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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Der Pate dos Todes.

wie sich von selbst versteht, einige Pinselstriche hinzufügen und seinen Namen
selbst dcirauf setzen, dann sei das Bild doch keine Fälschung mehr.

Wir heben diese eine Geschichte heraus, weil sie dank der naiven Unver¬
schämtheit die lustigste unter ihresgleichen ist. Als Seitenstück mag ihr die
folgende dienen.

Der berühmte Zeichner Gavarni kommt auf einer Reise zu einer Kunst¬
auktion in einer französischen Provinzstadt und hat nach einiger Zeit das Ver¬
gnügen, Karikaturen von seiner Hand, sämtlich signirt, aufbieten zu hören.
Er bittet sich die Blätter zur Ansicht aus und erklärt sie sämtlich sür Fäl¬
schungen. Der Auktionator ermahnt ihn, in seinen Äußerungen vorsichtiger zu
sein. Was da versteigert werde, sei der Nachlaß des gewiegtesten Kunstkenners
im Orte, eines persönlichen Freundes von Gavarni. Der Zeichner protestirt
auch gegen diese Freundschaft, man wird auf beiden Seiten heftig und grob,
als er seinen Namen nennt, antwortet ihm schallendes Gelächter, und das Ende
ist, daß der Ruhestörer hinausgeworfen wird. Vor der Thür angelangt, soll
er geseufzt haben: "Wenn die Zeichnungen wenigstens gut wären!"




Der Pate des Todes.

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^FZN^-<",>^_^ ^udolf Baumbachs bisheriger Entwicklungsgang läßt sich leicht
überschauen. Seinen Ausgang nahm er von der Alpenpoesie, der
Gebirgsromantik, dem Touristentum; er gab den "Enzian" heraus,
schrieb seine Wanderlieder aus den Alpen, schuf seinen "Zlatorog."
Mit diesen Dichtungen gewann er sich sofort das große und
wegen seiner thatkräftigen Schwärmerei auch literarisch höchst wertvolle
Publikum der Gebirgsfreunde, welches den Grundstock seiner Verehrer bildete.
In dem Liederbändchm "Mein Frühjahr" findet man, gegen den Schluß hin,
parodistische und satirische Gedichte, die sich über die Bergfexerei und die
"Alpendichteritis" lustig machen. Mit diesen Versen, kann man sagen, hat
Baumbach von seiner Gebirgslyrik Abschied genommen, indem er sich humoristisch
von ihr befreite und über sie hinaushob. Aber im Grunde ist er sich gleich
geblieben, nur das Lokal und das Kostüm hat er gewechselt. Was lag dem
modernen Vaganten, der das Wandern bergauf, bergab, von Sennerin zu
Sennerin so heiter gepriesen, näher, als der Übergang zur Wanderpoesic und
Anakreontik überhaupt? Halb Gelehrter, halb -- At vsvig, vsrdo -- Bummler,
im Winter in der Stadt, im Sommer auf den Bergen, erschien sich Baumbach


Der Pate dos Todes.

wie sich von selbst versteht, einige Pinselstriche hinzufügen und seinen Namen
selbst dcirauf setzen, dann sei das Bild doch keine Fälschung mehr.

Wir heben diese eine Geschichte heraus, weil sie dank der naiven Unver¬
schämtheit die lustigste unter ihresgleichen ist. Als Seitenstück mag ihr die
folgende dienen.

Der berühmte Zeichner Gavarni kommt auf einer Reise zu einer Kunst¬
auktion in einer französischen Provinzstadt und hat nach einiger Zeit das Ver¬
gnügen, Karikaturen von seiner Hand, sämtlich signirt, aufbieten zu hören.
Er bittet sich die Blätter zur Ansicht aus und erklärt sie sämtlich sür Fäl¬
schungen. Der Auktionator ermahnt ihn, in seinen Äußerungen vorsichtiger zu
sein. Was da versteigert werde, sei der Nachlaß des gewiegtesten Kunstkenners
im Orte, eines persönlichen Freundes von Gavarni. Der Zeichner protestirt
auch gegen diese Freundschaft, man wird auf beiden Seiten heftig und grob,
als er seinen Namen nennt, antwortet ihm schallendes Gelächter, und das Ende
ist, daß der Ruhestörer hinausgeworfen wird. Vor der Thür angelangt, soll
er geseufzt haben: „Wenn die Zeichnungen wenigstens gut wären!"




Der Pate des Todes.

