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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das diesjährige Prachtwerk.

der kürzlich erschienenen "ersten illustrirten Ausgabe" von Heines "Buch der
Lieder,") welche sich im Oktoberhefte von "Nord und Süd" findet.

Die "Grenzboten'' haben die Genugthuung, in allen diesen Fragen seit
Jahren den Standpunkt eingenommen zu haben, den andre Zeitschriften jetzt
mehr oder weniger verschämt aufsuchen -- ob aus Überzeugung aufsuchen, oder
weil sie an ihrer Abonnentenzahl die unliebsame Bemerkung gemacht haben, daß
dem Urteil einer verständigen und denkenden Minderheit unsers Volkes sich nicht
ungestraft fort und fort Hohn sprechen läßt, wollen wir nicht untersuchen.

Als die "Grenzboten" vor einigen Jahren wiederholt an einzelnen Erzeugnissen
der sogenannten Prachtwerksliteratur mit abfälligen, aber aufs eingehendste mo-
tivirten abfälligen Urteilen ein Exempel statuirten, standen sie mit diesen ihren
Urteilen innerhalb der deutschen Zeitschriften völlig isolirt da. Schon vorm Jahre
änderte sich das. Als im Sommer vorigen Jahres die Deutsche Verlags anstatt
in Stuttgart ihren illustrirten Goethe auf den Markt brachte, und die "Grenz-
boten sofort und ehe noch irgend eine andre deutsche Zeitschrift etwas über das
Unternehmen gebracht hatte, in einem geharnischten Artikel dagegen auftraten, der
aufs eingehendste das Verfehlte des Unternehmens und das zum Teil Unwürdige
seiner Ausführung darlegte, mochten andre Zeitschriften doch Bedenken tragen,
in ihrer gewohnten Manier in die Lärmtrompete zu stoßen, und so erschienen
überall sehr kurze und sehr kleinlaute Anzeigen dieses illustrirten Goethe.
Die "Grenzboten" nehmen noch heute das Verdienst für sich in Anspruch, damals
sofort einen kräftigen Riegel vorgeschoben zu haben. Wie anders würden die Be¬
sprechungen hie und da gelautet haben, wenn nicht der Grenzbotenartikel voraus¬
gegangen wäre! Aber auch in der Zwischenzeit haben wir diese Wahrnehmung
wiederholt bestätigt gefunden, und eines der schlagendsten Beispiele von dem sehr
veränderten Ton, den das Urteil gewisser Zeitschriften angeschlagen hat, ist,
wie gesagt, die oben erwähnte Kritik in "Nord und Süd." Wenn dieser
illustrirte Heine vor fünf Jahren erschienen wäre, damals, wo Herr Paul Lindau
aus Kameraderie oft das jämmerlichste Zeug in den Himmel hob und nur dann
und wann einmal an einem armen dummen Teufel zum Scheine den großen
Kritiker spielte, er würde damals ganz sicherlich eine solche Besprechung in
einer der von ihm herausgegebenen Zeitschriften nicht zugelassen haben.

Auch dem illustrirten Heine gegenüber hätten wir gern wieder den Ton
angegeben. "Nord und Süd" ist uns zuvorgekommen, weil ein "freundlicher
Zufall es gewollt hat," daß die Redaktion "schon vor dem Zeitpunkte der eigent¬
lichen Veröffentlichung (was ist denn eine "uneigentliche" Veröffentlichung?)
von dem Buche Einsicht nehmen durfte." Man kennt diese "freundlichen Zufälle" --



Heinrich Heines Buch der Lieder. Mit 12 Lichtdrnckbildcrn und 100 Text-
illustrativneu nach Originalzeichnungen von Paul Thumann. Erste swollte Gott, letztes
illustrirte Ausgabe. Leipzig, Adolf Titze. o, I. (1888),
Das diesjährige Prachtwerk.

der kürzlich erschienenen „ersten illustrirten Ausgabe" von Heines „Buch der
Lieder,") welche sich im Oktoberhefte von „Nord und Süd" findet.

Die „Grenzboten'' haben die Genugthuung, in allen diesen Fragen seit
Jahren den Standpunkt eingenommen zu haben, den andre Zeitschriften jetzt
mehr oder weniger verschämt aufsuchen — ob aus Überzeugung aufsuchen, oder
weil sie an ihrer Abonnentenzahl die unliebsame Bemerkung gemacht haben, daß
dem Urteil einer verständigen und denkenden Minderheit unsers Volkes sich nicht
ungestraft fort und fort Hohn sprechen läßt, wollen wir nicht untersuchen.

