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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Ein Beitrag zur Grundsteuerfrage.

dem Papier anzueignen, lediglich um jener die Lebensluft abzuschneiden, ihre
Ausdehnung unmöglich zu machen und ihr das Hinterland zu versperren. Glad-
stone wird sichs. wenn sein Haß und seine Mißgunst gegen Deutschland seinen
Verstand nicht völlig verdunkelt haben, überlegen, ob er in diesem Stile fort¬
fahren und die Beschlüsse des lapländischen Parlaments gutheißen soll. Ohne
ausdrückliche Gutheißung seinerseits sind sie selbstverständlich null und nichtig,
höchstens ein neuer Beweis für die Doppelzüngigkeit der jetzt in London am
Ruder befindlichen Staatsmänner und für ihre Neigung, in allen Verhandlungen
mit festländischen Mächten krumme Wege einzuschlagen -- eine Neigung, die wir
der französischen Kolonialpolitik gegenüber in der letzten Zeit sattsam zu be¬
obachten Gelegenheit hatten. Das englische Mutterland mag seinen^ Kolonien
in innern Angelegenheiten die freieste Bewegung gestatten, aber eine Selbständig¬
keit nach außen hin haben sie nicht, und erlauben sie sich Annexionen, die andre
Staaten beeinträchtigen, so überschreiten sie ihre Befugnis. Die Regierung
daheim allein ist dafür verantwortlich.

Wir empfehlen diesen Rückblick mit der Frage, ob Deutschland irgendwelchen
Anlaß hat, die englische Politik in den jetzt auf der Tagesordnung befindlichen
Angelegenheiten mit besonderm Eifer zu unterstützen? Es ist nicht unwahr¬
scheinlich, daß diese Frage uns in kurzer Zeit noch nähertreten und uns ernst¬
licher beschäftigen wird als heute.




Gin Veitrag zur Grundsteuerfrage.

ekanntlich wird von fortschrittlicher Seite die Natur der Grund¬
steuer als einer "Neallast" daraus hergeleitet, daß die Auflegung
der Grundsteuer sich allerdings als eine Art einmaliger Ver-
mögenskonfiskation darstelle, daß aber diese Konfiskation nur
den damaligen Eigentümer betroffen habe und von jedem folgenden,
also auch von dem jetzigen bei der Übernahme schon berücksichtigt worden sei,
sodaß eine ganze oder teilweise Wiederaufhebung ein "ungerechtfertigtes Geschenk
"n den zufälligen jetzigen Besitzer" sein würde.

Diese ganze Argumentation scheint uns nun an und für sich eine fehr
fadenscheinige zu sein. Denn es ist, wie uns bedünken will, durchaus nicht
abzusehen, warum nicht ebensogut dem jetzigen "zufälligen Eigentümer" ein
Geschenk gemacht werden soll, wie dem damaligen "zufälligen Eigentümer" ein
Teil seines Besitzes konfiszirt wurde. Der Boden ist doch da, er soll bebaut


Ein Beitrag zur Grundsteuerfrage.

dem Papier anzueignen, lediglich um jener die Lebensluft abzuschneiden, ihre
Ausdehnung unmöglich zu machen und ihr das Hinterland zu versperren. Glad-
stone wird sichs. wenn sein Haß und seine Mißgunst gegen Deutschland seinen
Verstand nicht völlig verdunkelt haben, überlegen, ob er in diesem Stile fort¬
fahren und die Beschlüsse des lapländischen Parlaments gutheißen soll. Ohne
ausdrückliche Gutheißung seinerseits sind sie selbstverständlich null und nichtig,
höchstens ein neuer Beweis für die Doppelzüngigkeit der jetzt in London am
Ruder befindlichen Staatsmänner und für ihre Neigung, in allen Verhandlungen
mit festländischen Mächten krumme Wege einzuschlagen — eine Neigung, die wir
der französischen Kolonialpolitik gegenüber in der letzten Zeit sattsam zu be¬
obachten Gelegenheit hatten. Das englische Mutterland mag seinen^ Kolonien
in innern Angelegenheiten die freieste Bewegung gestatten, aber eine Selbständig¬
keit nach außen hin haben sie nicht, und erlauben sie sich Annexionen, die andre
Staaten beeinträchtigen, so überschreiten sie ihre Befugnis. Die Regierung
daheim allein ist dafür verantwortlich.

