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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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D?r Wirtschciftsbetru'l' des Senates.

Kunst- und Mnstcrinstitut, an welches sich die Tradition eines Jahrhunderts
knüpfe, die Aufrechthaltung verdiene. In Widerspruch mit dem Beschlusse der
Vorberatung wurde hierauf der für die Verlegung geforderte Betrag bewilligt
und damit der Fortbestand der Anstalt gesichert. (Landtagsverh. v. 1867,
sten. Ber. S. 245 fig., S. 1680 fig.) Auch noch bei spätern Verhandlungen
(so am 6. November 1877 und am 31. Januar 1879) wurde die geringe Ren¬
tabilität der Anstalt besprochen, und zugleich wurden die Leistungen derselben
als unbefriedigend bezeichnet. Gleichwohl besteht die Anstalt bis heute. Seit
dem Etatsjahre 1880--81 werden aber die Einnahmen und Ausgaben derselben
nicht mehr in einem besondern Spezialetat verrechnet, sondern im Etat des
Kultusministeriums aufgeführt.

Ein wirtschaftlich weit bedeutenderes Institut, welches derselben Zeit seine
Entstehung verdankt, ist die preußische Seehandlung. Ihre Schöpfung
(1772) ging aus Verhältnissen hervor, die mit der ersten Teilung Polens zu¬
sammenhingen. Sie wurde ausschließlich für befugt erklärt, fremdes Salz in
die Häfen Preußens einzuführen. Man warf ihr vor, daß sie damit einen
blühende" Handel Ostpreußens vernichtet habe. Mit der zweiten Teilung Polens
verlor jenes Privileg seine Bedeutung. Die Seehandlung fungirte aber fort
als Kommissivnärin für den überseeischen Ankauf von Salz zur Ausübung des
Salzmonopvls. Auch diese Funktion derselben hörte seit dem Jahre 1845 anf.
Durch die Kabinetsordre vom 17. Januar 1820 war aber die Anstalt zugleich
dazu bestimmt, alle ausländischen und auch die kaufmännisch zu betreibenden
inländischen Geldgeschäfte des preußischen Staates zu besorgen. Und nun erhob
sich die Anstalt zu einem großen Geld- und Handclsinstitut, welches ein unge¬
heures Jnduftrieuctz über den ganzen Staat verbreitete. Sie führte Bank- und
Geldgeschäfte, betrieb überseeischen Handel, sie hatte Dampf- und Segelschiffe,
errichtete gewerbliche Anstalten der mannichfaltigsten Art, bewirtschaftete große
Landgüter u. s. w. Im Jahre 1848 besaß sie 20 Fabriken, 9 Dampfschiffe,
23 Segelschiffe, 6 große Gutsherschaften. Vor dem preußischen Landtage aber
mußte sie an die Öffentlichkeit treten. Dabei kamen nicht allein die gegen eine
solche Stnatsanstalt obwaltenden volkswirtschaftlichen Bedenken zur Sprache,
sondern es stellte sich anch heraus, daß die Anstalt finanziell in einer sehr
bedenklichen Lage war, aus welcher sie sich nur mit Mühe herauszog. Im
Jahre 1850 beschloß die zweite Kammer, daß die Seehandlung künstig keine
neuen gewerblichen Anlagen gründen, die in ihrem Besitz befindlichen allmählich
veräußern und sich streng auf den durch die Verordnung vom 17. Januar
1820 ihr zugewiesenen Wirkungskreis beschränken möge. Die Regierung führte
diesen Beschluß nach Möglichkeit aus. Nach und nach wurden die meisten ge¬
werblichen Anstalten veräußert. Und die Seehandlung wurde nun der Haupt¬
sache nach ein großes Geld-, Wechsel- und Effektengeschäft, dessen vor allen der
preußische Staat für seine Geldoperationen sich bediente, und das zeitweise sehr
erhebliche Gewinne an die Staatskasse ablieferte.


