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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Englische Politik und deutsche Interessen.

hätte wenigstens gehofft, daß der nördliche Teil Schleswigs bei Dänemark
gelassen werden würde. . . Von Billigkeit und Mäßigung kann nach Lage der
Sache nicht die Rede sein. Die Regierung Ihrer Majestät blickt mit Sorge
auf das Geschick der Herzogtümer ^soll. die nun am Ende mit ihren Häfen
preußisch werden könnten^. Sie wünscht die Forderungen der Bevölkerung bei
der Wahl des künftigen Herrschers ^die nun erst für die englische Politik existirten,
weil sie jetzt gegen Preußen und das deutsche Interesse gerichtet waren^ berück¬
sichtigt und freie konstitutionelle Einrichtungen für die Herzogtümer bewilligt
zu sehen. Nur auf diesem Wege kann sie hoffen, die Ruhe Europas und das
Wohl der Herzogtümer gesichert zu sehen."

Man sieht, Heuchelei und Mißwollen gegen Preußen bis zum letzten
Augenblick. Jene Hoffnungen und Wünsche gingen 1866 wie die früheren in
die Brüche, ohne daß das Wohl der Herzogtümer, welches der englischen Politik
angeblich so sehr am Herzen lag, irgend Schaden gelitten hätte.

Was hatte Deutschland während des letzten Krieges mit Frankreich der
englischen Politik zu verdanken^? Der ZtMäarä, ein Organ der Konservativen,
das aber in auswärtigen Fragen gelegentlich auch für Gladstone und seine
Kollegen das Wort ergreift, hat die Behauptung aufgestellt, "ohne die Freund¬
schaft Englands für Deutschland im Jahre 1871 würden Elsaß und Lothringen
im gegenwärtigen Augenblicke französisches Gebiet sein, und ohne diese Freund¬
schaft würden Elsaß und Lothringen Wohl wieder französisches Gebiet werden."
Die Hundstagshitze war groß, als dies geschrieben wurde, sonst wäre eine solche
Äußerung von .Hirnverbranntheit nicht zu erklären gewesen. Lothar Bucher
sagt in seiner Schrift: "Der Parlamentarismus, wie er ist" (S. 131) von der
Partei Gladstones, die damals wie heute die Politik Großbritanniens bestimmte:
"So lange und so oft diese Clique eine Stimme im Rate von England hat, haben
die Völker des Festlandes sich bitterer Feindschaft zu versehen, und der theo¬
logische Haß, der einem ihrer Redner in Augenblicken einen ranbtierähnlichen
Ausdruck verleiht, ruht auf keinem Volke stetiger und unversöhnlicher als auf
dem deutschen, von dem man die neue schöpferische Idee erwartet." Rechnen
wir zu diesem Hasse noch die geringe Umsicht und die Unentschlossenheit, welche
diese Neupeeliten immer bekunden, wenn es sich in der auswärtigen Politik
Englands um Thaten handelt, so wird jene Äußerung des LtMclarä von vorn¬
herein als völlig unglaubwürdig erscheinen. Aber auch die Geschichte spricht
mit einer Reihe von Thatsachen gegen sie: England hat uns zwar während des
Krieges in einem Teile seiner Presse Sympathie bewiesen und einige seiner
hervorragenden Männer, Carlyle und John Stuart Mill z. B., redeten unserm
guten Rechte mit Entschiedenheit das Wort; seine Regierung aber hat in dieser
Zeit nicht das mindeste für, wohl aber mancherlei gegen uns gethan, und was
Elsaß und Lothringen'betrifft, so kann man mit voller Sicherheit sagen: hätte sie
/ ernstlich darein zureden gehabt, so besäße Deutschland diese Landstriche heute nicht.


Grenzboten III. 1334. 69
Englische Politik und deutsche Interessen.

hätte wenigstens gehofft, daß der nördliche Teil Schleswigs bei Dänemark
gelassen werden würde. . . Von Billigkeit und Mäßigung kann nach Lage der
Sache nicht die Rede sein. Die Regierung Ihrer Majestät blickt mit Sorge
auf das Geschick der Herzogtümer ^soll. die nun am Ende mit ihren Häfen
preußisch werden könnten^. Sie wünscht die Forderungen der Bevölkerung bei
der Wahl des künftigen Herrschers ^die nun erst für die englische Politik existirten,
weil sie jetzt gegen Preußen und das deutsche Interesse gerichtet waren^ berück¬
sichtigt und freie konstitutionelle Einrichtungen für die Herzogtümer bewilligt
zu sehen. Nur auf diesem Wege kann sie hoffen, die Ruhe Europas und das
Wohl der Herzogtümer gesichert zu sehen."

Man sieht, Heuchelei und Mißwollen gegen Preußen bis zum letzten
Augenblick. Jene Hoffnungen und Wünsche gingen 1866 wie die früheren in
die Brüche, ohne daß das Wohl der Herzogtümer, welches der englischen Politik
angeblich so sehr am Herzen lag, irgend Schaden gelitten hätte.

Was hatte Deutschland während des letzten Krieges mit Frankreich der
englischen Politik zu verdanken^? Der ZtMäarä, ein Organ der Konservativen,
das aber in auswärtigen Fragen gelegentlich auch für Gladstone und seine
Kollegen das Wort ergreift, hat die Behauptung aufgestellt, „ohne die Freund¬
schaft Englands für Deutschland im Jahre 1871 würden Elsaß und Lothringen
im gegenwärtigen Augenblicke französisches Gebiet sein, und ohne diese Freund¬
schaft würden Elsaß und Lothringen Wohl wieder französisches Gebiet werden."
Die Hundstagshitze war groß, als dies geschrieben wurde, sonst wäre eine solche
Äußerung von .Hirnverbranntheit nicht zu erklären gewesen. Lothar Bucher
sagt in seiner Schrift: „Der Parlamentarismus, wie er ist" (S. 131) von der
Partei Gladstones, die damals wie heute die Politik Großbritanniens bestimmte:
„So lange und so oft diese Clique eine Stimme im Rate von England hat, haben
die Völker des Festlandes sich bitterer Feindschaft zu versehen, und der theo¬
logische Haß, der einem ihrer Redner in Augenblicken einen ranbtierähnlichen
Ausdruck verleiht, ruht auf keinem Volke stetiger und unversöhnlicher als auf
dem deutschen, von dem man die neue schöpferische Idee erwartet." Rechnen
wir zu diesem Hasse noch die geringe Umsicht und die Unentschlossenheit, welche
diese Neupeeliten immer bekunden, wenn es sich in der auswärtigen Politik
Englands um Thaten handelt, so wird jene Äußerung des LtMclarä von vorn¬
herein als völlig unglaubwürdig erscheinen. Aber auch die Geschichte spricht
mit einer Reihe von Thatsachen gegen sie: England hat uns zwar während des
Krieges in einem Teile seiner Presse Sympathie bewiesen und einige seiner
hervorragenden Männer, Carlyle und John Stuart Mill z. B., redeten unserm
guten Rechte mit Entschiedenheit das Wort; seine Regierung aber hat in dieser
Zeit nicht das mindeste für, wohl aber mancherlei gegen uns gethan, und was
Elsaß und Lothringen'betrifft, so kann man mit voller Sicherheit sagen: hätte sie
/ ernstlich darein zureden gehabt, so besäße Deutschland diese Landstriche heute nicht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/553>, abgerufen am 28.09.2024.