Wir empfehlen diesen Rückblick mit der Frage, ob Deutschland irgendwelchen
Anlaß hat, die englische Politik in den jetzt auf der Tagesordnung befindlichen
Angelegenheiten mit besonderm Eifer zu unterstützen? Es ist nicht unwahr¬
scheinlich, daß diese Frage uns in kurzer Zeit noch nähertreten und uns ernst¬
licher beschäftigen wird als heute.




Gin Veitrag zur Grundsteuerfrage.

ekanntlich wird von fortschrittlicher Seite die Natur der Grund¬
steuer als einer „Neallast" daraus hergeleitet, daß die Auflegung
der Grundsteuer sich allerdings als eine Art einmaliger Ver-
mögenskonfiskation darstelle, daß aber diese Konfiskation nur
den damaligen Eigentümer betroffen habe und von jedem folgenden,
also auch von dem jetzigen bei der Übernahme schon berücksichtigt worden sei,
sodaß eine ganze oder teilweise Wiederaufhebung ein „ungerechtfertigtes Geschenk
»n den zufälligen jetzigen Besitzer" sein würde.

Diese ganze Argumentation scheint uns nun an und für sich eine fehr
fadenscheinige zu sein. Denn es ist, wie uns bedünken will, durchaus nicht
abzusehen, warum nicht ebensogut dem jetzigen „zufälligen Eigentümer" ein
Geschenk gemacht werden soll, wie dem damaligen „zufälligen Eigentümer" ein
Teil seines Besitzes konfiszirt wurde. Der Boden ist doch da, er soll bebaut


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[0559] Ein Beitrag zur Grundsteuerfrage. dem Papier anzueignen, lediglich um jener die Lebensluft abzuschneiden, ihre Ausdehnung unmöglich zu machen und ihr das Hinterland zu versperren. Glad- stone wird sichs. wenn sein Haß und seine Mißgunst gegen Deutschland seinen Verstand nicht völlig verdunkelt haben, überlegen, ob er in diesem Stile fort¬ fahren und die Beschlüsse des lapländischen Parlaments gutheißen soll. Ohne ausdrückliche Gutheißung seinerseits sind sie selbstverständlich null und nichtig, höchstens ein neuer Beweis für die Doppelzüngigkeit der jetzt in London am Ruder befindlichen Staatsmänner und für ihre Neigung, in allen Verhandlungen mit festländischen Mächten krumme Wege einzuschlagen — eine Neigung, die wir der französischen Kolonialpolitik gegenüber in der letzten Zeit sattsam zu be¬ obachten Gelegenheit hatten. Das englische Mutterland mag seinen^ Kolonien in innern Angelegenheiten die freieste Bewegung gestatten, aber eine Selbständig¬ keit nach außen hin haben sie nicht, und erlauben sie sich Annexionen, die andre Staaten beeinträchtigen, so überschreiten sie ihre Befugnis. Die Regierung daheim allein ist dafür verantwortlich. Wir empfehlen diesen Rückblick mit der Frage, ob Deutschland irgendwelchen Anlaß hat, die englische Politik in den jetzt auf der Tagesordnung befindlichen Angelegenheiten mit besonderm Eifer zu unterstützen? Es ist nicht unwahr¬ scheinlich, daß diese Frage uns in kurzer Zeit noch nähertreten und uns ernst¬ licher beschäftigen wird als heute. Gin Veitrag zur Grundsteuerfrage. ekanntlich wird von fortschrittlicher Seite die Natur der Grund¬ steuer als einer „Neallast" daraus hergeleitet, daß die Auflegung der Grundsteuer sich allerdings als eine Art einmaliger Ver- mögenskonfiskation darstelle, daß aber diese Konfiskation nur den damaligen Eigentümer betroffen habe und von jedem folgenden, also auch von dem jetzigen bei der Übernahme schon berücksichtigt worden sei, sodaß eine ganze oder teilweise Wiederaufhebung ein „ungerechtfertigtes Geschenk »n den zufälligen jetzigen Besitzer" sein würde. Diese ganze Argumentation scheint uns nun an und für sich eine fehr fadenscheinige zu sein. Denn es ist, wie uns bedünken will, durchaus nicht abzusehen, warum nicht ebensogut dem jetzigen „zufälligen Eigentümer" ein Geschenk gemacht werden soll, wie dem damaligen „zufälligen Eigentümer" ein Teil seines Besitzes konfiszirt wurde. Der Boden ist doch da, er soll bebaut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/559>, abgerufen am 27.06.2024.