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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

schrieben wird. Umfangreich sind aber die Wuchergeschäfte auch jetzt noch, da
der Wucherer durch Verquickung des Darlehusgeschäftes mit Kaufgeschäften
aller Art das Wuchcrgesetz oft zu umgehen weiß. Übrigens werden auch die
Darlehnsbedingungen der soliden Kreditinstitute des Landes bemängelt, da der
Zinsfuß für den Jmmobiliar- wie auch für den Mobiliarkredit zu hoch sei.
Sehr wichtig erscheint uns die dabei gleichzeitig konftatirte Thatsache, daß auch
die fast durchweg übliche Kapitalabtragung -- im ganzen oder in großen
Raten -- sich mit den Interessen der Landwirtschaft nicht verträgt, sondern
daß die Landwirtschaft in der Regel nur zur Schuldentilgung in Form mäßiger
Annuitäten befähigt erscheint. Im wesentlichen bestehen die Vorschläge zur
Besserung der derzeitigen Verhältnisse für den Mobiliarkredit in der Empfehlung
einer Vermehrung der örtlichen Darlehnskaffen, für den Immobiliarkredit in
der Empfehlung der Errichtung einer "den Bedürfnissen des bäuerlichen Hypo¬
thekarkredits angepaßten, d. h. mäßigen Zinsfuß und annuitätenweise Ab¬
tragung ermöglichenden Landeskreditkasse."

Was nun thatsächlich werden wird, steht noch dahin, nachdem die "Landes¬
kreditkasse" nur in der ersten, nicht aber in der zweiten Kammer des badischen
Landtages Anklang gefunden hat.

Wir müssen dies bedauern, denn wären die Vorschläge des Erhebungs¬
berichts sofort ihrer Verwirklichung entgegengeführt worden, so wäre dies ein
erfreulicher erster Schritt zu der vom deutschen Landwirtschaftsrate in diesem
Frühjahr als erstrebenswert bezeichneten Reform des ländlichen Kreditwesens
gewesen. Hoffentlich wird trotz der ablehnenden Haltung der zweiten Kammer
das Wünscheuswerte schließlich erreicht werden. Wir zweifeln nicht daran, daß
auch für die andern Bundesstaaten eine Regelung des Kreditwesens nach den
vom deutschen Landwirtschaftsrat aufgestellten Gesichtspunkten ersprießlich sein
würde.*)


3. Haushaltsverbranch und Grtragsverhältnisse.

Hier kommen wir zu dem interessantesten Abschnitte, dessen Inhalt wir
größtenteils lieber am Anfang als inmitten der Darstellung gesehen hätten, da
das hier zusammengetragene Material erst die eigentliche Antwort darauf erteilt,
ob ein Notstand vorhanden sei oder nicht.



*) Die Resolution des deutschen Landwirtschaftsrates lautet, soweit sie das Kreditwesen
betrifft: es sei "eine Reform des Kreditwesens auf Grundlage staatlicher oder genossenschaft¬
licher Organisation allenthalben in der Weise anzubahnen, dnß der Nealkrcdit fernerhin durch
öffentliche Anstalten (eventuell nach dem Muster der preußischen Landschaften) mittelst unkünd¬
barer und amvrtisirbarer Kapitalien -- der Personalkrcdit mittelst lokaler Darlchnskassen,
System Raisfeisen, eventuell unter Zulassung beschränkter Haftpflicht, nnter möglichster Errich¬
tung von Verbänden befriedigt wird."
Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

schrieben wird. Umfangreich sind aber die Wuchergeschäfte auch jetzt noch, da
der Wucherer durch Verquickung des Darlehusgeschäftes mit Kaufgeschäften
aller Art das Wuchcrgesetz oft zu umgehen weiß. Übrigens werden auch die
Darlehnsbedingungen der soliden Kreditinstitute des Landes bemängelt, da der
Zinsfuß für den Jmmobiliar- wie auch für den Mobiliarkredit zu hoch sei.
Sehr wichtig erscheint uns die dabei gleichzeitig konftatirte Thatsache, daß auch
die fast durchweg übliche Kapitalabtragung — im ganzen oder in großen
Raten — sich mit den Interessen der Landwirtschaft nicht verträgt, sondern
daß die Landwirtschaft in der Regel nur zur Schuldentilgung in Form mäßiger
Annuitäten befähigt erscheint. Im wesentlichen bestehen die Vorschläge zur
Besserung der derzeitigen Verhältnisse für den Mobiliarkredit in der Empfehlung
einer Vermehrung der örtlichen Darlehnskaffen, für den Immobiliarkredit in
der Empfehlung der Errichtung einer „den Bedürfnissen des bäuerlichen Hypo¬
thekarkredits angepaßten, d. h. mäßigen Zinsfuß und annuitätenweise Ab¬
tragung ermöglichenden Landeskreditkasse."

Was nun thatsächlich werden wird, steht noch dahin, nachdem die „Landes¬
kreditkasse" nur in der ersten, nicht aber in der zweiten Kammer des badischen
Landtages Anklang gefunden hat.

Wir müssen dies bedauern, denn wären die Vorschläge des Erhebungs¬
berichts sofort ihrer Verwirklichung entgegengeführt worden, so wäre dies ein
erfreulicher erster Schritt zu der vom deutschen Landwirtschaftsrate in diesem
Frühjahr als erstrebenswert bezeichneten Reform des ländlichen Kreditwesens
gewesen. Hoffentlich wird trotz der ablehnenden Haltung der zweiten Kammer
das Wünscheuswerte schließlich erreicht werden. Wir zweifeln nicht daran, daß
auch für die andern Bundesstaaten eine Regelung des Kreditwesens nach den
vom deutschen Landwirtschaftsrat aufgestellten Gesichtspunkten ersprießlich sein
würde.*)


3. Haushaltsverbranch und Grtragsverhältnisse.

Hier kommen wir zu dem interessantesten Abschnitte, dessen Inhalt wir
größtenteils lieber am Anfang als inmitten der Darstellung gesehen hätten, da
das hier zusammengetragene Material erst die eigentliche Antwort darauf erteilt,
ob ein Notstand vorhanden sei oder nicht.



*) Die Resolution des deutschen Landwirtschaftsrates lautet, soweit sie das Kreditwesen
betrifft: es sei „eine Reform des Kreditwesens auf Grundlage staatlicher oder genossenschaft¬
licher Organisation allenthalben in der Weise anzubahnen, dnß der Nealkrcdit fernerhin durch
öffentliche Anstalten (eventuell nach dem Muster der preußischen Landschaften) mittelst unkünd¬
barer und amvrtisirbarer Kapitalien — der Personalkrcdit mittelst lokaler Darlchnskassen,
System Raisfeisen, eventuell unter Zulassung beschränkter Haftpflicht, nnter möglichster Errich¬
tung von Verbänden befriedigt wird."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/509>, abgerufen am 27.09.2024.