Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Francesca von Rimini, nehmen --, würde es allerdings vorgezogen haben, zu dieser Stunde -- es war Als unsre Gesellschaft die Künstlerhalle betrat, löste sie sich in mehrere Francesca von Rimini, nehmen —, würde es allerdings vorgezogen haben, zu dieser Stunde — es war Als unsre Gesellschaft die Künstlerhalle betrat, löste sie sich in mehrere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154220"/> <fw type="header" place="top"> Francesca von Rimini,</fw><lb/> <p xml:id="ID_148" prev="#ID_147"> nehmen —, würde es allerdings vorgezogen haben, zu dieser Stunde — es war<lb/> ein Uhr — seinen Aufenthalt einige Schritte weiter von der Kunsthalle in die<lb/> Börse verlegen zu können, wo er, als feine Firma von vereideten und unvcr-<lb/> eideteu Maklern aufs wärmste begrüßt, und jedenfalls unbeobachtet und<lb/> unkritisirt von seiner bessern Hälfte, sich mehr in seinem Behagen befunden haben<lb/> würde als hier, wo jedes unbedachte Wort — und deren hatte er viele —<lb/> einem strafenden Blick der Gattin oder, wenn es gar zu naiv war, einem freund¬<lb/> lichen Puff in die Seite begegnete. Allein offiziös war das Haupt der Familie<lb/> die Gattin, und ihren Wünschen entgegenzuhandeln war jedenfalls eine Aufgabe,<lb/> welcher das offizielle Haupt nicht gewachsen war. Mußte er doch, wenn er nicht<lb/> gleich mit frohlockender Miene einem Vorschlage seiner Gemahlin zustimmte,<lb/> sondern durch ein unartikulirtes Murmeln, wie im Parlament durch „Murren<lb/> links," seine Opposition zu erkennen gab, jedesmal eine große Rede entgegen¬<lb/> nehmen, welche eine Philippika gegen seine eigne Indolenz und Ungeschicklichkeit,<lb/> im Gegensatz hierzu aber einen Panegyrikus über die Genialität der ihm von<lb/> Gott bescheerten Gattin enthielt. Der Erfolg war dann jedesmal der gewünschte;<lb/> das „Murren links" ging in ein lebhaftes Bravo von allen Seiten des Hauses<lb/> über. Diese Umstimmung war aber keine künstliche, durch den Rcptilieufouds<lb/> hervorgerufene; sie war das Ergebnis einer unbedingten Anerkennung der bessern<lb/> Einsicht — eine Anerkennung, welche sich die Gattin in vollem Sinne des<lb/> Wortes durch eignes Verdienst zu erwerben verstanden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_149" next="#ID_150"> Als unsre Gesellschaft die Künstlerhalle betrat, löste sie sich in mehrere<lb/> Gruppen auf. Die beiden Mädchen, im rascheren Beschauen den Älteren über¬<lb/> legen, waren schneller in die Hinteren Säle gelangt und hatten auch hie und<lb/> da mit begegnenden Bekannten flüchtige Worte gewechselt. Frau Gensve da¬<lb/> gegen ließ sich eingehender von Dr. Spath die einzelnen Bilder nach dem Gegen¬<lb/> stande ihrer Darstellung, nach der Art ihrer Ausführung erklären, und der treue<lb/> Cicerone wurde nicht müde, die schwierigsten Erörterungen über Kunst und<lb/> Geschichte mit den Lebensschicksalen der Maler und mit Bemerkungen über die<lb/> Käufer früherer Werke von ihnen zu verknüpfen. Max Genöve, auf dessen<lb/> Aufmerksamkeit bei diesen ästhetischen und nicht ästhetischen Erörterungen doch<lb/> nicht zu rechnen war, wurde von der Gattin und deren Begleiter nicht weiter<lb/> beachtet. Das Haupt der Familie trottelte mißmutig und, mit seinen Gedanken<lb/> bei den Kursen von „Lombarden" und „Kredit," in einiger Entfernung hinter<lb/> ihnen her. Höchstens blieb er vor Darstellungen aus dem alten Testament<lb/> stehen, und die Klage Jeremici mit dem Wegzug der gefangenen Juden nach<lb/> Babhlon begeisterte ihn zu lobenden Äußerungen über die jüdischen Talente.<lb/> Denn er hielt den Maler Bendemann für einen Glaubensgenossen und setzte<lb/> einem begegnenden christlichen Geschäftsfreund auseinander, daß nur wer beim<lb/> Fasten wegen der Zerstörung des Tempels selbst die Klagelieder des Propheten<lb/> weinend gesungen habe, ein so schönes Bild malen könne. Die zerstreuten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Francesca von Rimini,
