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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

an vielen Orten die Parzellirung selbst für eine gartenmäßige Bodenkultur zu
weit fortgeschritten ist, so ist dies doch ein Fehler, dem durch Festsetzung einer
nicht zu niedrigen Grenze für die Teilbarkeit der Liegenschaften leicht begegnet
werden könnte, ohne daß die bestehende Erbfolgeordnung an sich für die be¬
treffenden Gegenden eine Abänderung zu erfahren hätte.

Wenn nun jede der bestehenden Erbrcchtsformen in gewissem Umfang
und in geeigneter Gegend ihre Berechtigung hat, so fragt es sich zunächst, ob
das thatsächliche Vorkommen der drei Formen auch dem Bedürfnisse des Landes
angepaßt erscheint. Auf Grund einer Erhebung der landwirtschaftlichen Besitz¬
verhältnisse in Baden vom Jahre 1873 giebt der Bericht diese wie folgt an:

1. Besitzgruppe 0--10 Morgen28,6 Prozent der Gesamtfläche
2. - 10--2024,3 - -
3. - 20--6024,8 -- - -
4. - 50--10011,3 - - -
5. - 100--6008,4
6. - 600 u. mehr -0,6 - -
In uneigentlicher Bewirtschaftung stehendes
Gelände (Gemeindcalmend ze.)2,6 -
100.

So weitgehend hiernach die Teilung des Grundbesitzes auch ist, so wenig
dürfte doch der hohe Prozentsatz, welcher für die niedern Besitzgruppen sich
ergiebt, in Berücksichtigung der Boden- und Klimaverhältnisse Badens zu irgend¬
welchen Bedenke" Anlaß geben, wenn jede der Besitzgruppen nur oder fast nur
da vertrete" wäre, wo sie hingehört. Das an sich günstige Bild, welches die
obige Darstellung bietet, verwandelt sich aber sofort in ein minder günstiges,
wenn wir bedenken, daß die ganz kleinen Betriebe sich keineswegs nur in der
Rheinebene und in ähnlichen Gegenden finden, wo gartenmäßige Bodenkultur
und Gelegenheit zum Nebenverdienst in den dicht beisammenliegenden Städten
solche kleine Wirtschaften lebensfähig machen, sondern auch, und zwar in be¬
deutendem Maße, auf dem armen Boden des südlichen Schwarzwaldes, des
Odenwaldes und des Baulandes. Der Bericht giebt die nachhaltige Zersplitterung
in diesen Gegenden auch zu. Nichtsdestoweniger verlangt er auch für diese
Gegenden keine Änderung der bäuerlichen Erbfolge, gestützt darauf, daß in den
Einzelberichten eine solche nicht verlangt ist. Wir können dies nicht recht be¬
greifen, denn wir meinen, in solchen Gegenden sollte man die Bildung von
größeren Gütern mit allen zu Gebote stehenden Mitteln fördern.

Von den die Besitz- und Erbrechtsverhaltnisse betreffenden Anträgen, welche
auf Grund der Enquete von den beiden Kammern des Landtages zur Unter¬
breitung an die großherzogliche Negierung beschlossen worden sind, steht in bezug
ans Wichtigkeit derjenige obenan, "es sei bei den Vorarbeiten zum deutschen bürger¬
lichen Gesetzbuch darauf hinzuwirken, daß die Regelung der bäuerlichen Guts¬
verhältnisse, namentlich des Erbrechts, der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibe,


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

an vielen Orten die Parzellirung selbst für eine gartenmäßige Bodenkultur zu
weit fortgeschritten ist, so ist dies doch ein Fehler, dem durch Festsetzung einer
nicht zu niedrigen Grenze für die Teilbarkeit der Liegenschaften leicht begegnet
werden könnte, ohne daß die bestehende Erbfolgeordnung an sich für die be¬
treffenden Gegenden eine Abänderung zu erfahren hätte.

Wenn nun jede der bestehenden Erbrcchtsformen in gewissem Umfang
und in geeigneter Gegend ihre Berechtigung hat, so fragt es sich zunächst, ob
das thatsächliche Vorkommen der drei Formen auch dem Bedürfnisse des Landes
angepaßt erscheint. Auf Grund einer Erhebung der landwirtschaftlichen Besitz¬
verhältnisse in Baden vom Jahre 1873 giebt der Bericht diese wie folgt an:

1. Besitzgruppe 0—10 Morgen28,6 Prozent der Gesamtfläche
2. - 10—2024,3 - -
3. - 20—6024,8 -- - -
4. - 50—10011,3 - - -
5. - 100—6008,4
6. - 600 u. mehr -0,6 - -
In uneigentlicher Bewirtschaftung stehendes
Gelände (Gemeindcalmend ze.)2,6 -
100.

