Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Zur Ermittlung der Ertragsverhältnisse wurden stets zwei Berechnungen
aufgestellt, nämlich erstens eine Haushaltsberechnung, welche für den einzelnen
Wirtschafter den eignen Natural- und Geldverbrauch feststellt und durch Ver-
gleichung des letztern mit den Baareinnahmcn aus verkauften Naturalien die
zu freier, Verfügung verbleibenden Überschüsse ermittelt, und zweitens eine
Rentabilitätsberechnuug, welche, indem sie dem Wert der gewonnenen Natural-
erzeugnisse die Bcwirtschaftungskosten (Gehalt für den Wirtschafter und Beträge
für Verzinsung und Tilgung des lebenden und toten Inventars inbegriffen)
gegenüberstellt, die mittlere Verzinsung des gesamten Licgenschaftsbesitzes oder
die Grundrente in weiterem Sinne feststellt.

Da in den meisten bäuerlichen Wirtschaften so eingehende Aufzeichnungen
sich nicht vorfinden, daß man durchweg mit wirklichen Zahlen rechnen könnte
und nicht vielfach fingirte Zahlen einsetzen müßte, und da es ferner fraglich
ist, wieweit der als Liegenschaftswert eingesetzte Steuerkapitalwert dem wirk¬
lichen Werte entspricht, so dürfen die aufgestellten Berechnungen, wie die zu¬
sammenfassende Darstellung selbst ausführt, nur auf annähernde Richtigkeit
Anspruch erheben. Sie sind jedoch augenscheinlich mit solcher Sorgfalt angefertigt,
daß wir sie gern als mustergiltig anerkennen. Besonders dankenswert sind
die dein vierten Bande des Erhebungswerkes als Beilagen einverleibten tabel¬
larischen Zusammenstellungen des gesamten Zahlenmaterials, welche allein schon
hinreichen würden, dem aufmerksamen Leser ein ziemlich zutreffendes Bild des
Zustandes der Landwirtschaft in Baden zu geben, zumal, da überall, wo im
einzelnen Falle besondre Umstände auf die Gestaltung der Verhältnisse eingewirkt
haben, durch Anmerkungen die nötige Erläuterung gegeben wird. Leider ver¬
bietet uns der Raum, auf die Einzelheiten der Berechnungen näher einzugehen.
Ebensowenig würde es möglich oder zweckmäßig sein, hier Durchschnittszahlen
zu geben, da der eine der einer Berechnung unterzogenen Betriebe für eine größere,
der andre für eine geringe Zahl von Wirtschaften typisch ist. Wir müssen uns
begnügen, zu erwähnen, daß die Grundrente meist außerordentlich geringfügig
ist, und daß sich in vielen Fällen eine solche überhaupt nicht ergiebt.

Wünschen möchten wir, daß so reichliches Material, wie es in den ge¬
nannten Tabellen geboten ist, nicht nur für Baden, sondern für alle Bundes¬
staaten vorlüge. Es wäre dann eher zu hoffen, daß die Reichshilfe, welche wir
schon auf verschiedenen Gebieten als erstrebenswert bezeichnet haben, der Land¬
wirtschaft zuteil würde.

Die Schlußfolgerungen, welche die Darstellung der Erhebungen aus den
Haushalts- und Rentabilitätsberechnungen zieht, gipfeln darin, daß allerdings
die Produktivität des Bodens gesunken sei, weil die Steigerung der Roherträg-
uisse mit der Steigerung der Betriebskosten nicht Schritt gehalten habe, daß
aber doch der Grund und Boden die wichtige Eigenschaft, reproduktiv zu sein,
nicht völlig verloren habe. Die "Darstellung" nennt dies eins der wichtigsten
Ergebnisse der Erhebungen.


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Zur Ermittlung der Ertragsverhältnisse wurden stets zwei Berechnungen
aufgestellt, nämlich erstens eine Haushaltsberechnung, welche für den einzelnen
Wirtschafter den eignen Natural- und Geldverbrauch feststellt und durch Ver-
gleichung des letztern mit den Baareinnahmcn aus verkauften Naturalien die
zu freier, Verfügung verbleibenden Überschüsse ermittelt, und zweitens eine
Rentabilitätsberechnuug, welche, indem sie dem Wert der gewonnenen Natural-
erzeugnisse die Bcwirtschaftungskosten (Gehalt für den Wirtschafter und Beträge
für Verzinsung und Tilgung des lebenden und toten Inventars inbegriffen)
gegenüberstellt, die mittlere Verzinsung des gesamten Licgenschaftsbesitzes oder
die Grundrente in weiterem Sinne feststellt.

