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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

keinen Reinertrag abwirft (und es giebt solche Grundstücke, selbst in bessern
Lagen), umsonst erhalten. Hier scheint doch ein Fehler zu stecken. Auf solche
Weise könnte man schließlich der Landwirtschaft immer eine ganz hübsche Ren¬
tabilität vorrechnen, indem man beispielsweise den Reinertrag mit zwanzig ver¬
vielfältigte, um den Kanfwert zu finden, und dann die Behauptung aufstellte,
der Reinertrag beziffere sich auf fünf Prozent. So haben wohl einige liberale
Blätter gerechnet, die, angeblich ans die landwirtschaftliche Enquete gestützt, die
Behauptung aufstellten, es gebe adeliche Großgrundbesitzer in Baden, die aus
ihren Gütern einen Reinertrag von fünf bis sieben Prozent zögen.

Wenn wir hiernach im allgemeinen mehr den geringen derzeitigen Ertrags¬
wert, als den hohen Kaufpreis der Liegenschaften bedauern müssen, so geben
wir doch gern zu, daß der letztere -- selbst unter Berücksichtigung aller in
Betracht kommenden Umstände -- wirklich in sehr vielen Fällen zu hoch ist.
Diese Thatsache erklärt der Erhebungsbericht sehr richtig namentlich dadurch,
daß die kleinen Leute es sehr auf den Gütererwerb abgesehen haben, um ihre
Arbeitskräfte verwerten zu können, und daß somit dem Angebot immer eine
starke Nachfrage nach Gütern gegenübersteht. Mit dem Bestreben der kleinen
Leute, "ihre Arbeitskräfte zu verwerten," hat es allerdings, nach unsrer Ansicht,
an manchen Orten seine eigne Bewandnis. Wenn der Mangel an Arbeit
wirklich so groß wäre, müßten die landwirtschaftlichen Arbeitslöhne niedriger
sein. Es liegt also weniger ein Verlangen nach Arbeitsgelegenheit als ein
Streben nach Selbständigkeit vor, worauf wir schon oben, bei Besprechung der
Auswandcrungsfrage, hingewiesen haben. Nun ist dies ja ein lobenswertes Be¬
streben, wenn und soweit der Einzelne dadurch wirklich zu einem bessern Ver¬
dienst gelaugt; aber nach unsern Erfahrungen trifft dies in den meisten Fällen,
wenigstens da, wo der Handelsgewächsbau nicht möglich ist, keineswegs zu.

Natürlich ist unter diesen Verhältnissen der Liegenschaftsumsatz ziemlich
stark, und man nimmt in Baden Bedacht darauf, denselben zu erschweren. Er¬
freulich wäre es, wenn man wenigstens den sogenannten "Gütermetzgern" das
Handwerk einigermaßen legen könnte. Man glaubt hierin einiges zu erreichen
durch Erschwerung des "Klumpenaufgebvts" bei Liegenschaftsvollstreckungen.
Man will dadurch den Bauern Gelegenheit geben, in diesen Fällen direkt zu
kaufen. Auch von einer Verbesserung des Kreditwesens verspricht man sich gute
Wirkungen. Beides mag wohl dem Schacher an und für sich mehr oder weniger
Eintrag thun, wird aber der Zerstückelung von Hofgütern und der Bildung von
Zwergwirtschaften eher günstig als ungünstig sein. Wir glauben, wenn das
Treiben der Gütermetzger überall einer genauen Beobachtung unterzogen würde
und wenn man die Folgen geuau betrachten wollte, welche in jedem einzelnen Falle
das "Ausschlachten" eines größeren Gutes gehabt hat, so würde man nicht
säumen, auf Maßregeln zu denken, welche geeignet wären, die Gütermetzgerei
direkt zu treffen.


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

keinen Reinertrag abwirft (und es giebt solche Grundstücke, selbst in bessern
Lagen), umsonst erhalten. Hier scheint doch ein Fehler zu stecken. Auf solche
Weise könnte man schließlich der Landwirtschaft immer eine ganz hübsche Ren¬
tabilität vorrechnen, indem man beispielsweise den Reinertrag mit zwanzig ver¬
vielfältigte, um den Kanfwert zu finden, und dann die Behauptung aufstellte,
der Reinertrag beziffere sich auf fünf Prozent. So haben wohl einige liberale
Blätter gerechnet, die, angeblich ans die landwirtschaftliche Enquete gestützt, die
Behauptung aufstellten, es gebe adeliche Großgrundbesitzer in Baden, die aus
ihren Gütern einen Reinertrag von fünf bis sieben Prozent zögen.

Wenn wir hiernach im allgemeinen mehr den geringen derzeitigen Ertrags¬
wert, als den hohen Kaufpreis der Liegenschaften bedauern müssen, so geben
wir doch gern zu, daß der letztere — selbst unter Berücksichtigung aller in
Betracht kommenden Umstände — wirklich in sehr vielen Fällen zu hoch ist.
Diese Thatsache erklärt der Erhebungsbericht sehr richtig namentlich dadurch,
daß die kleinen Leute es sehr auf den Gütererwerb abgesehen haben, um ihre
Arbeitskräfte verwerten zu können, und daß somit dem Angebot immer eine
starke Nachfrage nach Gütern gegenübersteht. Mit dem Bestreben der kleinen
Leute, „ihre Arbeitskräfte zu verwerten," hat es allerdings, nach unsrer Ansicht,
an manchen Orten seine eigne Bewandnis. Wenn der Mangel an Arbeit
wirklich so groß wäre, müßten die landwirtschaftlichen Arbeitslöhne niedriger
sein. Es liegt also weniger ein Verlangen nach Arbeitsgelegenheit als ein
Streben nach Selbständigkeit vor, worauf wir schon oben, bei Besprechung der
Auswandcrungsfrage, hingewiesen haben. Nun ist dies ja ein lobenswertes Be¬
streben, wenn und soweit der Einzelne dadurch wirklich zu einem bessern Ver¬
dienst gelaugt; aber nach unsern Erfahrungen trifft dies in den meisten Fällen,
wenigstens da, wo der Handelsgewächsbau nicht möglich ist, keineswegs zu.