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^FZN^-<«,>^_^ ^udolf Baumbachs bisheriger Entwicklungsgang läßt sich leicht
überschauen. Seinen Ausgang nahm er von der Alpenpoesie, der
Gebirgsromantik, dem Touristentum; er gab den „Enzian" heraus,
schrieb seine Wanderlieder aus den Alpen, schuf seinen „Zlatorog."
Mit diesen Dichtungen gewann er sich sofort das große und
wegen seiner thatkräftigen Schwärmerei auch literarisch höchst wertvolle
Publikum der Gebirgsfreunde, welches den Grundstock seiner Verehrer bildete.
In dem Liederbändchm „Mein Frühjahr" findet man, gegen den Schluß hin,
parodistische und satirische Gedichte, die sich über die Bergfexerei und die
„Alpendichteritis" lustig machen. Mit diesen Versen, kann man sagen, hat
Baumbach von seiner Gebirgslyrik Abschied genommen, indem er sich humoristisch
von ihr befreite und über sie hinaushob. Aber im Grunde ist er sich gleich
geblieben, nur das Lokal und das Kostüm hat er gewechselt. Was lag dem
modernen Vaganten, der das Wandern bergauf, bergab, von Sennerin zu
Sennerin so heiter gepriesen, näher, als der Übergang zur Wanderpoesic und
Anakreontik überhaupt? Halb Gelehrter, halb — At vsvig, vsrdo — Bummler,
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[0484] Der Pate dos Todes. wie sich von selbst versteht, einige Pinselstriche hinzufügen und seinen Namen selbst dcirauf setzen, dann sei das Bild doch keine Fälschung mehr. Wir heben diese eine Geschichte heraus, weil sie dank der naiven Unver¬ schämtheit die lustigste unter ihresgleichen ist. Als Seitenstück mag ihr die folgende dienen. Der berühmte Zeichner Gavarni kommt auf einer Reise zu einer Kunst¬ auktion in einer französischen Provinzstadt und hat nach einiger Zeit das Ver¬ gnügen, Karikaturen von seiner Hand, sämtlich signirt, aufbieten zu hören. Er bittet sich die Blätter zur Ansicht aus und erklärt sie sämtlich sür Fäl¬ schungen. Der Auktionator ermahnt ihn, in seinen Äußerungen vorsichtiger zu sein. Was da versteigert werde, sei der Nachlaß des gewiegtesten Kunstkenners im Orte, eines persönlichen Freundes von Gavarni. Der Zeichner protestirt auch gegen diese Freundschaft, man wird auf beiden Seiten heftig und grob, als er seinen Namen nennt, antwortet ihm schallendes Gelächter, und das Ende ist, daß der Ruhestörer hinausgeworfen wird. Vor der Thür angelangt, soll er geseufzt haben: „Wenn die Zeichnungen wenigstens gut wären!" Der Pate des Todes. MM) ^'H-zZ/X ^ ^FZN^-<«,>^_^ ^udolf Baumbachs bisheriger Entwicklungsgang läßt sich leicht überschauen. Seinen Ausgang nahm er von der Alpenpoesie, der Gebirgsromantik, dem Touristentum; er gab den „Enzian" heraus, schrieb seine Wanderlieder aus den Alpen, schuf seinen „Zlatorog." Mit diesen Dichtungen gewann er sich sofort das große und wegen seiner thatkräftigen Schwärmerei auch literarisch höchst wertvolle Publikum der Gebirgsfreunde, welches den Grundstock seiner Verehrer bildete. In dem Liederbändchm „Mein Frühjahr" findet man, gegen den Schluß hin, parodistische und satirische Gedichte, die sich über die Bergfexerei und die „Alpendichteritis" lustig machen. Mit diesen Versen, kann man sagen, hat Baumbach von seiner Gebirgslyrik Abschied genommen, indem er sich humoristisch von ihr befreite und über sie hinaushob. Aber im Grunde ist er sich gleich geblieben, nur das Lokal und das Kostüm hat er gewechselt. Was lag dem modernen Vaganten, der das Wandern bergauf, bergab, von Sennerin zu Sennerin so heiter gepriesen, näher, als der Übergang zur Wanderpoesic und Anakreontik überhaupt? Halb Gelehrter, halb — At vsvig, vsrdo — Bummler, im Winter in der Stadt, im Sommer auf den Bergen, erschien sich Baumbach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/484>, abgerufen am 27.06.2024.