So weitgehend hiernach die Teilung des Grundbesitzes auch ist, so wenig
dürfte doch der hohe Prozentsatz, welcher für die niedern Besitzgruppen sich
ergiebt, in Berücksichtigung der Boden- und Klimaverhältnisse Badens zu irgend¬
welchen Bedenke» Anlaß geben, wenn jede der Besitzgruppen nur oder fast nur
da vertrete« wäre, wo sie hingehört. Das an sich günstige Bild, welches die
obige Darstellung bietet, verwandelt sich aber sofort in ein minder günstiges,
wenn wir bedenken, daß die ganz kleinen Betriebe sich keineswegs nur in der
Rheinebene und in ähnlichen Gegenden finden, wo gartenmäßige Bodenkultur
und Gelegenheit zum Nebenverdienst in den dicht beisammenliegenden Städten
solche kleine Wirtschaften lebensfähig machen, sondern auch, und zwar in be¬
deutendem Maße, auf dem armen Boden des südlichen Schwarzwaldes, des
Odenwaldes und des Baulandes. Der Bericht giebt die nachhaltige Zersplitterung
in diesen Gegenden auch zu. Nichtsdestoweniger verlangt er auch für diese
Gegenden keine Änderung der bäuerlichen Erbfolge, gestützt darauf, daß in den
Einzelberichten eine solche nicht verlangt ist. Wir können dies nicht recht be¬
greifen, denn wir meinen, in solchen Gegenden sollte man die Bildung von
größeren Gütern mit allen zu Gebote stehenden Mitteln fördern.

Von den die Besitz- und Erbrechtsverhaltnisse betreffenden Anträgen, welche
auf Grund der Enquete von den beiden Kammern des Landtages zur Unter¬
breitung an die großherzogliche Negierung beschlossen worden sind, steht in bezug
ans Wichtigkeit derjenige obenan, „es sei bei den Vorarbeiten zum deutschen bürger¬
lichen Gesetzbuch darauf hinzuwirken, daß die Regelung der bäuerlichen Guts¬
verhältnisse, namentlich des Erbrechts, der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibe,


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[0460] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. an vielen Orten die Parzellirung selbst für eine gartenmäßige Bodenkultur zu weit fortgeschritten ist, so ist dies doch ein Fehler, dem durch Festsetzung einer nicht zu niedrigen Grenze für die Teilbarkeit der Liegenschaften leicht begegnet werden könnte, ohne daß die bestehende Erbfolgeordnung an sich für die be¬ treffenden Gegenden eine Abänderung zu erfahren hätte. Wenn nun jede der bestehenden Erbrcchtsformen in gewissem Umfang und in geeigneter Gegend ihre Berechtigung hat, so fragt es sich zunächst, ob das thatsächliche Vorkommen der drei Formen auch dem Bedürfnisse des Landes angepaßt erscheint. Auf Grund einer Erhebung der landwirtschaftlichen Besitz¬ verhältnisse in Baden vom Jahre 1873 giebt der Bericht diese wie folgt an: 1. Besitzgruppe 0—10 Morgen28,6 Prozent der Gesamtfläche 2. - 10—2024,3 - - 3. - 20—6024,8 -- - - 4. - 50—10011,3 - - - 5. - 100—6008,4 6. - 600 u. mehr -0,6 - - In uneigentlicher Bewirtschaftung stehendes Gelände (Gemeindcalmend ze.)2,6 - 100. So weitgehend hiernach die Teilung des Grundbesitzes auch ist, so wenig dürfte doch der hohe Prozentsatz, welcher für die niedern Besitzgruppen sich ergiebt, in Berücksichtigung der Boden- und Klimaverhältnisse Badens zu irgend¬ welchen Bedenke» Anlaß geben, wenn jede der Besitzgruppen nur oder fast nur da vertrete« wäre, wo sie hingehört. Das an sich günstige Bild, welches die obige Darstellung bietet, verwandelt sich aber sofort in ein minder günstiges, wenn wir bedenken, daß die ganz kleinen Betriebe sich keineswegs nur in der Rheinebene und in ähnlichen Gegenden finden, wo gartenmäßige Bodenkultur und Gelegenheit zum Nebenverdienst in den dicht beisammenliegenden Städten solche kleine Wirtschaften lebensfähig machen, sondern auch, und zwar in be¬ deutendem Maße, auf dem armen Boden des südlichen Schwarzwaldes, des Odenwaldes und des Baulandes. Der Bericht giebt die nachhaltige Zersplitterung in diesen Gegenden auch zu. Nichtsdestoweniger verlangt er auch für diese Gegenden keine Änderung der bäuerlichen Erbfolge, gestützt darauf, daß in den Einzelberichten eine solche nicht verlangt ist. Wir können dies nicht recht be¬ greifen, denn wir meinen, in solchen Gegenden sollte man die Bildung von größeren Gütern mit allen zu Gebote stehenden Mitteln fördern. Von den die Besitz- und Erbrechtsverhaltnisse betreffenden Anträgen, welche auf Grund der Enquete von den beiden Kammern des Landtages zur Unter¬ breitung an die großherzogliche Negierung beschlossen worden sind, steht in bezug ans Wichtigkeit derjenige obenan, „es sei bei den Vorarbeiten zum deutschen bürger¬ lichen Gesetzbuch darauf hinzuwirken, daß die Regelung der bäuerlichen Guts¬ verhältnisse, namentlich des Erbrechts, der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/460>, abgerufen am 27.09.2024.