Natürlich ist unter diesen Verhältnissen der Liegenschaftsumsatz ziemlich
stark, und man nimmt in Baden Bedacht darauf, denselben zu erschweren. Er¬
freulich wäre es, wenn man wenigstens den sogenannten „Gütermetzgern" das
Handwerk einigermaßen legen könnte. Man glaubt hierin einiges zu erreichen
durch Erschwerung des „Klumpenaufgebvts" bei Liegenschaftsvollstreckungen.
Man will dadurch den Bauern Gelegenheit geben, in diesen Fällen direkt zu
kaufen. Auch von einer Verbesserung des Kreditwesens verspricht man sich gute
Wirkungen. Beides mag wohl dem Schacher an und für sich mehr oder weniger
Eintrag thun, wird aber der Zerstückelung von Hofgütern und der Bildung von
Zwergwirtschaften eher günstig als ungünstig sein. Wir glauben, wenn das
Treiben der Gütermetzger überall einer genauen Beobachtung unterzogen würde
und wenn man die Folgen geuau betrachten wollte, welche in jedem einzelnen Falle
das „Ausschlachten" eines größeren Gutes gehabt hat, so würde man nicht
säumen, auf Maßregeln zu denken, welche geeignet wären, die Gütermetzgerei
direkt zu treffen.


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[0462] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. keinen Reinertrag abwirft (und es giebt solche Grundstücke, selbst in bessern Lagen), umsonst erhalten. Hier scheint doch ein Fehler zu stecken. Auf solche Weise könnte man schließlich der Landwirtschaft immer eine ganz hübsche Ren¬ tabilität vorrechnen, indem man beispielsweise den Reinertrag mit zwanzig ver¬ vielfältigte, um den Kanfwert zu finden, und dann die Behauptung aufstellte, der Reinertrag beziffere sich auf fünf Prozent. So haben wohl einige liberale Blätter gerechnet, die, angeblich ans die landwirtschaftliche Enquete gestützt, die Behauptung aufstellten, es gebe adeliche Großgrundbesitzer in Baden, die aus ihren Gütern einen Reinertrag von fünf bis sieben Prozent zögen. Wenn wir hiernach im allgemeinen mehr den geringen derzeitigen Ertrags¬ wert, als den hohen Kaufpreis der Liegenschaften bedauern müssen, so geben wir doch gern zu, daß der letztere — selbst unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände — wirklich in sehr vielen Fällen zu hoch ist. Diese Thatsache erklärt der Erhebungsbericht sehr richtig namentlich dadurch, daß die kleinen Leute es sehr auf den Gütererwerb abgesehen haben, um ihre Arbeitskräfte verwerten zu können, und daß somit dem Angebot immer eine starke Nachfrage nach Gütern gegenübersteht. Mit dem Bestreben der kleinen Leute, „ihre Arbeitskräfte zu verwerten," hat es allerdings, nach unsrer Ansicht, an manchen Orten seine eigne Bewandnis. Wenn der Mangel an Arbeit wirklich so groß wäre, müßten die landwirtschaftlichen Arbeitslöhne niedriger sein. Es liegt also weniger ein Verlangen nach Arbeitsgelegenheit als ein Streben nach Selbständigkeit vor, worauf wir schon oben, bei Besprechung der Auswandcrungsfrage, hingewiesen haben. Nun ist dies ja ein lobenswertes Be¬ streben, wenn und soweit der Einzelne dadurch wirklich zu einem bessern Ver¬ dienst gelaugt; aber nach unsern Erfahrungen trifft dies in den meisten Fällen, wenigstens da, wo der Handelsgewächsbau nicht möglich ist, keineswegs zu. Natürlich ist unter diesen Verhältnissen der Liegenschaftsumsatz ziemlich stark, und man nimmt in Baden Bedacht darauf, denselben zu erschweren. Er¬ freulich wäre es, wenn man wenigstens den sogenannten „Gütermetzgern" das Handwerk einigermaßen legen könnte. Man glaubt hierin einiges zu erreichen durch Erschwerung des „Klumpenaufgebvts" bei Liegenschaftsvollstreckungen. Man will dadurch den Bauern Gelegenheit geben, in diesen Fällen direkt zu kaufen. Auch von einer Verbesserung des Kreditwesens verspricht man sich gute Wirkungen. Beides mag wohl dem Schacher an und für sich mehr oder weniger Eintrag thun, wird aber der Zerstückelung von Hofgütern und der Bildung von Zwergwirtschaften eher günstig als ungünstig sein. Wir glauben, wenn das Treiben der Gütermetzger überall einer genauen Beobachtung unterzogen würde und wenn man die Folgen geuau betrachten wollte, welche in jedem einzelnen Falle das „Ausschlachten" eines größeren Gutes gehabt hat, so würde man nicht säumen, auf Maßregeln zu denken, welche geeignet wären, die Gütermetzgerei direkt zu treffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/462>, abgerufen am 28.09.2024.