und in den Briefen von Schleiermacher (III, 268) etliche male<lb/>
erwähnt wird. Einen liebenswürdigen Aventurier nennt ihn Dorothea; &#x201E;er sieht<lb/>
ziemlich so aus wie der Sauvage von Rousseaus visvour sur 1'wöAg.lit«, der<lb/>
in die Wälder zurückflieht." In Varnhagens Denkwürdigkeiten ist gleichfalls<lb/>
von ihm die Rede (IX, 575; II, 122). Mit schönen Kenntnissen auf dem Ge¬<lb/>
biete der Natur- und Kunstgeschichte, welche er sich auf seinen vielen Reisen er¬<lb/>
worben hatte, kam er nach Weimar, wo er 1809 bis 1810 im Park von Tiefurt<lb/>
wohnte und Goethes und Okens Umgang genoß. Der unten abgedruckte Aufsatz<lb/>
Goethes beginnt mit den Worten: &#x201E;Das in vorstehendem Kupferstich verkleinert<lb/>
abgebildete Gemälde von seltener Vortrefflichkeit wurde durch ein günstiges Un-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0564] Lin unbekannter Aufsatz Goethes. lassenen Gemäldesammlung. Nebst einer Vorerinnerung und ausführlichen Be¬ urteilung dreier darin befindlichen Bilder. Herausgegeben von A. W. von Schlegel. Bonn, gedruckt bei Karl Georgi." (1840, Groß-Oktav, VIII und 36 S.; die Vorerinnerung wiederabgedruckt in A. W, von Schlegels Werken, heraus¬ gegeben von E. Böcking, IX, S. 372 ff.) Darin heißt es, über das erste und dritte der drei schätzbarsten Gemälde der Sammlung habe sich unter d'Altorf Papieren eine ausführliche Untersuchung vorgefunden; über das zweite habe Goethe schon vor vielen Jahren das Wort geführt. Schlegel läßt die drei Auf¬ sätze wieder abdrucken; der zweite ist „Goethe über ein neuentdecktes Bild des Correggio 1809" überschrieben und wird dnrch die Anmerkung eingeleitet: „Dieser Aufsatz stand, zum erstenmale abgedruckt, in der Jenaischen Literaturzeitung, wo er den Jahrgang 1809 eröffnete. Dort war er unterzeichnet mit den Buch¬ staben W. K. F. (Weimarische Kunstfreunde), unter welcher Andeutung Goethe für einen Verein zur Aufmunterung talentvoller junger Künstler, den er ge¬ stiftet hatte, das Wort zu führen Pflegte." Nach Schlegels Worten könnte man freilich glauben, daß dieser alle mit W. K. F. unterzeichneten Aufsätze für Arbeiten Goethes halte. Das ist aber zunächst nur Schein. Schlegel hatte lange genug in der Nähe der Weimarischen Kunstfreunde gelebt und sich oft genug mit Heinrich Meyer, dem zweiten im Bunde, herumgeschlagen, daß er den verhaßten Meyer in der Firma der Wei¬ marischen Kunstfreunde wohl von Goethe unterscheiden konnte. In seinem jovialen Alter, in welchem diese Streitigkeiten für ihn in den Hintergrund getreten waren und sein schriftlicher Ausdruck immer bequemer und lässiger wurde, hält er es wenigstens nicht mehr für nötig, Heinrich Meyers zu gedenken, und bezeichnet Goethe überhaupt und im allgemeinen als den Sprecher der Gesellschaft. Das schließt aber natürlich nicht aus, daß er von dem besprochenen Aufsatze die Autorschaft Goethes ausdrücklich kannte, und sein Gewährsmann ist kein andrer gewesen als d'Akkon selbst. d'Akkon hatte in der Jugend ein unstätes Abenteurer- und Wanderleben geführt. Er war der Jugendgeliebte Dorothea Veith, das Urbild ihres Roman¬ helden „Florentin," als welches er im Briefwechsel der „Caroline" (I, 245, 258; II, 122) und in den Briefen von Schleiermacher (III, 268) etliche male erwähnt wird. Einen liebenswürdigen Aventurier nennt ihn Dorothea; „er sieht ziemlich so aus wie der Sauvage von Rousseaus visvour sur 1'wöAg.lit«, der in die Wälder zurückflieht." In Varnhagens Denkwürdigkeiten ist gleichfalls von ihm die Rede (IX, 575; II, 122). Mit schönen Kenntnissen auf dem Ge¬ biete der Natur- und Kunstgeschichte, welche er sich auf seinen vielen Reisen er¬ worben hatte, kam er nach Weimar, wo er 1809 bis 1810 im Park von Tiefurt wohnte und Goethes und Okens Umgang genoß. Der unten abgedruckte Aufsatz Goethes beginnt mit den Worten: „Das in vorstehendem Kupferstich verkleinert abgebildete Gemälde von seltener Vortrefflichkeit wurde durch ein günstiges Un-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/564
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/564>, abgerufen am 27.06.2024.