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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Desideria der Llementarlehrer,

Privatvermögen besitzt:, könne dem Antrage vorerst keine Folge gegeben werden.
Eine Erhöhung dieser Ruhegehalte -- hierin werden alle Parteien überein-
stimmen -- ist eine dringende und nicht mehr aufzuschiebende Notwendigkeit.
Von 82 Pfennigen täglich kann heutzutage auch der bescheidenste Mensch nicht
mehr sein Dasein fristen, und man kann unmöglich auf die Dauer einen Emeritus,
der dem Staate und der Gemeinde dreißig bis fünfzig Jahre treu gedient hat,
dann aber schwach und stumpf geworden ist, auf sein oder seiner Frau Ver¬
mögen verweisen. Ist das geschehen und hat der Mangel an flüssigen Mitteln
dazu genötigt, so liegt doch auch bei milder Beurteilung der Spruch sehr nahe:
vitnoils ost, satirs-in von seribors. Die vor einigen Jahren in Aussicht ge¬
stellten 600 Mark für jeden Emeritus -- ohne Rücksicht auf Armut oder
Vermögeusbesitz -- sind nach unsrer Meinung das Minimum des Emeriten¬
gehalts. Ist aber eine Familie in gedrückter Lage oder geradezu in Not, so
müssen auch für solche Lebensverhältnisse Mittel vorhanden sein, aus welchen
Zulagen bis auf 800 und 900 Mark gewährt werden können. Mau vergesse
nicht, daß der Emeritus seine Schulwohnung verlassen muß und daß zu der
Wohnungsmicte auch noch alle andern Ausgaben kommen. Wie weit fördern
da 600 Mark jährlicher Pension? Es sind im Augenblick, wie wir genau
wissen, nicht wenige preußische Schulen und Gemeinden geplagt mit alten, der
Ruhe dringend bedürftigen Lehrern, die herzlich gern ihren Abschied nähmen und
dem Schulstaub Valet sagten, wenn sie nicht fürchteten, ini Alter Mangel und
Entbehrung leiden zu müssen. Sie sträuben sich vor der Emeritiruug und
arbeiten mit Dransetzung der letzten Kraft, weil sie im Voraus nicht mit Sicher¬
heit wissen, welcher Pensivnssatz bei ihnen in Anwendung gebracht werden wird.
Kann ihre Arbeit, die nicht mit Freudigkeit gethan wird, dem Staate, der
Gemeinde, der Schuljugend zum Segen und zur Förderung gereichen?

Hinsichtlich der Gehalte der im Amte befindlichen Lehrer ist in deu letzte"
zehn Jahren von feiten des preußischen Staates Erkleckliches geschehen. Das
muß mit Dank anerkannt werden. Die meisten Schulstellen werden mit einem
Gehalt von 1000, 1050, 1100 Mark ausgeschrieben, wie wir aus den Regie-
ruugsamtsblättern und aus eigner Erfahrung wissen; fast Woche für Woche
finden wir bei Ausschreibung von Schulstellen jene Gehaltsfixirnng. Das kann
vorerst genügen. Für den ältern Lehrer treten stufenweise Alterszulagen hinzu.
Werden im Staatshaushaltsetat die Mittel für Zulage" zum Gehalt so reich¬
lich dargeboten, daß die Gehälter der älter" Lehrer bis auf 1500 und 1600 Mark
steigen, so sind deren Wünsche zunächst befriedigt. Vielleicht bringt auch in
diesem Punkte wie hinsichtlich der Stellung der Lehrerwitwen eine spätere, gelb-
reichere, vor deu Feinden und Widersachern Deutschlands, in sxsoiö Preußens,
gesichertere Zeit noch wesentliche Aufbesserungen.

