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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Line Geschichte der amerikanischen Literatur.

von Harvard umgab. "Die Universitäten Amerikas, schreibt er. verbinden einige
der schönsten Züge der englischen und der deutschen; die Freiheit der letzteren
mit den geselligen Banden eines gemeinsamen Lebens, das einen glücklichen und
gesunden Geist, den esM-it us vorxs jugendlicher und begeisterter Naturen er¬
zeugt. Den Lehrern daselbst ist die in ihrem Lande so willkommene Gelegen¬
heit gelehrter und lernender Muße geboten, die nur in der Unabhängigkeit
möglich ist. Kein Sektirergeist, der den besten dieser amerikanischen Hochschule"
fernbleibt, hemmt den freien Flug des Geistes in alle Räume der Wissen¬
schaften, sodaß diese Schulen dem Namen einer Universität volle Ehre machen.
Nichts berührt den Fremden angenehmer als die gesellige Eintracht, welche die
literarischen Kreise dieser Anstalten verbindet." Nichol scheint hier persönliche
Eindrücke wiederzugeben.

Den "Repräsentanten" unter Amerikas Dichtern läßt Nichol den Kreis der
politischen und der kleineren Dichter folgen: die Lowell, Whittier und Holmes,
die Percivcil, Drake, Halleck u. a.

Wir kommen sodann zu der wichtigen "transcendentalen Bewegung," welche
sich an das Erscheinen der Zeitschrift ont (im Jahre 1840 zu Boston) an¬
schließt. Diese Zeitschrift war die erste, welche deutsche Philosophie und deutsche
klassische Dichtung einem kleinen Kreise lernbegieriger Amerikaner vermittelte.
Ihr Herausgeber war in den ersten Jahren eine Frau, Margaret Füller, die
spätere Gräfin d'Ossoli, in spätern Jahren deren Freund Ralph W. Emerson,
der bald als das Haupt jener Bewegung seine Mitarbeiter, unter denen Bronsvn
Alcott und Thorcan sich auszeichneten, überragte. Emcrsvns Philosophie und
Ethik hat das eingehendste Studium Nichols gefunden, und er hat sich die Ge¬
legenheit nicht entgehen lassen, eine an Licht und Schatten reiche Parallele
zwischen Emerson und seinem charakterverwandtcu großen Freunde Thomas
Carlyle zu ziehen.

Bei der Betrachtung des Kreises geistig hochstehender Männer, welche Zu¬
fall und Wahl in dem nahe bei Boston gelegenen Städtchen Concord während
der vierziger und fünfziger Jahre zusammenführte, geschaart um den zarten,
sinnigen und doch tiefen und einschneidend reformatorischen Geist Emersons,
können wir den Wunsch nicht unterlassen, es möchte einmal ein deutscher Schrift¬
steller ein Bild dieses literarischen Concord zeichnen, um unsern Landsleuten zu
zeigen, daß auch Amerika sein Weimar, wenn auch ein demokratisches, besessen
hat. Welches Bild gesunden literarischen Schaffens offenbart dieser Concord¬
kreis: hier im alten väterlichen Heim auf eigener Scholle Emerson, der seine
Studien fleißig unterbricht, um nach Garten und Feld zu sehen und gelegentlich
selbst Hacke und Schaufel in die Hand zu nehmen; dort in der "alten Klause"
der geheimnisvoll tiefsinnige Novellendichter Nathaniel Hawthorne, der Dichter
des 8<ZMlc;t löttöi', des Houss ok ssvön ZMes, der LlMöäalö Romane"? u. a.;
ferner Bronsvn Alcott, der etwas absonderliche Philosoph und Seher, umgeben


Line Geschichte der amerikanischen Literatur.

von Harvard umgab. „Die Universitäten Amerikas, schreibt er. verbinden einige
der schönsten Züge der englischen und der deutschen; die Freiheit der letzteren
mit den geselligen Banden eines gemeinsamen Lebens, das einen glücklichen und
gesunden Geist, den esM-it us vorxs jugendlicher und begeisterter Naturen er¬
zeugt. Den Lehrern daselbst ist die in ihrem Lande so willkommene Gelegen¬
heit gelehrter und lernender Muße geboten, die nur in der Unabhängigkeit
möglich ist. Kein Sektirergeist, der den besten dieser amerikanischen Hochschule»
fernbleibt, hemmt den freien Flug des Geistes in alle Räume der Wissen¬
schaften, sodaß diese Schulen dem Namen einer Universität volle Ehre machen.
Nichts berührt den Fremden angenehmer als die gesellige Eintracht, welche die
literarischen Kreise dieser Anstalten verbindet." Nichol scheint hier persönliche
Eindrücke wiederzugeben.

Den „Repräsentanten" unter Amerikas Dichtern läßt Nichol den Kreis der
politischen und der kleineren Dichter folgen: die Lowell, Whittier und Holmes,
die Percivcil, Drake, Halleck u. a.

Wir kommen sodann zu der wichtigen „transcendentalen Bewegung," welche
sich an das Erscheinen der Zeitschrift ont (im Jahre 1840 zu Boston) an¬
schließt. Diese Zeitschrift war die erste, welche deutsche Philosophie und deutsche
klassische Dichtung einem kleinen Kreise lernbegieriger Amerikaner vermittelte.
Ihr Herausgeber war in den ersten Jahren eine Frau, Margaret Füller, die
spätere Gräfin d'Ossoli, in spätern Jahren deren Freund Ralph W. Emerson,
der bald als das Haupt jener Bewegung seine Mitarbeiter, unter denen Bronsvn
Alcott und Thorcan sich auszeichneten, überragte. Emcrsvns Philosophie und
Ethik hat das eingehendste Studium Nichols gefunden, und er hat sich die Ge¬
legenheit nicht entgehen lassen, eine an Licht und Schatten reiche Parallele
zwischen Emerson und seinem charakterverwandtcu großen Freunde Thomas
Carlyle zu ziehen.

Bei der Betrachtung des Kreises geistig hochstehender Männer, welche Zu¬
fall und Wahl in dem nahe bei Boston gelegenen Städtchen Concord während
der vierziger und fünfziger Jahre zusammenführte, geschaart um den zarten,
sinnigen und doch tiefen und einschneidend reformatorischen Geist Emersons,
können wir den Wunsch nicht unterlassen, es möchte einmal ein deutscher Schrift¬
steller ein Bild dieses literarischen Concord zeichnen, um unsern Landsleuten zu
zeigen, daß auch Amerika sein Weimar, wenn auch ein demokratisches, besessen
hat. Welches Bild gesunden literarischen Schaffens offenbart dieser Concord¬
kreis: hier im alten väterlichen Heim auf eigener Scholle Emerson, der seine
Studien fleißig unterbricht, um nach Garten und Feld zu sehen und gelegentlich
selbst Hacke und Schaufel in die Hand zu nehmen; dort in der „alten Klause"
der geheimnisvoll tiefsinnige Novellendichter Nathaniel Hawthorne, der Dichter
des 8<ZMlc;t löttöi', des Houss ok ssvön ZMes, der LlMöäalö Romane«? u. a.;
ferner Bronsvn Alcott, der etwas absonderliche Philosoph und Seher, umgeben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/572>, abgerufen am 01.09.2024.