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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Versicherungswesen.

Wenn vom Versicherungswesen die Rede ist, so denkt der badische Land¬
wirt wohl immer zunächst an die Hagelversicherung. Die Enquete hat aber
gerade hierfür relativ wenig Material geliefert, da, wie der Bericht ausführt,
der Zufall es gewollt hat, daß die Mehrzahl der Erhebungsgemeinden zu den
minder hagelgefährdeten gehört. Nur drei Einzelberichte sprechen davon, daß
der Staat das Hagelversicherungswesen in die Hand nehmen sollte.

Für Baden ist es unbedingt notwendig, daß das Hagelversichernngswesen
eine Änderung erfahre, da die Hagelschaden sich im Großherzogtum zwischen
zwei und neun Millionen Mark jährlich bewegen, und eine Versicherung bei
den bestehenden Gesellschaften wegen der fast unerschwinglichen Prämien nur in
sehr beschränktem Maße möglich ist, selbst jetzt noch, wo durch die dankenswerte
Vermittlung der Zentralstelle des landwirtschaftlichen Vereins eine gewisse
Besserung sich vorzubereiten scheint.

Man hat sich in Baden viele Mühe gegeben um die Herbeiführung einer
Zwangshagelversicherung sür das deutsche Reich, hat aber mit diesem Verlangen
namentlich in Norddeutschland wenig Anklang gefunden. Erst im laufenden
Jahre wieder hat der deutsche Landwirtschaftsrat einen Antrag der Zentralstelle
des landwirtschaftlichen Vereins im Großherzogtum Baden, dem Reichshagcl-
versicherungsvrojekt näherzutreten, abgelehnt, im übrigen aber u. a. beschlossen,
den Reichskanzler um die Herbeiführung einer Hagelstatistik für das deutsche
Reich zu ersuchen. Nun trägt man sich in Baden zunächst mit dem Gedanken
der Errichtung einer Hilfskasse für Hagelbeschädigte, vielfach aber behält man
immer noch die Reichshagelversicherung als letztes Ziel vor Augen. Auf diese
Weise kann die Frage nicht wohl zu einer definitiven Regelung gelangen, und
wenn man auf die Resultate der Hagelversicherungsstatistik für das Reich warten
will, so vertagt man damit die Sache auf eine Reihe von Jahren. Die süd¬
deutsche Landwirtschaft hat somit allen Grund, zu wünschen, daß Erhebungen
in Preußen bald einigen Aufschluß geben möchten, wie weit unter den Land¬
wirten Norddeutschlands das Bedürfnis einer Reichshagclversicherung und
Stimmung zu Gunsten einer solchen sich zeigt.

Neben der Hagelversicherung berührt der Erhebungsbericht auch die Vieh¬
versicherung, welche in weit ausgedehnterem Maße als bisher zur Anwendung
kommen sollte. Es fehlt eben auch hier an der gehörigen Organisation. Ein
gelinder Zwang dürfte sich schließlich wohl rechtfertigen. So gut man für die
infolge einer Seuche gefallenen oder getöteten Tiere reichsgesetzlich eine Ent¬
schädigung anordnen konnte, wird man es vielleicht auch für solche Tiere können,
die an einer nicht seuchenartigen Krankheit oder infolge eines Unfalles zu gründe
Lehen, indem man auch hier wieder den Einzelstaaten das Nähere überläßt.

(Schluß folgt.)




Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Versicherungswesen.

Wenn vom Versicherungswesen die Rede ist, so denkt der badische Land¬
wirt wohl immer zunächst an die Hagelversicherung. Die Enquete hat aber
gerade hierfür relativ wenig Material geliefert, da, wie der Bericht ausführt,
der Zufall es gewollt hat, daß die Mehrzahl der Erhebungsgemeinden zu den
minder hagelgefährdeten gehört. Nur drei Einzelberichte sprechen davon, daß
der Staat das Hagelversicherungswesen in die Hand nehmen sollte.

Für Baden ist es unbedingt notwendig, daß das Hagelversichernngswesen
eine Änderung erfahre, da die Hagelschaden sich im Großherzogtum zwischen
zwei und neun Millionen Mark jährlich bewegen, und eine Versicherung bei
den bestehenden Gesellschaften wegen der fast unerschwinglichen Prämien nur in
sehr beschränktem Maße möglich ist, selbst jetzt noch, wo durch die dankenswerte
Vermittlung der Zentralstelle des landwirtschaftlichen Vereins eine gewisse
Besserung sich vorzubereiten scheint.

