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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Börsensteuerdebcitte.

Börse zu treffen, leider auch das gesamte Verkehrslebcn unter das Gesetz beugt.
Nun gehen aber jene Vertretungen weit über die berechtigte Jnteressenwcchr-
nehmung hinaus, da dieselben sich nicht etwa darauf beschränken, die dem regel¬
mäßigen Handel lustigen und wohlentbehrlichen Bestimmungen des Gesetzent¬
wurfes auszumerzen, sondern sich auch gegen jede Maßregel, welche etwa zur
Beschränkung des Spielraums der Börse selbst getroffen werden möchte, aus-
sprechen. Stets wird dann behauptet, in der Börse treffe man immer den
gesamten Handel, und das Börsenspiel diene zur Belebung des letztern. Ähnlich
drückte sich jüngst noch der Verein zur Währung der wirtschaftlichen Interessen
in Rheinland und Westfalen aus.

Einen Beweis freilich, daß die Börse, wie sie sich heute gestaltet hat, dem
Handel wirklich unentbehrlich sei, suchen wir vergebens. Alle Erklärungen der
Handelskammern gegen die Börsensteuer, soweit wir sie gesehen haben, sind le¬
diglich der Wiederhall des Lärms der Börse; zu einer Beweisführung für die
Wahrheit ihrer Behauptungen kommen sie nirgends; alles, was behauptet wird,
soll als unwiderlegbar erscheinen, und selbst die Angabe, daß kein Land eine
besondre Belastung oder Beschränkung der Börse kenne, wird immer noch mit
der größten Unbefangenheit zum besten gegeben. Erlaubte sich doch -- man
muß diesen Ausdruck brauchen -- die Handelskammer zu Frankfurt a. M. sogar
in einem Gutachten für die Regierung zu behaupten, Differenzgeschäfte kenne
man an der Börse garnicht; Differenzgeschäfte seien bloße Wetten! (Aber es
wird auch an der Frankfurter Börse "gewettet"!) Jeder Abschluß, der an der
Börse vorkomme, sei reell und komme stets, wenn auch vielleicht nach mannich-
fachen "Prolongationen," zum Abschluß durch "Lieferung." Selbst dem Laien,
der von Börsengeschäften garnichts versteht, muß die Keckheit dieser Behauptung
einleuchten, wenn er z. B. eine der Anzeigen von "Hombergers Börsenkomptoir"
liest. Da wird offen zum Differenzspiel an der Börse aufgefordert; und
die Handelskammer, die Aufsichtsbehörde der Börse, will keine Differenzgeschäftc
kennen!

Wenn dergleichen unter amtlicher Verantwortlichkeit an das Tageslicht
treten kaun, so darf man Unglaubliches in der Presse erwarten. In der That
behauptet denn auch der Abgeordnete Alexander Meyer in einem Aufsatze, der
zuerst in der "Neuen Freien Presse" erschien, der aber dann in eine Menge
kleinerer Blätter gebracht worden ist, an der Börse gebe es gar keine reichen
Leute, und die Reichtümer, die man durch die Börsensteuer treffen wolle, seien
garnicht vorhanden! Und der Präsident der Frankfurter Handelskammer
giebt in einer Rede, die er halten wollte, die aber nur vorgelesen und in
den Zeitungen gedruckt worden ist, zwar zu, daß die Bankiers reiche Leute
seien; daß sie aber diese Reichtümer an der Börse erworben Hütten, erklärt er
für unwahr; sie seien reich ohne die Börse. Daß dergleichen von einem Han¬
delskammerpräsidenten, einer Persönlichkeit mit Autorität, der zugleich das


Die Börsensteuerdebcitte.

Börse zu treffen, leider auch das gesamte Verkehrslebcn unter das Gesetz beugt.
Nun gehen aber jene Vertretungen weit über die berechtigte Jnteressenwcchr-
nehmung hinaus, da dieselben sich nicht etwa darauf beschränken, die dem regel¬
mäßigen Handel lustigen und wohlentbehrlichen Bestimmungen des Gesetzent¬
wurfes auszumerzen, sondern sich auch gegen jede Maßregel, welche etwa zur
Beschränkung des Spielraums der Börse selbst getroffen werden möchte, aus-
sprechen. Stets wird dann behauptet, in der Börse treffe man immer den
gesamten Handel, und das Börsenspiel diene zur Belebung des letztern. Ähnlich
drückte sich jüngst noch der Verein zur Währung der wirtschaftlichen Interessen
in Rheinland und Westfalen aus.

Einen Beweis freilich, daß die Börse, wie sie sich heute gestaltet hat, dem
Handel wirklich unentbehrlich sei, suchen wir vergebens. Alle Erklärungen der
Handelskammern gegen die Börsensteuer, soweit wir sie gesehen haben, sind le¬
diglich der Wiederhall des Lärms der Börse; zu einer Beweisführung für die
Wahrheit ihrer Behauptungen kommen sie nirgends; alles, was behauptet wird,
soll als unwiderlegbar erscheinen, und selbst die Angabe, daß kein Land eine
besondre Belastung oder Beschränkung der Börse kenne, wird immer noch mit
der größten Unbefangenheit zum besten gegeben. Erlaubte sich doch — man
muß diesen Ausdruck brauchen — die Handelskammer zu Frankfurt a. M. sogar
in einem Gutachten für die Regierung zu behaupten, Differenzgeschäfte kenne
man an der Börse garnicht; Differenzgeschäfte seien bloße Wetten! (Aber es
wird auch an der Frankfurter Börse „gewettet"!) Jeder Abschluß, der an der
Börse vorkomme, sei reell und komme stets, wenn auch vielleicht nach mannich-
fachen „Prolongationen," zum Abschluß durch „Lieferung." Selbst dem Laien,
der von Börsengeschäften garnichts versteht, muß die Keckheit dieser Behauptung
einleuchten, wenn er z. B. eine der Anzeigen von „Hombergers Börsenkomptoir"
liest. Da wird offen zum Differenzspiel an der Börse aufgefordert; und
die Handelskammer, die Aufsichtsbehörde der Börse, will keine Differenzgeschäftc
kennen!