nehmen —, würde es allerdings vorgezogen haben, zu dieser Stunde — es war
ein Uhr — seinen Aufenthalt einige Schritte weiter von der Kunsthalle in die
Börse verlegen zu können, wo er, als feine Firma von vereideten und unvcr-
eideteu Maklern aufs wärmste begrüßt, und jedenfalls unbeobachtet und
unkritisirt von seiner bessern Hälfte, sich mehr in seinem Behagen befunden haben
würde als hier, wo jedes unbedachte Wort — und deren hatte er viele —
einem strafenden Blick der Gattin oder, wenn es gar zu naiv war, einem freund¬
lichen Puff in die Seite begegnete. Allein offiziös war das Haupt der Familie
die Gattin, und ihren Wünschen entgegenzuhandeln war jedenfalls eine Aufgabe,
welcher das offizielle Haupt nicht gewachsen war. Mußte er doch, wenn er nicht
gleich mit frohlockender Miene einem Vorschlage seiner Gemahlin zustimmte,
sondern durch ein unartikulirtes Murmeln, wie im Parlament durch „Murren
links," seine Opposition zu erkennen gab, jedesmal eine große Rede entgegen¬
nehmen, welche eine Philippika gegen seine eigne Indolenz und Ungeschicklichkeit,
im Gegensatz hierzu aber einen Panegyrikus über die Genialität der ihm von
Gott bescheerten Gattin enthielt. Der Erfolg war dann jedesmal der gewünschte;
das „Murren links" ging in ein lebhaftes Bravo von allen Seiten des Hauses
über. Diese Umstimmung war aber keine künstliche, durch den Rcptilieufouds
hervorgerufene; sie war das Ergebnis einer unbedingten Anerkennung der bessern
Einsicht — eine Anerkennung, welche sich die Gattin in vollem Sinne des
Wortes durch eignes Verdienst zu erwerben verstanden hatte.
Als unsre Gesellschaft die Künstlerhalle betrat, löste sie sich in mehrere
Gruppen auf. Die beiden Mädchen, im rascheren Beschauen den Älteren über¬
legen, waren schneller in die Hinteren Säle gelangt und hatten auch hie und
da mit begegnenden Bekannten flüchtige Worte gewechselt. Frau Gensve da¬
gegen ließ sich eingehender von Dr. Spath die einzelnen Bilder nach dem Gegen¬
stande ihrer Darstellung, nach der Art ihrer Ausführung erklären, und der treue
Cicerone wurde nicht müde, die schwierigsten Erörterungen über Kunst und
Geschichte mit den Lebensschicksalen der Maler und mit Bemerkungen über die
Käufer früherer Werke von ihnen zu verknüpfen. Max Genöve, auf dessen
Aufmerksamkeit bei diesen ästhetischen und nicht ästhetischen Erörterungen doch
nicht zu rechnen war, wurde von der Gattin und deren Begleiter nicht weiter
beachtet. Das Haupt der Familie trottelte mißmutig und, mit seinen Gedanken
bei den Kursen von „Lombarden" und „Kredit," in einiger Entfernung hinter
ihnen her. Höchstens blieb er vor Darstellungen aus dem alten Testament
stehen, und die Klage Jeremici mit dem Wegzug der gefangenen Juden nach
Babhlon begeisterte ihn zu lobenden Äußerungen über die jüdischen Talente.
Denn er hielt den Maler Bendemann für einen Glaubensgenossen und setzte
einem begegnenden christlichen Geschäftsfreund auseinander, daß nur wer beim
Fasten wegen der Zerstörung des Tempels selbst die Klagelieder des Propheten
weinend gesungen habe, ein so schönes Bild malen könne. Die zerstreuten
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