Man hat sich in Baden viele Mühe gegeben um die Herbeiführung einer
Zwangshagelversicherung sür das deutsche Reich, hat aber mit diesem Verlangen
namentlich in Norddeutschland wenig Anklang gefunden. Erst im laufenden
Jahre wieder hat der deutsche Landwirtschaftsrat einen Antrag der Zentralstelle
des landwirtschaftlichen Vereins im Großherzogtum Baden, dem Reichshagcl-
versicherungsvrojekt näherzutreten, abgelehnt, im übrigen aber u. a. beschlossen,
den Reichskanzler um die Herbeiführung einer Hagelstatistik für das deutsche
Reich zu ersuchen. Nun trägt man sich in Baden zunächst mit dem Gedanken
der Errichtung einer Hilfskasse für Hagelbeschädigte, vielfach aber behält man
immer noch die Reichshagelversicherung als letztes Ziel vor Augen. Auf diese
Weise kann die Frage nicht wohl zu einer definitiven Regelung gelangen, und
wenn man auf die Resultate der Hagelversicherungsstatistik für das Reich warten
will, so vertagt man damit die Sache auf eine Reihe von Jahren. Die süd¬
deutsche Landwirtschaft hat somit allen Grund, zu wünschen, daß Erhebungen
in Preußen bald einigen Aufschluß geben möchten, wie weit unter den Land¬
wirten Norddeutschlands das Bedürfnis einer Reichshagclversicherung und
Stimmung zu Gunsten einer solchen sich zeigt.

Neben der Hagelversicherung berührt der Erhebungsbericht auch die Vieh¬
versicherung, welche in weit ausgedehnterem Maße als bisher zur Anwendung
kommen sollte. Es fehlt eben auch hier an der gehörigen Organisation. Ein
gelinder Zwang dürfte sich schließlich wohl rechtfertigen. So gut man für die
infolge einer Seuche gefallenen oder getöteten Tiere reichsgesetzlich eine Ent¬
schädigung anordnen konnte, wird man es vielleicht auch für solche Tiere können,
die an einer nicht seuchenartigen Krankheit oder infolge eines Unfalles zu gründe
Lehen, indem man auch hier wieder den Einzelstaaten das Nähere überläßt.

(Schluß folgt.)




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[0463] Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden. Versicherungswesen. Wenn vom Versicherungswesen die Rede ist, so denkt der badische Land¬ wirt wohl immer zunächst an die Hagelversicherung. Die Enquete hat aber gerade hierfür relativ wenig Material geliefert, da, wie der Bericht ausführt, der Zufall es gewollt hat, daß die Mehrzahl der Erhebungsgemeinden zu den minder hagelgefährdeten gehört. Nur drei Einzelberichte sprechen davon, daß der Staat das Hagelversicherungswesen in die Hand nehmen sollte. Für Baden ist es unbedingt notwendig, daß das Hagelversichernngswesen eine Änderung erfahre, da die Hagelschaden sich im Großherzogtum zwischen zwei und neun Millionen Mark jährlich bewegen, und eine Versicherung bei den bestehenden Gesellschaften wegen der fast unerschwinglichen Prämien nur in sehr beschränktem Maße möglich ist, selbst jetzt noch, wo durch die dankenswerte Vermittlung der Zentralstelle des landwirtschaftlichen Vereins eine gewisse Besserung sich vorzubereiten scheint. Man hat sich in Baden viele Mühe gegeben um die Herbeiführung einer Zwangshagelversicherung sür das deutsche Reich, hat aber mit diesem Verlangen namentlich in Norddeutschland wenig Anklang gefunden. Erst im laufenden Jahre wieder hat der deutsche Landwirtschaftsrat einen Antrag der Zentralstelle des landwirtschaftlichen Vereins im Großherzogtum Baden, dem Reichshagcl- versicherungsvrojekt näherzutreten, abgelehnt, im übrigen aber u. a. beschlossen, den Reichskanzler um die Herbeiführung einer Hagelstatistik für das deutsche Reich zu ersuchen. Nun trägt man sich in Baden zunächst mit dem Gedanken der Errichtung einer Hilfskasse für Hagelbeschädigte, vielfach aber behält man immer noch die Reichshagelversicherung als letztes Ziel vor Augen. Auf diese Weise kann die Frage nicht wohl zu einer definitiven Regelung gelangen, und wenn man auf die Resultate der Hagelversicherungsstatistik für das Reich warten will, so vertagt man damit die Sache auf eine Reihe von Jahren. Die süd¬ deutsche Landwirtschaft hat somit allen Grund, zu wünschen, daß Erhebungen in Preußen bald einigen Aufschluß geben möchten, wie weit unter den Land¬ wirten Norddeutschlands das Bedürfnis einer Reichshagclversicherung und Stimmung zu Gunsten einer solchen sich zeigt. Neben der Hagelversicherung berührt der Erhebungsbericht auch die Vieh¬ versicherung, welche in weit ausgedehnterem Maße als bisher zur Anwendung kommen sollte. Es fehlt eben auch hier an der gehörigen Organisation. Ein gelinder Zwang dürfte sich schließlich wohl rechtfertigen. So gut man für die infolge einer Seuche gefallenen oder getöteten Tiere reichsgesetzlich eine Ent¬ schädigung anordnen konnte, wird man es vielleicht auch für solche Tiere können, die an einer nicht seuchenartigen Krankheit oder infolge eines Unfalles zu gründe Lehen, indem man auch hier wieder den Einzelstaaten das Nähere überläßt. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/463>, abgerufen am 27.06.2024.