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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Dcis französische Gelbbuch über Tonki".

rät in einer Depesche an Waddingtvn im Oktober 1879 zu einem wirklichen
Protektorat über Tonkin, da dies der beste Weg sei, den unaufhörlichen Ver¬
wicklungen ein Ziel zu setzen. Um dieselbe Zeit erscheint Le Mhre de Vilars,
Gouverneur von Kochinchiua, aus der Bühne, um anzuzeigen, daß eine nnua-
mitische Gesandtschaft auf der Reise nach Paris sei, um über wichtige Fragen
zu verhandeln, die zwischen Tonkin und Frankreich schwebten.

Daß die Chinesen ihre verherrlichen Rechte in Tonkin niemals aus den
Augen verloren haben, ergiebt sich daraus, daß in den Depeschen der Marine-
uud Kolonialminister Fvurichou, Pothuan, Janrcguibcrrh und Cloue an ihre
Kollege" im Ministerium der auswärtige" Angelegenheiten häufig Stellen der
Pekinger Zeitung zitirt werden, die sich auf jene Rechte beziehen und sie energisch
wahren. Natürlich bringt das Gelbbnch auch die ganze Korrespondenz mit
Bonrec, dem frühern Gesandten Frankreichs in China, und es geht aus der¬
selben hervor, daß man zu einer gewissen Zeit einer Verständigung sehr nahe
war, daß aber Challemcl-Lacour die Beendigung des Streites verhinderte.

Von besonderm Interesse sind die neuesten Stücke der Sammlung. Die
Rede, die Ferry am 31. Oktober d. I. in der Deputirtenkammer gehalten hatte,
lenkte natürlich die Aufmerksamkeit der chinesischen Regierung ans sich. Die
Verlesung des Trievuscheu Telegramms seitens des französischen Premiers er¬
regte großen Anstoß, und wir sehen, daß Marquis Tseng unterm 5. November
aus London über die Sache an ihn geschrieben hat. Ferrh benachrichtigte den
Marquis am 17., daß die im Becken des Roten Stromes stehenden französischen
Truppen Befehl erhalten hätten, sich der Städte songeai, Hvughva und Baknin
zu bemächtigen, und ersuchte ihn, dies seiner Negierung zu melden und ihr zu
empfehlen, den Befehlshaber der chinesischen Truppen in dieser Gegend anzu¬
weisen, daß er in Gemeinschaft mit dem französischen General eine Demarkations¬
linie zwischen den beiderseitigen Stellungen ziehe. Der Marquis Tseng hatte
diese Mitteilung noch nicht erhalten, als er an demselben Tage an Ferrh schrieb,
um ihn zu benachrichtigen, daß seine Regierung kraft ihres Rechts als snzeräne
Macht vor einiger Zeit Truppen nach Tonkin gesandt habe, wie das schon wiederholt
geschehen sei. Am 19. November bemerkte hierauf Ferrh in einem Briefe dem
chinesischen Gesandten, daß im Hinblick auf die Mitteilung, die fein Schreiben
vom 5. gekreuzt habe, sein Vorschlag einer Demarkationslinie als das sicherste
Mittel erscheine, einen Zusammenstoß der französischen Streitkräfte mit den chine¬
sischen zu vermeiden. An dem nämlichen Tage übersandte Tseng dem franzö¬
sischen Premier die Abschrift eines Telegramms, welches er aus Peking empfangen
hatte, und welches den Text einer vom Tsong Li Jamen an den Geschäftsträger
Frankreichs in China gerichteten Depesche enthielt. Dieses Aktenstück, eine aus¬
führliche Rechtfertigung der Ansprüche Chinas auf die Oberherrlichkeit über das
Königreich Arran, ist bereits veröffentlicht worden. Auf diese Mitteilung ant¬
wortete Ferry am 22. November, indem er bemerkte, daß die meisten Einwürfe