Da in den meisten bäuerlichen Wirtschaften so eingehende Aufzeichnungen
sich nicht vorfinden, daß man durchweg mit wirklichen Zahlen rechnen könnte
und nicht vielfach fingirte Zahlen einsetzen müßte, und da es ferner fraglich
ist, wieweit der als Liegenschaftswert eingesetzte Steuerkapitalwert dem wirk¬
lichen Werte entspricht, so dürfen die aufgestellten Berechnungen, wie die zu¬
sammenfassende Darstellung selbst ausführt, nur auf annähernde Richtigkeit
Anspruch erheben. Sie sind jedoch augenscheinlich mit solcher Sorgfalt angefertigt,
daß wir sie gern als mustergiltig anerkennen. Besonders dankenswert sind
die dein vierten Bande des Erhebungswerkes als Beilagen einverleibten tabel¬
larischen Zusammenstellungen des gesamten Zahlenmaterials, welche allein schon
hinreichen würden, dem aufmerksamen Leser ein ziemlich zutreffendes Bild des
Zustandes der Landwirtschaft in Baden zu geben, zumal, da überall, wo im
einzelnen Falle besondre Umstände auf die Gestaltung der Verhältnisse eingewirkt
haben, durch Anmerkungen die nötige Erläuterung gegeben wird. Leider ver¬
bietet uns der Raum, auf die Einzelheiten der Berechnungen näher einzugehen.
Ebensowenig würde es möglich oder zweckmäßig sein, hier Durchschnittszahlen
zu geben, da der eine der einer Berechnung unterzogenen Betriebe für eine größere,
der andre für eine geringe Zahl von Wirtschaften typisch ist. Wir müssen uns
begnügen, zu erwähnen, daß die Grundrente meist außerordentlich geringfügig
ist, und daß sich in vielen Fällen eine solche überhaupt nicht ergiebt.

Wünschen möchten wir, daß so reichliches Material, wie es in den ge¬
nannten Tabellen geboten ist, nicht nur für Baden, sondern für alle Bundes¬
staaten vorlüge. Es wäre dann eher zu hoffen, daß die Reichshilfe, welche wir
schon auf verschiedenen Gebieten als erstrebenswert bezeichnet haben, der Land¬
wirtschaft zuteil würde.

