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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Umstand, welcher hohe Wert auf Herbeiführung der Aufforstung geringen Acker-,
Wiesen- und Weidelandes gelegt wird; der Erhebungsbericht läßt keine Gelegen¬
heit vorübergehen, das Aufforstungsthema aufzugreifen. Es ist das beste, diesen
Punkt hier sofort zu erledigen. Im verflossenen Jahre legte das badische Mi¬
nisterium des Innern den landwirtschaftlichen Vereinen einen Gesetzentwurf zur
Begutachtung vor, welcher für Fälle, in denen das "öffentliche Interesse" es
wünschenswert erscheinen lasse, eine Zwangsaufforstung geringwertigen Geländes
ermöglichen sollte. Im Prinzip hätte man dem Entwürfe allenthalben gern
zugestimmt, obgleich etwa 33 Prozent des badischen Gesamtareals (Ende 1881:
532 651,43 Hektar) schon jetzt als Wald bewirtschaftet werden, und man wahr¬
lich nicht sagen kann, daß dies ein geringer Prozentsatz sei. Einleuchtend war
immerhin, daß noch in vielen Einzelfällen die Aufforstung im öffentlichen In¬
teresse notwendig sein konnte. Was nun aber die Sache bedenklich machte, war
der Umstand, daß die Frage, wann ein "öffentliches Interesse" vorliege, in einer
Art und Weise beantwortet war, die es möglich gemacht hätte, in jedem be¬
liebigen Falle das Vorhandensein eines solchen zu behaupten. Dazu waren für
die Begutachtung in vorkommenden Zwangsfällen Kommissionen vorgesehen,
welche nach ihrer Zusammensetzung bei etwaigen Kollisionen zwischen forstlichem
und landwirtschaftlichen Interesse das letztere unbedingt zum Unterliegen bringen
mußten. Der Entwurf wurde deshalb von landwirtschaftlicher Seite ziemlich
kühl aufgenommen. Namentlich war dies der Fall in solchen Gegenden, in
welchen die Schäferei eine Lebensfrage für die Landwirtschaft ist. Das gering¬
wertige Weideland dieser Gegenden bringt eben nicht nur seinen eignen kärglichen
Ertrag, sondern es dient dazu, die Schüferei in den betreffenden Gemarkungen
überhaupt zu ermöglichen, und ans der Schäferei ziehen die Gemeinden hohe
Pachtzinse, denen gegenüber der Ertrag des zu Wald angelegten bisherigen
Weidelandes verschwindend klein sein würde. Hierzu kommt der Umstand, daß
die neuerdings immer mehr um sich greifende Verwendung eiserner Eisenbahn¬
schwellen demi Walde mit einer weiteren Schmälerung seines an sich geringen
Reinertrages droht; ganz abgesehen von der stetigen Verschlimmerung der
Brennholzpreise durch Vermehrung des Steinkohlenkonsums, in welche -- als
w ein unvermeidliches Übel -- der Waldbesitzer sich nach und nach schickt.

Zu bedauern wäre es trotz allem, wenn die Schattenseiten des vorjährigen
basischen Gesetzentwurfes die löblichen Absichten der badischen Regierung in bezug
"uf die Förderung der Waldanlage an wirklich geeigneten Stellen vereiteln
würden. Im übrigen dürfte das badische Beispiel zeigen, daß die Frage, ob
in den einzelnen Bundesstaaten bisher genug zur Förderung wünschenswerter
Aufforstungen geschehen sei, durch eine Enquete, welche sich nur auf einzelne
typische Gemeinden erstreckt, kaum beantwortet werden kann. Die Frage nach
dem Umfange, den die Aufforstungen annehmen würden, wenn man prinzipiell
alles Land mit sogenanntem absoluten Waldboden aufforsten wollte, sowie nach


Grenzboten III. 1834. S7
Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Umstand, welcher hohe Wert auf Herbeiführung der Aufforstung geringen Acker-,
Wiesen- und Weidelandes gelegt wird; der Erhebungsbericht läßt keine Gelegen¬
heit vorübergehen, das Aufforstungsthema aufzugreifen. Es ist das beste, diesen
Punkt hier sofort zu erledigen. Im verflossenen Jahre legte das badische Mi¬
nisterium des Innern den landwirtschaftlichen Vereinen einen Gesetzentwurf zur
Begutachtung vor, welcher für Fälle, in denen das „öffentliche Interesse" es
wünschenswert erscheinen lasse, eine Zwangsaufforstung geringwertigen Geländes
ermöglichen sollte. Im Prinzip hätte man dem Entwürfe allenthalben gern
zugestimmt, obgleich etwa 33 Prozent des badischen Gesamtareals (Ende 1881:
532 651,43 Hektar) schon jetzt als Wald bewirtschaftet werden, und man wahr¬
lich nicht sagen kann, daß dies ein geringer Prozentsatz sei. Einleuchtend war
immerhin, daß noch in vielen Einzelfällen die Aufforstung im öffentlichen In¬
teresse notwendig sein konnte. Was nun aber die Sache bedenklich machte, war
der Umstand, daß die Frage, wann ein „öffentliches Interesse" vorliege, in einer
Art und Weise beantwortet war, die es möglich gemacht hätte, in jedem be¬
liebigen Falle das Vorhandensein eines solchen zu behaupten. Dazu waren für
die Begutachtung in vorkommenden Zwangsfällen Kommissionen vorgesehen,
welche nach ihrer Zusammensetzung bei etwaigen Kollisionen zwischen forstlichem
und landwirtschaftlichen Interesse das letztere unbedingt zum Unterliegen bringen
mußten. Der Entwurf wurde deshalb von landwirtschaftlicher Seite ziemlich
kühl aufgenommen. Namentlich war dies der Fall in solchen Gegenden, in
welchen die Schäferei eine Lebensfrage für die Landwirtschaft ist. Das gering¬
wertige Weideland dieser Gegenden bringt eben nicht nur seinen eignen kärglichen
Ertrag, sondern es dient dazu, die Schüferei in den betreffenden Gemarkungen
überhaupt zu ermöglichen, und ans der Schäferei ziehen die Gemeinden hohe
Pachtzinse, denen gegenüber der Ertrag des zu Wald angelegten bisherigen
Weidelandes verschwindend klein sein würde. Hierzu kommt der Umstand, daß
die neuerdings immer mehr um sich greifende Verwendung eiserner Eisenbahn¬
schwellen demi Walde mit einer weiteren Schmälerung seines an sich geringen
Reinertrages droht; ganz abgesehen von der stetigen Verschlimmerung der
Brennholzpreise durch Vermehrung des Steinkohlenkonsums, in welche — als
w ein unvermeidliches Übel — der Waldbesitzer sich nach und nach schickt.

Zu bedauern wäre es trotz allem, wenn die Schattenseiten des vorjährigen
basischen Gesetzentwurfes die löblichen Absichten der badischen Regierung in bezug
"uf die Förderung der Waldanlage an wirklich geeigneten Stellen vereiteln
würden. Im übrigen dürfte das badische Beispiel zeigen, daß die Frage, ob
in den einzelnen Bundesstaaten bisher genug zur Förderung wünschenswerter
Aufforstungen geschehen sei, durch eine Enquete, welche sich nur auf einzelne
typische Gemeinden erstreckt, kaum beantwortet werden kann. Die Frage nach
dem Umfange, den die Aufforstungen annehmen würden, wenn man prinzipiell
alles Land mit sogenanntem absoluten Waldboden aufforsten wollte, sowie nach


Grenzboten III. 1834. S7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/457>, abgerufen am 27.06.2024.