Als die „Grenzboten" vor einigen Jahren wiederholt an einzelnen Erzeugnissen
der sogenannten Prachtwerksliteratur mit abfälligen, aber aufs eingehendste mo-
tivirten abfälligen Urteilen ein Exempel statuirten, standen sie mit diesen ihren
Urteilen innerhalb der deutschen Zeitschriften völlig isolirt da. Schon vorm Jahre
änderte sich das. Als im Sommer vorigen Jahres die Deutsche Verlags anstatt
in Stuttgart ihren illustrirten Goethe auf den Markt brachte, und die „Grenz-
boten sofort und ehe noch irgend eine andre deutsche Zeitschrift etwas über das
Unternehmen gebracht hatte, in einem geharnischten Artikel dagegen auftraten, der
aufs eingehendste das Verfehlte des Unternehmens und das zum Teil Unwürdige
seiner Ausführung darlegte, mochten andre Zeitschriften doch Bedenken tragen,
in ihrer gewohnten Manier in die Lärmtrompete zu stoßen, und so erschienen
überall sehr kurze und sehr kleinlaute Anzeigen dieses illustrirten Goethe.
Die „Grenzboten" nehmen noch heute das Verdienst für sich in Anspruch, damals
sofort einen kräftigen Riegel vorgeschoben zu haben. Wie anders würden die Be¬
sprechungen hie und da gelautet haben, wenn nicht der Grenzbotenartikel voraus¬
gegangen wäre! Aber auch in der Zwischenzeit haben wir diese Wahrnehmung
wiederholt bestätigt gefunden, und eines der schlagendsten Beispiele von dem sehr
veränderten Ton, den das Urteil gewisser Zeitschriften angeschlagen hat, ist,
wie gesagt, die oben erwähnte Kritik in „Nord und Süd." Wenn dieser
illustrirte Heine vor fünf Jahren erschienen wäre, damals, wo Herr Paul Lindau
aus Kameraderie oft das jämmerlichste Zeug in den Himmel hob und nur dann
und wann einmal an einem armen dummen Teufel zum Scheine den großen
Kritiker spielte, er würde damals ganz sicherlich eine solche Besprechung in
einer der von ihm herausgegebenen Zeitschriften nicht zugelassen haben.

Auch dem illustrirten Heine gegenüber hätten wir gern wieder den Ton
angegeben. „Nord und Süd" ist uns zuvorgekommen, weil ein „freundlicher
Zufall es gewollt hat," daß die Redaktion „schon vor dem Zeitpunkte der eigent¬
lichen Veröffentlichung (was ist denn eine „uneigentliche" Veröffentlichung?)
von dem Buche Einsicht nehmen durfte." Man kennt diese „freundlichen Zufälle" —



Heinrich Heines Buch der Lieder. Mit 12 Lichtdrnckbildcrn und 100 Text-
illustrativneu nach Originalzeichnungen von Paul Thumann. Erste swollte Gott, letztes
illustrirte Ausgabe. Leipzig, Adolf Titze. o, I. (1888),
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[0634] Das diesjährige Prachtwerk. der kürzlich erschienenen „ersten illustrirten Ausgabe" von Heines „Buch der Lieder,") welche sich im Oktoberhefte von „Nord und Süd" findet. Die „Grenzboten'' haben die Genugthuung, in allen diesen Fragen seit Jahren den Standpunkt eingenommen zu haben, den andre Zeitschriften jetzt mehr oder weniger verschämt aufsuchen — ob aus Überzeugung aufsuchen, oder weil sie an ihrer Abonnentenzahl die unliebsame Bemerkung gemacht haben, daß dem Urteil einer verständigen und denkenden Minderheit unsers Volkes sich nicht ungestraft fort und fort Hohn sprechen läßt, wollen wir nicht untersuchen. Als die „Grenzboten" vor einigen Jahren wiederholt an einzelnen Erzeugnissen der sogenannten Prachtwerksliteratur mit abfälligen, aber aufs eingehendste mo- tivirten abfälligen Urteilen ein Exempel statuirten, standen sie mit diesen ihren Urteilen innerhalb der deutschen Zeitschriften völlig isolirt da. Schon vorm Jahre änderte sich das. Als im Sommer vorigen Jahres die Deutsche Verlags anstatt in Stuttgart ihren illustrirten Goethe auf den Markt brachte, und die „Grenz- boten sofort und ehe noch irgend eine andre deutsche Zeitschrift etwas über das Unternehmen gebracht hatte, in einem geharnischten Artikel dagegen auftraten, der aufs eingehendste das Verfehlte des Unternehmens und das zum Teil Unwürdige seiner Ausführung darlegte, mochten andre Zeitschriften doch Bedenken tragen, in ihrer gewohnten Manier in die Lärmtrompete zu stoßen, und so erschienen überall sehr kurze und sehr kleinlaute Anzeigen dieses illustrirten Goethe. Die „Grenzboten" nehmen noch heute das Verdienst für sich in Anspruch, damals sofort einen kräftigen Riegel vorgeschoben zu haben. Wie anders würden die Be¬ sprechungen hie und da gelautet haben, wenn nicht der Grenzbotenartikel voraus¬ gegangen wäre! Aber auch in der Zwischenzeit haben wir diese Wahrnehmung wiederholt bestätigt gefunden, und eines der schlagendsten Beispiele von dem sehr veränderten Ton, den das Urteil gewisser Zeitschriften angeschlagen hat, ist, wie gesagt, die oben erwähnte Kritik in „Nord und Süd." Wenn dieser illustrirte Heine vor fünf Jahren erschienen wäre, damals, wo Herr Paul Lindau aus Kameraderie oft das jämmerlichste Zeug in den Himmel hob und nur dann und wann einmal an einem armen dummen Teufel zum Scheine den großen Kritiker spielte, er würde damals ganz sicherlich eine solche Besprechung in einer der von ihm herausgegebenen Zeitschriften nicht zugelassen haben. Auch dem illustrirten Heine gegenüber hätten wir gern wieder den Ton angegeben. „Nord und Süd" ist uns zuvorgekommen, weil ein „freundlicher Zufall es gewollt hat," daß die Redaktion „schon vor dem Zeitpunkte der eigent¬ lichen Veröffentlichung (was ist denn eine „uneigentliche" Veröffentlichung?) von dem Buche Einsicht nehmen durfte." Man kennt diese „freundlichen Zufälle" — Heinrich Heines Buch der Lieder. Mit 12 Lichtdrnckbildcrn und 100 Text- illustrativneu nach Originalzeichnungen von Paul Thumann. Erste swollte Gott, letztes illustrirte Ausgabe. Leipzig, Adolf Titze. o, I. (1888),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/634>, abgerufen am 27.07.2024.