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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden.

Von diesen drei Arten der Erbfolge gesteht der Bericht keiner den unbe¬
dingten Vorzug zu, und wir können dieser Ansicht im Prinzip vorbehaltlos
zustimmen. Es hat eben jede Form, an und für sich betrachtet, ihre Licht- wie
ihre Schattenseiten, und die letztern scheinen uns bei keiner der drei Formen
so bedeutend zu sein, daß sie nicht durch geeignete Mittel abgeschwächt werden
könnten. Dies schließt aber nicht aus, daß für eine bestimmte Gegend die eine
oder die andre Form ganz entschiedene Vorzüge haben, ja sogar unter Umständen
allein möglich sein kann.

Was zunächst das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes anlangt, so hat dieses
den unzweifelhaften Vorzug, daß es die Bildung von Gütern mit einer unzu¬
reichenden Bewirtschaftungsfläche ausschließt. Der Bericht erkennt dies an und
bezeichnet die Erhaltung des Hofgüterrechts auf dem Schwarzwalde als not¬
wendig, rügt aber zugleich mit Recht, daß der Anschlag des Gutswertes oft
in solcher Höhe festgesetzt werde, daß die Lasten eine gedeihliche Entwicklung
der jungen Wirtschaft unmöglich machen. Der Bericht fordert deshalb einen
Schutz des Anerben gegen Übervorteilung (auch der Landtag hat in der Folge
der großherzoglichen Regierung darauf bezügliche Anträge unterbreitet). Unsers
Erachtens dürfte man ruhig soweit gehen, festzusetzen, daß der Anerbe seinen
Geschwistern lediglich eine einfache Ausstattung schulden solle. Da das Prinzip
der Gleichberechtigung der Geschwister doch einmal durchbrochen ist, könnten
Prinzipielle Bedenken gegen eine solche Bestimmung kaum erhoben werden.
Praktisch aber hätte die Änderung gewiß ihre bedeutenden Vorteile.

Für das namentlich im nördlichen und südlichen Hügellande bestehende frei¬
willig geübte Anerbenrecht läßt sich ziemlich dasselbe sagen wie für das Schwarz¬
wälder Hofgüterrecht. Nebenbei hat es nur den Vorteil und zugleich Nachteil,
daß Ausnahmen gemacht werden können. (Auch im Schwarzwalde sind übrigens
mit besondrer Genehmigung Ausnahmen möglich.)

Am wenigsten vorteilhaft scheint auf deu ersten Blick die Erbfolgeordnung
des badischen Landrcchts,*) welche notwendig eine weitgehende Parzellirung des
Geländes zur Folge haben muß. Doch auch diese Form hat ihre Vorteile in
solchen Gegenden, in welchen durch Klima und Bodenbeschaffenheit, wohl auch
noch durch die Nähe von Städten eine mehr gartenmäßige Ausbeutung des
Bodens ermöglicht wird. Hier wird eine ziemlich weitgehende Parzellirung noch
völlig unbedenklich erscheinen, ja sie wird nützlich sein, da sie einen intensiverer
Betrieb ermöglicht als der Großbetrieb, der seiner Natur nach auf einen mehr
extensiven Betrieb angewiesen ist. Wenn gleichwohl zugegeben werden muß, daß



") Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß bei einem Teil der Erhebungskommissäre,
wie auch bei den, Verfasser des Hnuptberichts eine gewisse, vielleicht unwillkürliche, aber doch
deutlich erkennbare Voreingenommenheit zu Gunsten der Erbfolgeordnung des badischen Land¬
rechts zutage tritt. Dieselbe hängt wohl mit dem liberalen Abscheu vor allem Großgrund¬
besitz mehr oder weniger zusammen.
Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden.

Von diesen drei Arten der Erbfolge gesteht der Bericht keiner den unbe¬
dingten Vorzug zu, und wir können dieser Ansicht im Prinzip vorbehaltlos
zustimmen. Es hat eben jede Form, an und für sich betrachtet, ihre Licht- wie
ihre Schattenseiten, und die letztern scheinen uns bei keiner der drei Formen
so bedeutend zu sein, daß sie nicht durch geeignete Mittel abgeschwächt werden
könnten. Dies schließt aber nicht aus, daß für eine bestimmte Gegend die eine
oder die andre Form ganz entschiedene Vorzüge haben, ja sogar unter Umständen
allein möglich sein kann.

Was zunächst das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes anlangt, so hat dieses
den unzweifelhaften Vorzug, daß es die Bildung von Gütern mit einer unzu¬
reichenden Bewirtschaftungsfläche ausschließt. Der Bericht erkennt dies an und
bezeichnet die Erhaltung des Hofgüterrechts auf dem Schwarzwalde als not¬
wendig, rügt aber zugleich mit Recht, daß der Anschlag des Gutswertes oft
in solcher Höhe festgesetzt werde, daß die Lasten eine gedeihliche Entwicklung
der jungen Wirtschaft unmöglich machen. Der Bericht fordert deshalb einen
Schutz des Anerben gegen Übervorteilung (auch der Landtag hat in der Folge
der großherzoglichen Regierung darauf bezügliche Anträge unterbreitet). Unsers
Erachtens dürfte man ruhig soweit gehen, festzusetzen, daß der Anerbe seinen
Geschwistern lediglich eine einfache Ausstattung schulden solle. Da das Prinzip
der Gleichberechtigung der Geschwister doch einmal durchbrochen ist, könnten
Prinzipielle Bedenken gegen eine solche Bestimmung kaum erhoben werden.
Praktisch aber hätte die Änderung gewiß ihre bedeutenden Vorteile.