Wenn dergleichen unter amtlicher Verantwortlichkeit an das Tageslicht
treten kaun, so darf man Unglaubliches in der Presse erwarten. In der That
behauptet denn auch der Abgeordnete Alexander Meyer in einem Aufsatze, der
zuerst in der „Neuen Freien Presse" erschien, der aber dann in eine Menge
kleinerer Blätter gebracht worden ist, an der Börse gebe es gar keine reichen
Leute, und die Reichtümer, die man durch die Börsensteuer treffen wolle, seien
garnicht vorhanden! Und der Präsident der Frankfurter Handelskammer
giebt in einer Rede, die er halten wollte, die aber nur vorgelesen und in
den Zeitungen gedruckt worden ist, zwar zu, daß die Bankiers reiche Leute
seien; daß sie aber diese Reichtümer an der Börse erworben Hütten, erklärt er
für unwahr; sie seien reich ohne die Börse. Daß dergleichen von einem Han¬
delskammerpräsidenten, einer Persönlichkeit mit Autorität, der zugleich das


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[0269] Die Börsensteuerdebcitte. Börse zu treffen, leider auch das gesamte Verkehrslebcn unter das Gesetz beugt. Nun gehen aber jene Vertretungen weit über die berechtigte Jnteressenwcchr- nehmung hinaus, da dieselben sich nicht etwa darauf beschränken, die dem regel¬ mäßigen Handel lustigen und wohlentbehrlichen Bestimmungen des Gesetzent¬ wurfes auszumerzen, sondern sich auch gegen jede Maßregel, welche etwa zur Beschränkung des Spielraums der Börse selbst getroffen werden möchte, aus- sprechen. Stets wird dann behauptet, in der Börse treffe man immer den gesamten Handel, und das Börsenspiel diene zur Belebung des letztern. Ähnlich drückte sich jüngst noch der Verein zur Währung der wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen aus. Einen Beweis freilich, daß die Börse, wie sie sich heute gestaltet hat, dem Handel wirklich unentbehrlich sei, suchen wir vergebens. Alle Erklärungen der Handelskammern gegen die Börsensteuer, soweit wir sie gesehen haben, sind le¬ diglich der Wiederhall des Lärms der Börse; zu einer Beweisführung für die Wahrheit ihrer Behauptungen kommen sie nirgends; alles, was behauptet wird, soll als unwiderlegbar erscheinen, und selbst die Angabe, daß kein Land eine besondre Belastung oder Beschränkung der Börse kenne, wird immer noch mit der größten Unbefangenheit zum besten gegeben. Erlaubte sich doch — man muß diesen Ausdruck brauchen — die Handelskammer zu Frankfurt a. M. sogar in einem Gutachten für die Regierung zu behaupten, Differenzgeschäfte kenne man an der Börse garnicht; Differenzgeschäfte seien bloße Wetten! (Aber es wird auch an der Frankfurter Börse „gewettet"!) Jeder Abschluß, der an der Börse vorkomme, sei reell und komme stets, wenn auch vielleicht nach mannich- fachen „Prolongationen," zum Abschluß durch „Lieferung." Selbst dem Laien, der von Börsengeschäften garnichts versteht, muß die Keckheit dieser Behauptung einleuchten, wenn er z. B. eine der Anzeigen von „Hombergers Börsenkomptoir" liest. Da wird offen zum Differenzspiel an der Börse aufgefordert; und die Handelskammer, die Aufsichtsbehörde der Börse, will keine Differenzgeschäftc kennen! Wenn dergleichen unter amtlicher Verantwortlichkeit an das Tageslicht treten kaun, so darf man Unglaubliches in der Presse erwarten. In der That behauptet denn auch der Abgeordnete Alexander Meyer in einem Aufsatze, der zuerst in der „Neuen Freien Presse" erschien, der aber dann in eine Menge kleinerer Blätter gebracht worden ist, an der Börse gebe es gar keine reichen Leute, und die Reichtümer, die man durch die Börsensteuer treffen wolle, seien garnicht vorhanden! Und der Präsident der Frankfurter Handelskammer giebt in einer Rede, die er halten wollte, die aber nur vorgelesen und in den Zeitungen gedruckt worden ist, zwar zu, daß die Bankiers reiche Leute seien; daß sie aber diese Reichtümer an der Börse erworben Hütten, erklärt er für unwahr; sie seien reich ohne die Börse. Daß dergleichen von einem Han¬ delskammerpräsidenten, einer Persönlichkeit mit Autorität, der zugleich das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/269>, abgerufen am 21.06.2024.