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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Herr auftritt und sagt: "Ich bin der und der Ansicht," so hat das wenig
zu bedeuten. Kann er aber statt dessen eine Erklärung in die Welt schicken:
"Der Verein so und so hat folgenden Beschluß gefaßt: .... Der Präsident
des Vereins, X.," so klingt das gleich ganz anders, wenn es auch vielleicht
der Sache nach das unmliche ist.

Herr A. Delbrück, welchem der Entwurf des neuen Aktiengesetzes ein Dorn
im Auge war, hatte gegen denselben eine mächtige Agitation in Gang zu setzen
gesucht. Als Präsident des deutschen Handclstnges hatte er ein Ausschreibe"
an die deutschen Handelskammern erlassen, in welchem diesen eine Menge Fragen
gestellt, zugleich aber auch in diese Fragen die gewünschten, gegen den Entwurf
gerichteten Antworten hineingelegt waren; und viele Handelskammern waren
auch so gefällig, die Fragen ganz in diesem Sinne zu beantworten. Zugleich
sandte Herr A. Delbrück die bereits erwähnte Schrift in die Welt, durch welche
er den Entwurf als eine durchaus unbrauchbare akademische Arbeit zu chcirak-
tcrisiren suchte. Endlich wurde auch der deutsche Handelstag berufen, um sein
Votum gegen den neuen Entwurf abzugeben. Nun hat aber diese ganze Agi¬
tation nichts gefruchtet. Der Entwurf ist im Reichstage mit vielem Fleiß
bearbeitet und demnächst mit großer Stimmenmehrheit angenommen worden.
Zwar haben die "Freisinnigen" gegen denselben gestimmt. Aber selbst Herr
Richter hat in der Begründung dieser Abstimmung das wegwerfende Urteil
Delbrücks sich nicht angeeignet, vielmehr auf die Erklärung sich beschränkt, daß
er und seine Freunde dagegen stimmten, weil sie mit dem Gesetze nicht in aus¬
reichender Weise sich hätten beschäftigen können.

Wir vermuten, daß Herr A. Delbrück durch diesen für ihn wenig befrie¬
digenden Ausgang seiner Agitation sich veranlaßt gesehen hat, für künftige
Fälle auf kräftigere Mittel zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen von
Handel und Gewerbe, so wie er sie auffaßt, zu denken. Für diesen Zweck soll
ihm nun der neue Verein dienen. Kommt wieder ein ähnliches Gesetz in Sicht,
so will er nicht die gemeine Soldateska der Handelskammern, die sich diesmal
so unzureichend bewährt hat, dagegen aufbieten, sondern es sollen die schweren
Geschütze des neuen Vereins abprotzen, und mit diesen soll das neue Gesetz
beschossen werden. Ein Verein, der Hunderte von Millionen repräsentirt, ist
schon ein Wort.

Zugleich soll der Verein auf die öffentliche Meinung wirken. Daß derselbe
im reichsten Maße die Mittel besitzt, mit welchen man heutzutage öffentliche
Meinung machen kann, ist ja unzweifelhaft. Wir möchten aber doch raten, daß
bei dieser gewiß auch schon bisher geübten Wirksamkeit die Mitglieder des Vereins
ihre bisherige Anonymität bewahren. Denn wir glauben nicht zu irren, wenn
wir behaupten, daß ein Verein unsrer Geldmänner mosaischen und christlichen
Glaubens, wenn er w oorxors für angebliche öffentliche Interessen auftreten
wollte, auf besondre Sympathien in unserm Volke nicht zu rechnen hätte.




Ein neuer Verein.

Herr auftritt und sagt: „Ich bin der und der Ansicht," so hat das wenig
zu bedeuten. Kann er aber statt dessen eine Erklärung in die Welt schicken:
„Der Verein so und so hat folgenden Beschluß gefaßt: .... Der Präsident
des Vereins, X.," so klingt das gleich ganz anders, wenn es auch vielleicht
der Sache nach das unmliche ist.

Herr A. Delbrück, welchem der Entwurf des neuen Aktiengesetzes ein Dorn
im Auge war, hatte gegen denselben eine mächtige Agitation in Gang zu setzen
gesucht. Als Präsident des deutschen Handclstnges hatte er ein Ausschreibe«
an die deutschen Handelskammern erlassen, in welchem diesen eine Menge Fragen
gestellt, zugleich aber auch in diese Fragen die gewünschten, gegen den Entwurf
gerichteten Antworten hineingelegt waren; und viele Handelskammern waren
auch so gefällig, die Fragen ganz in diesem Sinne zu beantworten. Zugleich
sandte Herr A. Delbrück die bereits erwähnte Schrift in die Welt, durch welche
er den Entwurf als eine durchaus unbrauchbare akademische Arbeit zu chcirak-
tcrisiren suchte. Endlich wurde auch der deutsche Handelstag berufen, um sein
Votum gegen den neuen Entwurf abzugeben. Nun hat aber diese ganze Agi¬
tation nichts gefruchtet. Der Entwurf ist im Reichstage mit vielem Fleiß
bearbeitet und demnächst mit großer Stimmenmehrheit angenommen worden.
Zwar haben die „Freisinnigen" gegen denselben gestimmt. Aber selbst Herr
Richter hat in der Begründung dieser Abstimmung das wegwerfende Urteil
Delbrücks sich nicht angeeignet, vielmehr auf die Erklärung sich beschränkt, daß
er und seine Freunde dagegen stimmten, weil sie mit dem Gesetze nicht in aus¬
reichender Weise sich hätten beschäftigen können.

Wir vermuten, daß Herr A. Delbrück durch diesen für ihn wenig befrie¬
digenden Ausgang seiner Agitation sich veranlaßt gesehen hat, für künftige
Fälle auf kräftigere Mittel zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen von
Handel und Gewerbe, so wie er sie auffaßt, zu denken. Für diesen Zweck soll
ihm nun der neue Verein dienen. Kommt wieder ein ähnliches Gesetz in Sicht,
so will er nicht die gemeine Soldateska der Handelskammern, die sich diesmal
so unzureichend bewährt hat, dagegen aufbieten, sondern es sollen die schweren
Geschütze des neuen Vereins abprotzen, und mit diesen soll das neue Gesetz
beschossen werden. Ein Verein, der Hunderte von Millionen repräsentirt, ist
schon ein Wort.

Zugleich soll der Verein auf die öffentliche Meinung wirken. Daß derselbe
im reichsten Maße die Mittel besitzt, mit welchen man heutzutage öffentliche
Meinung machen kann, ist ja unzweifelhaft. Wir möchten aber doch raten, daß
bei dieser gewiß auch schon bisher geübten Wirksamkeit die Mitglieder des Vereins
ihre bisherige Anonymität bewahren. Denn wir glauben nicht zu irren, wenn
wir behaupten, daß ein Verein unsrer Geldmänner mosaischen und christlichen
Glaubens, wenn er w oorxors für angebliche öffentliche Interessen auftreten
wollte, auf besondre Sympathien in unserm Volke nicht zu rechnen hätte.




Ein neuer Verein.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/215>, abgerufen am 21.06.2024.