Alle Ansprüche werden niemals volle Befriedigung finden, nur darauf kommt
es an, die Grenzlinie zu bezeichnen, innerhalb deren die Gehalte für Elementar-


Desideria der Llementarlehrer,

Privatvermögen besitzt:, könne dem Antrage vorerst keine Folge gegeben werden.
Eine Erhöhung dieser Ruhegehalte — hierin werden alle Parteien überein-
stimmen — ist eine dringende und nicht mehr aufzuschiebende Notwendigkeit.
Von 82 Pfennigen täglich kann heutzutage auch der bescheidenste Mensch nicht
mehr sein Dasein fristen, und man kann unmöglich auf die Dauer einen Emeritus,
der dem Staate und der Gemeinde dreißig bis fünfzig Jahre treu gedient hat,
dann aber schwach und stumpf geworden ist, auf sein oder seiner Frau Ver¬
mögen verweisen. Ist das geschehen und hat der Mangel an flüssigen Mitteln
dazu genötigt, so liegt doch auch bei milder Beurteilung der Spruch sehr nahe:
vitnoils ost, satirs-in von seribors. Die vor einigen Jahren in Aussicht ge¬
stellten 600 Mark für jeden Emeritus — ohne Rücksicht auf Armut oder
Vermögeusbesitz — sind nach unsrer Meinung das Minimum des Emeriten¬
gehalts. Ist aber eine Familie in gedrückter Lage oder geradezu in Not, so
müssen auch für solche Lebensverhältnisse Mittel vorhanden sein, aus welchen
Zulagen bis auf 800 und 900 Mark gewährt werden können. Mau vergesse
nicht, daß der Emeritus seine Schulwohnung verlassen muß und daß zu der
Wohnungsmicte auch noch alle andern Ausgaben kommen. Wie weit fördern
da 600 Mark jährlicher Pension? Es sind im Augenblick, wie wir genau
wissen, nicht wenige preußische Schulen und Gemeinden geplagt mit alten, der
Ruhe dringend bedürftigen Lehrern, die herzlich gern ihren Abschied nähmen und
dem Schulstaub Valet sagten, wenn sie nicht fürchteten, ini Alter Mangel und
Entbehrung leiden zu müssen. Sie sträuben sich vor der Emeritiruug und
arbeiten mit Dransetzung der letzten Kraft, weil sie im Voraus nicht mit Sicher¬
heit wissen, welcher Pensivnssatz bei ihnen in Anwendung gebracht werden wird.
Kann ihre Arbeit, die nicht mit Freudigkeit gethan wird, dem Staate, der
Gemeinde, der Schuljugend zum Segen und zur Förderung gereichen?

Hinsichtlich der Gehalte der im Amte befindlichen Lehrer ist in deu letzte»
zehn Jahren von feiten des preußischen Staates Erkleckliches geschehen. Das
muß mit Dank anerkannt werden. Die meisten Schulstellen werden mit einem
Gehalt von 1000, 1050, 1100 Mark ausgeschrieben, wie wir aus den Regie-
ruugsamtsblättern und aus eigner Erfahrung wissen; fast Woche für Woche
finden wir bei Ausschreibung von Schulstellen jene Gehaltsfixirnng. Das kann
vorerst genügen. Für den ältern Lehrer treten stufenweise Alterszulagen hinzu.
Werden im Staatshaushaltsetat die Mittel für Zulage» zum Gehalt so reich¬
lich dargeboten, daß die Gehälter der älter» Lehrer bis auf 1500 und 1600 Mark
steigen, so sind deren Wünsche zunächst befriedigt. Vielleicht bringt auch in
diesem Punkte wie hinsichtlich der Stellung der Lehrerwitwen eine spätere, gelb-
reichere, vor deu Feinden und Widersachern Deutschlands, in sxsoiö Preußens,
gesichertere Zeit noch wesentliche Aufbesserungen.