Dcis französische Gelbbuch über Tonki».

rät in einer Depesche an Waddingtvn im Oktober 1879 zu einem wirklichen
Protektorat über Tonkin, da dies der beste Weg sei, den unaufhörlichen Ver¬
wicklungen ein Ziel zu setzen. Um dieselbe Zeit erscheint Le Mhre de Vilars,
Gouverneur von Kochinchiua, aus der Bühne, um anzuzeigen, daß eine nnua-
mitische Gesandtschaft auf der Reise nach Paris sei, um über wichtige Fragen
zu verhandeln, die zwischen Tonkin und Frankreich schwebten.

Daß die Chinesen ihre verherrlichen Rechte in Tonkin niemals aus den
Augen verloren haben, ergiebt sich daraus, daß in den Depeschen der Marine-
uud Kolonialminister Fvurichou, Pothuan, Janrcguibcrrh und Cloue an ihre
Kollege» im Ministerium der auswärtige» Angelegenheiten häufig Stellen der
Pekinger Zeitung zitirt werden, die sich auf jene Rechte beziehen und sie energisch
wahren. Natürlich bringt das Gelbbnch auch die ganze Korrespondenz mit
Bonrec, dem frühern Gesandten Frankreichs in China, und es geht aus der¬
selben hervor, daß man zu einer gewissen Zeit einer Verständigung sehr nahe
war, daß aber Challemcl-Lacour die Beendigung des Streites verhinderte.

Von besonderm Interesse sind die neuesten Stücke der Sammlung. Die
Rede, die Ferry am 31. Oktober d. I. in der Deputirtenkammer gehalten hatte,
lenkte natürlich die Aufmerksamkeit der chinesischen Regierung ans sich. Die
Verlesung des Trievuscheu Telegramms seitens des französischen Premiers er¬
regte großen Anstoß, und wir sehen, daß Marquis Tseng unterm 5. November
aus London über die Sache an ihn geschrieben hat. Ferrh benachrichtigte den
Marquis am 17., daß die im Becken des Roten Stromes stehenden französischen
Truppen Befehl erhalten hätten, sich der Städte songeai, Hvughva und Baknin
zu bemächtigen, und ersuchte ihn, dies seiner Negierung zu melden und ihr zu
empfehlen, den Befehlshaber der chinesischen Truppen in dieser Gegend anzu¬
weisen, daß er in Gemeinschaft mit dem französischen General eine Demarkations¬
linie zwischen den beiderseitigen Stellungen ziehe. Der Marquis Tseng hatte
diese Mitteilung noch nicht erhalten, als er an demselben Tage an Ferrh schrieb,
um ihn zu benachrichtigen, daß seine Regierung kraft ihres Rechts als snzeräne
Macht vor einiger Zeit Truppen nach Tonkin gesandt habe, wie das schon wiederholt
geschehen sei. Am 19. November bemerkte hierauf Ferrh in einem Briefe dem
chinesischen Gesandten, daß im Hinblick auf die Mitteilung, die fein Schreiben
vom 5. gekreuzt habe, sein Vorschlag einer Demarkationslinie als das sicherste
Mittel erscheine, einen Zusammenstoß der französischen Streitkräfte mit den chine¬
sischen zu vermeiden. An dem nämlichen Tage übersandte Tseng dem franzö¬
sischen Premier die Abschrift eines Telegramms, welches er aus Peking empfangen
hatte, und welches den Text einer vom Tsong Li Jamen an den Geschäftsträger
Frankreichs in China gerichteten Depesche enthielt. Dieses Aktenstück, eine aus¬
führliche Rechtfertigung der Ansprüche Chinas auf die Oberherrlichkeit über das
Königreich Arran, ist bereits veröffentlicht worden. Auf diese Mitteilung ant¬
wortete Ferry am 22. November, indem er bemerkte, daß die meisten Einwürfe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/596>, abgerufen am 27.07.2024.