D?r Wirtschciftsbetru'l' des Senates.

Kunst- und Mnstcrinstitut, an welches sich die Tradition eines Jahrhunderts
knüpfe, die Aufrechthaltung verdiene. In Widerspruch mit dem Beschlusse der
Vorberatung wurde hierauf der für die Verlegung geforderte Betrag bewilligt
und damit der Fortbestand der Anstalt gesichert. (Landtagsverh. v. 1867,
sten. Ber. S. 245 fig., S. 1680 fig.) Auch noch bei spätern Verhandlungen
(so am 6. November 1877 und am 31. Januar 1879) wurde die geringe Ren¬
tabilität der Anstalt besprochen, und zugleich wurden die Leistungen derselben
als unbefriedigend bezeichnet. Gleichwohl besteht die Anstalt bis heute. Seit
dem Etatsjahre 1880—81 werden aber die Einnahmen und Ausgaben derselben
nicht mehr in einem besondern Spezialetat verrechnet, sondern im Etat des
Kultusministeriums aufgeführt.

Ein wirtschaftlich weit bedeutenderes Institut, welches derselben Zeit seine
Entstehung verdankt, ist die preußische Seehandlung. Ihre Schöpfung
(1772) ging aus Verhältnissen hervor, die mit der ersten Teilung Polens zu¬
sammenhingen. Sie wurde ausschließlich für befugt erklärt, fremdes Salz in
die Häfen Preußens einzuführen. Man warf ihr vor, daß sie damit einen
blühende» Handel Ostpreußens vernichtet habe. Mit der zweiten Teilung Polens
verlor jenes Privileg seine Bedeutung. Die Seehandlung fungirte aber fort
als Kommissivnärin für den überseeischen Ankauf von Salz zur Ausübung des
Salzmonopvls. Auch diese Funktion derselben hörte seit dem Jahre 1845 anf.
Durch die Kabinetsordre vom 17. Januar 1820 war aber die Anstalt zugleich
dazu bestimmt, alle ausländischen und auch die kaufmännisch zu betreibenden
inländischen Geldgeschäfte des preußischen Staates zu besorgen. Und nun erhob
sich die Anstalt zu einem großen Geld- und Handclsinstitut, welches ein unge¬
heures Jnduftrieuctz über den ganzen Staat verbreitete. Sie führte Bank- und
Geldgeschäfte, betrieb überseeischen Handel, sie hatte Dampf- und Segelschiffe,
errichtete gewerbliche Anstalten der mannichfaltigsten Art, bewirtschaftete große
Landgüter u. s. w. Im Jahre 1848 besaß sie 20 Fabriken, 9 Dampfschiffe,
23 Segelschiffe, 6 große Gutsherschaften. Vor dem preußischen Landtage aber
mußte sie an die Öffentlichkeit treten. Dabei kamen nicht allein die gegen eine
solche Stnatsanstalt obwaltenden volkswirtschaftlichen Bedenken zur Sprache,
sondern es stellte sich anch heraus, daß die Anstalt finanziell in einer sehr
bedenklichen Lage war, aus welcher sie sich nur mit Mühe herauszog. Im
Jahre 1850 beschloß die zweite Kammer, daß die Seehandlung künstig keine
neuen gewerblichen Anlagen gründen, die in ihrem Besitz befindlichen allmählich
veräußern und sich streng auf den durch die Verordnung vom 17. Januar
1820 ihr zugewiesenen Wirkungskreis beschränken möge. Die Regierung führte
diesen Beschluß nach Möglichkeit aus. Nach und nach wurden die meisten ge¬
werblichen Anstalten veräußert. Und die Seehandlung wurde nun der Haupt¬
sache nach ein großes Geld-, Wechsel- und Effektengeschäft, dessen vor allen der
preußische Staat für seine Geldoperationen sich bediente, und das zeitweise sehr
erhebliche Gewinne an die Staatskasse ablieferte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/21>, abgerufen am 19.10.2024.