Alle Ansprüche werden niemals volle Befriedigung finden, nur darauf kommt
es an, die Grenzlinie zu bezeichnen, innerhalb deren die Gehalte für Elementar-


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[0610] Desideria der Llementarlehrer, Privatvermögen besitzt:, könne dem Antrage vorerst keine Folge gegeben werden. Eine Erhöhung dieser Ruhegehalte — hierin werden alle Parteien überein- stimmen — ist eine dringende und nicht mehr aufzuschiebende Notwendigkeit. Von 82 Pfennigen täglich kann heutzutage auch der bescheidenste Mensch nicht mehr sein Dasein fristen, und man kann unmöglich auf die Dauer einen Emeritus, der dem Staate und der Gemeinde dreißig bis fünfzig Jahre treu gedient hat, dann aber schwach und stumpf geworden ist, auf sein oder seiner Frau Ver¬ mögen verweisen. Ist das geschehen und hat der Mangel an flüssigen Mitteln dazu genötigt, so liegt doch auch bei milder Beurteilung der Spruch sehr nahe: vitnoils ost, satirs-in von seribors. Die vor einigen Jahren in Aussicht ge¬ stellten 600 Mark für jeden Emeritus — ohne Rücksicht auf Armut oder Vermögeusbesitz — sind nach unsrer Meinung das Minimum des Emeriten¬ gehalts. Ist aber eine Familie in gedrückter Lage oder geradezu in Not, so müssen auch für solche Lebensverhältnisse Mittel vorhanden sein, aus welchen Zulagen bis auf 800 und 900 Mark gewährt werden können. Mau vergesse nicht, daß der Emeritus seine Schulwohnung verlassen muß und daß zu der Wohnungsmicte auch noch alle andern Ausgaben kommen. Wie weit fördern da 600 Mark jährlicher Pension? Es sind im Augenblick, wie wir genau wissen, nicht wenige preußische Schulen und Gemeinden geplagt mit alten, der Ruhe dringend bedürftigen Lehrern, die herzlich gern ihren Abschied nähmen und dem Schulstaub Valet sagten, wenn sie nicht fürchteten, ini Alter Mangel und Entbehrung leiden zu müssen. Sie sträuben sich vor der Emeritiruug und arbeiten mit Dransetzung der letzten Kraft, weil sie im Voraus nicht mit Sicher¬ heit wissen, welcher Pensivnssatz bei ihnen in Anwendung gebracht werden wird. Kann ihre Arbeit, die nicht mit Freudigkeit gethan wird, dem Staate, der Gemeinde, der Schuljugend zum Segen und zur Förderung gereichen? Hinsichtlich der Gehalte der im Amte befindlichen Lehrer ist in deu letzte» zehn Jahren von feiten des preußischen Staates Erkleckliches geschehen. Das muß mit Dank anerkannt werden. Die meisten Schulstellen werden mit einem Gehalt von 1000, 1050, 1100 Mark ausgeschrieben, wie wir aus den Regie- ruugsamtsblättern und aus eigner Erfahrung wissen; fast Woche für Woche finden wir bei Ausschreibung von Schulstellen jene Gehaltsfixirnng. Das kann vorerst genügen. Für den ältern Lehrer treten stufenweise Alterszulagen hinzu. Werden im Staatshaushaltsetat die Mittel für Zulage» zum Gehalt so reich¬ lich dargeboten, daß die Gehälter der älter» Lehrer bis auf 1500 und 1600 Mark steigen, so sind deren Wünsche zunächst befriedigt. Vielleicht bringt auch in diesem Punkte wie hinsichtlich der Stellung der Lehrerwitwen eine spätere, gelb- reichere, vor deu Feinden und Widersachern Deutschlands, in sxsoiö Preußens, gesichertere Zeit noch wesentliche Aufbesserungen. Alle Ansprüche werden niemals volle Befriedigung finden, nur darauf kommt es an, die Grenzlinie zu bezeichnen, innerhalb deren die Gehalte für Elementar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/610>, abgerufen am 27.07.2024.