Für das namentlich im nördlichen und südlichen Hügellande bestehende frei¬
willig geübte Anerbenrecht läßt sich ziemlich dasselbe sagen wie für das Schwarz¬
wälder Hofgüterrecht. Nebenbei hat es nur den Vorteil und zugleich Nachteil,
daß Ausnahmen gemacht werden können. (Auch im Schwarzwalde sind übrigens
mit besondrer Genehmigung Ausnahmen möglich.)

Am wenigsten vorteilhaft scheint auf deu ersten Blick die Erbfolgeordnung
des badischen Landrcchts,*) welche notwendig eine weitgehende Parzellirung des
Geländes zur Folge haben muß. Doch auch diese Form hat ihre Vorteile in
solchen Gegenden, in welchen durch Klima und Bodenbeschaffenheit, wohl auch
noch durch die Nähe von Städten eine mehr gartenmäßige Ausbeutung des
Bodens ermöglicht wird. Hier wird eine ziemlich weitgehende Parzellirung noch
völlig unbedenklich erscheinen, ja sie wird nützlich sein, da sie einen intensiverer
Betrieb ermöglicht als der Großbetrieb, der seiner Natur nach auf einen mehr
extensiven Betrieb angewiesen ist. Wenn gleichwohl zugegeben werden muß, daß



") Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß bei einem Teil der Erhebungskommissäre,
wie auch bei den, Verfasser des Hnuptberichts eine gewisse, vielleicht unwillkürliche, aber doch
deutlich erkennbare Voreingenommenheit zu Gunsten der Erbfolgeordnung des badischen Land¬
rechts zutage tritt. Dieselbe hängt wohl mit dem liberalen Abscheu vor allem Großgrund¬
besitz mehr oder weniger zusammen.
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[0459] Die landwirtschaftliche Muster-Enquete in Baden. Von diesen drei Arten der Erbfolge gesteht der Bericht keiner den unbe¬ dingten Vorzug zu, und wir können dieser Ansicht im Prinzip vorbehaltlos zustimmen. Es hat eben jede Form, an und für sich betrachtet, ihre Licht- wie ihre Schattenseiten, und die letztern scheinen uns bei keiner der drei Formen so bedeutend zu sein, daß sie nicht durch geeignete Mittel abgeschwächt werden könnten. Dies schließt aber nicht aus, daß für eine bestimmte Gegend die eine oder die andre Form ganz entschiedene Vorzüge haben, ja sogar unter Umständen allein möglich sein kann. Was zunächst das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes anlangt, so hat dieses den unzweifelhaften Vorzug, daß es die Bildung von Gütern mit einer unzu¬ reichenden Bewirtschaftungsfläche ausschließt. Der Bericht erkennt dies an und bezeichnet die Erhaltung des Hofgüterrechts auf dem Schwarzwalde als not¬ wendig, rügt aber zugleich mit Recht, daß der Anschlag des Gutswertes oft in solcher Höhe festgesetzt werde, daß die Lasten eine gedeihliche Entwicklung der jungen Wirtschaft unmöglich machen. Der Bericht fordert deshalb einen Schutz des Anerben gegen Übervorteilung (auch der Landtag hat in der Folge der großherzoglichen Regierung darauf bezügliche Anträge unterbreitet). Unsers Erachtens dürfte man ruhig soweit gehen, festzusetzen, daß der Anerbe seinen Geschwistern lediglich eine einfache Ausstattung schulden solle. Da das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschwister doch einmal durchbrochen ist, könnten Prinzipielle Bedenken gegen eine solche Bestimmung kaum erhoben werden. Praktisch aber hätte die Änderung gewiß ihre bedeutenden Vorteile. Für das namentlich im nördlichen und südlichen Hügellande bestehende frei¬ willig geübte Anerbenrecht läßt sich ziemlich dasselbe sagen wie für das Schwarz¬ wälder Hofgüterrecht. Nebenbei hat es nur den Vorteil und zugleich Nachteil, daß Ausnahmen gemacht werden können. (Auch im Schwarzwalde sind übrigens mit besondrer Genehmigung Ausnahmen möglich.) Am wenigsten vorteilhaft scheint auf deu ersten Blick die Erbfolgeordnung des badischen Landrcchts,*) welche notwendig eine weitgehende Parzellirung des Geländes zur Folge haben muß. Doch auch diese Form hat ihre Vorteile in solchen Gegenden, in welchen durch Klima und Bodenbeschaffenheit, wohl auch noch durch die Nähe von Städten eine mehr gartenmäßige Ausbeutung des Bodens ermöglicht wird. Hier wird eine ziemlich weitgehende Parzellirung noch völlig unbedenklich erscheinen, ja sie wird nützlich sein, da sie einen intensiverer Betrieb ermöglicht als der Großbetrieb, der seiner Natur nach auf einen mehr extensiven Betrieb angewiesen ist. Wenn gleichwohl zugegeben werden muß, daß ") Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß bei einem Teil der Erhebungskommissäre, wie auch bei den, Verfasser des Hnuptberichts eine gewisse, vielleicht unwillkürliche, aber doch deutlich erkennbare Voreingenommenheit zu Gunsten der Erbfolgeordnung des badischen Land¬ rechts zutage tritt. Dieselbe hängt wohl mit dem liberalen Abscheu vor allem Großgrund¬ besitz mehr oder weniger zusammen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/459>, abgerufen am 27.06.2024.