Die Schlußfolgerungen, welche die Darstellung der Erhebungen aus den
Haushalts- und Rentabilitätsberechnungen zieht, gipfeln darin, daß allerdings
die Produktivität des Bodens gesunken sei, weil die Steigerung der Roherträg-
uisse mit der Steigerung der Betriebskosten nicht Schritt gehalten habe, daß
aber doch der Grund und Boden die wichtige Eigenschaft, reproduktiv zu sein,
nicht völlig verloren habe. Die „Darstellung" nennt dies eins der wichtigsten
Ergebnisse der Erhebungen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156781"/>
            <fw type="header" place="top"> Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2314"> Zur Ermittlung der Ertragsverhältnisse wurden stets zwei Berechnungen<lb/>
aufgestellt, nämlich erstens eine Haushaltsberechnung, welche für den einzelnen<lb/>
Wirtschafter den eignen Natural- und Geldverbrauch feststellt und durch Ver-<lb/>
gleichung des letztern mit den Baareinnahmcn aus verkauften Naturalien die<lb/>
zu freier, Verfügung verbleibenden Überschüsse ermittelt, und zweitens eine<lb/>
Rentabilitätsberechnuug, welche, indem sie dem Wert der gewonnenen Natural-<lb/>
erzeugnisse die Bcwirtschaftungskosten (Gehalt für den Wirtschafter und Beträge<lb/>
für Verzinsung und Tilgung des lebenden und toten Inventars inbegriffen)<lb/>
gegenüberstellt, die mittlere Verzinsung des gesamten Licgenschaftsbesitzes oder<lb/>
die Grundrente in weiterem Sinne feststellt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2315"> Da in den meisten bäuerlichen Wirtschaften so eingehende Aufzeichnungen<lb/>
sich nicht vorfinden, daß man durchweg mit wirklichen Zahlen rechnen könnte<lb/>
und nicht vielfach fingirte Zahlen einsetzen müßte, und da es ferner fraglich<lb/>
ist, wieweit der als Liegenschaftswert eingesetzte Steuerkapitalwert dem wirk¬<lb/>
lichen Werte entspricht, so dürfen die aufgestellten Berechnungen, wie die zu¬<lb/>
sammenfassende Darstellung selbst ausführt, nur auf annähernde Richtigkeit<lb/>
Anspruch erheben. Sie sind jedoch augenscheinlich mit solcher Sorgfalt angefertigt,<lb/>
daß wir sie gern als mustergiltig anerkennen. Besonders dankenswert sind<lb/>
die dein vierten Bande des Erhebungswerkes als Beilagen einverleibten tabel¬<lb/>
larischen Zusammenstellungen des gesamten Zahlenmaterials, welche allein schon<lb/>
hinreichen würden, dem aufmerksamen Leser ein ziemlich zutreffendes Bild des<lb/>
Zustandes der Landwirtschaft in Baden zu geben, zumal, da überall, wo im<lb/>
einzelnen Falle besondre Umstände auf die Gestaltung der Verhältnisse eingewirkt<lb/>
haben, durch Anmerkungen die nötige Erläuterung gegeben wird. Leider ver¬<lb/>
bietet uns der Raum, auf die Einzelheiten der Berechnungen näher einzugehen.<lb/>
Ebensowenig würde es möglich oder zweckmäßig sein, hier Durchschnittszahlen<lb/>
zu geben, da der eine der einer Berechnung unterzogenen Betriebe für eine größere,<lb/>
der andre für eine geringe Zahl von Wirtschaften typisch ist. Wir müssen uns<lb/>
begnügen, zu erwähnen, daß die Grundrente meist außerordentlich geringfügig<lb/>
ist, und daß sich in vielen Fällen eine solche überhaupt nicht ergiebt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2316"> Wünschen möchten wir, daß so reichliches Material, wie es in den ge¬<lb/>
nannten Tabellen geboten ist, nicht nur für Baden, sondern für alle Bundes¬<lb/>
staaten vorlüge. Es wäre dann eher zu hoffen, daß die Reichshilfe, welche wir<lb/>
schon auf verschiedenen Gebieten als erstrebenswert bezeichnet haben, der Land¬<lb/>
wirtschaft zuteil würde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2317"> Die Schlußfolgerungen, welche die Darstellung der Erhebungen aus den<lb/>
Haushalts- und Rentabilitätsberechnungen zieht, gipfeln darin, daß allerdings<lb/>
die Produktivität des Bodens gesunken sei, weil die Steigerung der Roherträg-<lb/>
uisse mit der Steigerung der Betriebskosten nicht Schritt gehalten habe, daß<lb/>
aber doch der Grund und Boden die wichtige Eigenschaft, reproduktiv zu sein,<lb/>
nicht völlig verloren habe. Die &#x201E;Darstellung" nennt dies eins der wichtigsten<lb/>
Ergebnisse der Erhebungen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. Zur Ermittlung der Ertragsverhältnisse wurden stets zwei Berechnungen aufgestellt, nämlich erstens eine Haushaltsberechnung, welche für den einzelnen Wirtschafter den eignen Natural- und Geldverbrauch feststellt und durch Ver- gleichung des letztern mit den Baareinnahmcn aus verkauften Naturalien die zu freier, Verfügung verbleibenden Überschüsse ermittelt, und zweitens eine Rentabilitätsberechnuug, welche, indem sie dem Wert der gewonnenen Natural- erzeugnisse die Bcwirtschaftungskosten (Gehalt für den Wirtschafter und Beträge für Verzinsung und Tilgung des lebenden und toten Inventars inbegriffen) gegenüberstellt, die mittlere Verzinsung des gesamten Licgenschaftsbesitzes oder die Grundrente in weiterem Sinne feststellt. Da in den meisten bäuerlichen Wirtschaften so eingehende Aufzeichnungen sich nicht vorfinden, daß man durchweg mit wirklichen Zahlen rechnen könnte und nicht vielfach fingirte Zahlen einsetzen müßte, und da es ferner fraglich ist, wieweit der als Liegenschaftswert eingesetzte Steuerkapitalwert dem wirk¬ lichen Werte entspricht, so dürfen die aufgestellten Berechnungen, wie die zu¬ sammenfassende Darstellung selbst ausführt, nur auf annähernde Richtigkeit Anspruch erheben. Sie sind jedoch augenscheinlich mit solcher Sorgfalt angefertigt, daß wir sie gern als mustergiltig anerkennen. Besonders dankenswert sind die dein vierten Bande des Erhebungswerkes als Beilagen einverleibten tabel¬ larischen Zusammenstellungen des gesamten Zahlenmaterials, welche allein schon hinreichen würden, dem aufmerksamen Leser ein ziemlich zutreffendes Bild des Zustandes der Landwirtschaft in Baden zu geben, zumal, da überall, wo im einzelnen Falle besondre Umstände auf die Gestaltung der Verhältnisse eingewirkt haben, durch Anmerkungen die nötige Erläuterung gegeben wird. Leider ver¬ bietet uns der Raum, auf die Einzelheiten der Berechnungen näher einzugehen. Ebensowenig würde es möglich oder zweckmäßig sein, hier Durchschnittszahlen zu geben, da der eine der einer Berechnung unterzogenen Betriebe für eine größere, der andre für eine geringe Zahl von Wirtschaften typisch ist. Wir müssen uns begnügen, zu erwähnen, daß die Grundrente meist außerordentlich geringfügig ist, und daß sich in vielen Fällen eine solche überhaupt nicht ergiebt. Wünschen möchten wir, daß so reichliches Material, wie es in den ge¬ nannten Tabellen geboten ist, nicht nur für Baden, sondern für alle Bundes¬ staaten vorlüge. Es wäre dann eher zu hoffen, daß die Reichshilfe, welche wir schon auf verschiedenen Gebieten als erstrebenswert bezeichnet haben, der Land¬ wirtschaft zuteil würde. Die Schlußfolgerungen, welche die Darstellung der Erhebungen aus den Haushalts- und Rentabilitätsberechnungen zieht, gipfeln darin, daß allerdings die Produktivität des Bodens gesunken sei, weil die Steigerung der Roherträg- uisse mit der Steigerung der Betriebskosten nicht Schritt gehalten habe, daß aber doch der Grund und Boden die wichtige Eigenschaft, reproduktiv zu sein, nicht völlig verloren habe. Die „Darstellung" nennt dies eins der wichtigsten Ergebnisse der Erhebungen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/510>, abgerufen am 28.09.2024.