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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Deutsche Rolonialpolitik.

Wie aber der Reichskanzler jetzt zu der Kolonienfrage eine andre Stellung
einnimmt, so auch die Nation, soweit sie an großer Politik teilnimmt. Bei der
Samoafrage waren die Meinungen im Publikum noch sehr geteilt, und viele
verhielten sich gegen das betreffende Projekt noch gleichgiltig, viele verwarfen
es. Jetzt dagegen begegnete der neue Versuch, deu Reichstag für eine bestimmte
Kolonialpolitik zu gewinnen, nahezu aller Orten freudigem Willkommen und die
Ablehnung der Vorlage durch die Majorität lebhaftester Mißbilligung. Massen¬
haft gingen dem Reichskanzler aus deu verschiedensten Gegenden Deutschlands
Dankadressen für seine Initiative in der Sache zu, Vereine aller Art in Würtem-
berg, in Baden, in Sachsen (Dresden, Leipzig, Mecrcme), in Hessen und den
Rheinlanden wünschten ihm Glück zu seiner überseeischen Politik und erklärten
die Verschleppung des Subventionsgesetzcs für eine Schädigung der wirtschaft¬
lichen Interessen und der nationalen Entwicklung des Reiches, und es steht zu
hoffen, daß man bei den nächsten Reichstagswahlen sich dessen erinnern, die,
welche die Verschleppung veranlaßten, nicht für geeignete Vertreter des Volks-
willcns ansehen und statt ihrer solche Männer wählen wird, welche das Interesse
Deutschlands besser verstehen und ihm nicht eine tiefere Stellung als ihrem
Hasse gegen den Kanzler, ihrer Parteitheorie und ihrer Selbstgefälligkeit an¬
weisen. Fort mit dieser Opposition, diesen Kliquenpolitikern, diesen ewigen
Hemmschuhen alles wirklichen Fortschrittes, diesen nörgelnden Kleinmeistern! sei
die Wahlparole, und dabei lasse man sich nicht dadurch irre machen, daß einige
der Herren, als sie gemerkt, daß ihre Haltung ihnen bei den Wahlen schaden
könnte, notgedrungen die Politik des Kanzlers anerkannten. Die Verschleppung
blieb, und nicht an ihren Reden, sondern an ihren Thaten haben wir ihren
Wert zu messen. Sie haben sich wieder einmal selbst entlarvt, sich wieder einmal
deutlich von dem nationalen Bewußtsein geschieden, sie sind unbelehrbare und
unverbesserliche Gegner der Größe des Vaterlandes. Der Kanzler hat im
Reichstage und in seiner Antwort auf die Adresse der Freiburger Handels¬
kammer erklärt, daß das Subventionsgesetz dem neuen Reichstage wieder vor¬
gelegt werden soll, und wir hoffen, daß dann auch über die Beweggründe zu
demselben, die der Vorlage tiefere politische Bedeutung geben, aber jetzt ver¬
schwiegen werden mußten, Aufschluß erteilt werden kann. Mit Sicherheit ist
für diesen Fall vorauszusagen, daß die Herrschaften, die ihre Hauptpflicht in
der Verweigerung der Mittel erblicken, welche der Kanzler zur Verwirklichung
nützlicher Pläne bedarf, und die sich dabei auch in Sachen der äußern Politik
höchst lächerlicherweise klüger und besser unterrichtet zu sein einbilden als er,
ihr altes Spiel wieder beginnen werden, wenn sie die Wahlen hinter sich und
das vielgeliebte Mandat wieder ins Trockene gebracht haben. Darum nochmals
fort mit ihnen und gute Patrioten an ihre Stelle!




Deutsche Rolonialpolitik.

Wie aber der Reichskanzler jetzt zu der Kolonienfrage eine andre Stellung
einnimmt, so auch die Nation, soweit sie an großer Politik teilnimmt. Bei der
Samoafrage waren die Meinungen im Publikum noch sehr geteilt, und viele
verhielten sich gegen das betreffende Projekt noch gleichgiltig, viele verwarfen
es. Jetzt dagegen begegnete der neue Versuch, deu Reichstag für eine bestimmte
Kolonialpolitik zu gewinnen, nahezu aller Orten freudigem Willkommen und die
Ablehnung der Vorlage durch die Majorität lebhaftester Mißbilligung. Massen¬
haft gingen dem Reichskanzler aus deu verschiedensten Gegenden Deutschlands
Dankadressen für seine Initiative in der Sache zu, Vereine aller Art in Würtem-
berg, in Baden, in Sachsen (Dresden, Leipzig, Mecrcme), in Hessen und den
Rheinlanden wünschten ihm Glück zu seiner überseeischen Politik und erklärten
die Verschleppung des Subventionsgesetzcs für eine Schädigung der wirtschaft¬
lichen Interessen und der nationalen Entwicklung des Reiches, und es steht zu
hoffen, daß man bei den nächsten Reichstagswahlen sich dessen erinnern, die,
welche die Verschleppung veranlaßten, nicht für geeignete Vertreter des Volks-
willcns ansehen und statt ihrer solche Männer wählen wird, welche das Interesse
Deutschlands besser verstehen und ihm nicht eine tiefere Stellung als ihrem
Hasse gegen den Kanzler, ihrer Parteitheorie und ihrer Selbstgefälligkeit an¬
weisen. Fort mit dieser Opposition, diesen Kliquenpolitikern, diesen ewigen
Hemmschuhen alles wirklichen Fortschrittes, diesen nörgelnden Kleinmeistern! sei
die Wahlparole, und dabei lasse man sich nicht dadurch irre machen, daß einige
der Herren, als sie gemerkt, daß ihre Haltung ihnen bei den Wahlen schaden
könnte, notgedrungen die Politik des Kanzlers anerkannten. Die Verschleppung
blieb, und nicht an ihren Reden, sondern an ihren Thaten haben wir ihren
Wert zu messen. Sie haben sich wieder einmal selbst entlarvt, sich wieder einmal
deutlich von dem nationalen Bewußtsein geschieden, sie sind unbelehrbare und
unverbesserliche Gegner der Größe des Vaterlandes. Der Kanzler hat im
Reichstage und in seiner Antwort auf die Adresse der Freiburger Handels¬
kammer erklärt, daß das Subventionsgesetz dem neuen Reichstage wieder vor¬
gelegt werden soll, und wir hoffen, daß dann auch über die Beweggründe zu
demselben, die der Vorlage tiefere politische Bedeutung geben, aber jetzt ver¬
schwiegen werden mußten, Aufschluß erteilt werden kann. Mit Sicherheit ist
für diesen Fall vorauszusagen, daß die Herrschaften, die ihre Hauptpflicht in
der Verweigerung der Mittel erblicken, welche der Kanzler zur Verwirklichung
nützlicher Pläne bedarf, und die sich dabei auch in Sachen der äußern Politik
höchst lächerlicherweise klüger und besser unterrichtet zu sein einbilden als er,
ihr altes Spiel wieder beginnen werden, wenn sie die Wahlen hinter sich und
das vielgeliebte Mandat wieder ins Trockene gebracht haben. Darum nochmals
fort mit ihnen und gute Patrioten an ihre Stelle!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/174>, abgerufen am 23.06.2024.