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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die historische Rominission in München,

übertragen. Und es ist fleißig ein diesen Jahrbüchern gearbeitet worden. "Vier¬
undzwanzig Bände des großen Werkes liegen jetzt vor: die karolingische Ge¬
schichte ist in zehn Bänden vollständig behandelt, der Zeit der sächsischen Kaiser
sind bisher fünf Bände, der Zeit der Salier drei Bände und der staufischen
Periode sechs Bände gewidmet worden. Noch fehlen die Annalen Ottos II.
und III., Heinrichs IV. und V., Friedrichs I. und II.; aber man darf hoffen,
in wenigen Jahren diese empfindliche Lücke auszufüllen und damit an das vor¬
läufig gesteckte Ziel zu gelangen" -- so berichtet Giesebrecht über diesen Teil
der Arbeiten der Kommission. Man wird geneigt sein, auch seinem im ganzen
durchaus anerkennenden Urteil über die Ausführung des Werkes beizustimmen;
ist er doch auf diesem Gebiete gewiß zuerst berufen, sein Urteil abzugeben.

Noch wichtiger und großartiger erscheint ein andrer Vorschlag, den Ranke
dem soeben angeführten folgen ließ. Er bemerkte, wie neben der Geschichte der
schönen Literatur und der Kunst in Deutschland die Geschichte der gelehrten
Studien in Rückstand geblieben sei, und schlug vor, ein Werk in Angriff zu
nehmen, das eine Geschichte der Wissenschaften in Deutschland darstellen
sollte. Auch hier erhob Droysen Zweifel, ob gerade die Kommission einen
solchen Anstoß zu geben geeignet sei, sodaß man beschloß, zunächst eine speziellere
Vorlage in der nächsten Jahressitzung abzuwarten. In dieser brachte dann
Ranke einen erweiterten Entwurf vor in dieser Sache, der bei aller Knappheit
des Vortrages doch die wesentlichsten Gesichtspunkte klar und bestimmt hervor¬
hebt und ein wahres Meisterstück in organisatorischer Hinsicht genannt werden
muß, nebenbei bemerkt auch stilistisch die höchste Vollendung zeigt.*) Die nähere
Darlegung des Planes veranlaßte nunmehr die Kommission, dessen Ausführung
in den Kreis ihrer Untersuchungen aufzunehmen. König Maximilian setzte die
größten Hoffnungen auf die Ausführung desselben und erklärte, die Kosten in
ihrem ganzen auf 50 000 Gulden angeschlagenen Umfange durch eine besondre
Bewilligung decken zu wollen. Es war ihm nicht mehr vergönnt, auch nur die
Anfänge dieses wahrhaft nationalen Werkes zu schauen. Dennoch wurde das¬
selbe so rasch und energisch gefördert, daß es wenigstens für den der neuern
Zeit gewidmeten Teil, der mit Recht zuerst in Angriff genommen wurde, seiner
Vollendung entgegengeht. Erst vor wenigen Tagen erhielten wir K. Bursians
Geschichte der klassischen Philologie, der sich die noch ausstehenden Dar¬
stellungen der Geschichte der Historiographie, der Geologie, der Physik, der
Medizin und der Kriegswissenschaften in nicht zu ferner Zeit anschließen sollen.
Die Kommission hat ferner die Ausdehnung des Werkes auf die Zeit des
Mittelalters bereits ins Auge gefaßt. Das gesamte Werk aber, wenn erst voll¬
endet, wird sicher den Ausspruch Döllingers bestätigen, daß wir es getrost dem



*) DcrEntwmf ist abgedruckt inSybcls historischcrZmtschnft Band IIBcilagc S. 54--61.
Die historische Rominission in München,

übertragen. Und es ist fleißig ein diesen Jahrbüchern gearbeitet worden. „Vier¬
undzwanzig Bände des großen Werkes liegen jetzt vor: die karolingische Ge¬
schichte ist in zehn Bänden vollständig behandelt, der Zeit der sächsischen Kaiser
sind bisher fünf Bände, der Zeit der Salier drei Bände und der staufischen
Periode sechs Bände gewidmet worden. Noch fehlen die Annalen Ottos II.
und III., Heinrichs IV. und V., Friedrichs I. und II.; aber man darf hoffen,
in wenigen Jahren diese empfindliche Lücke auszufüllen und damit an das vor¬
läufig gesteckte Ziel zu gelangen" — so berichtet Giesebrecht über diesen Teil
der Arbeiten der Kommission. Man wird geneigt sein, auch seinem im ganzen
durchaus anerkennenden Urteil über die Ausführung des Werkes beizustimmen;
ist er doch auf diesem Gebiete gewiß zuerst berufen, sein Urteil abzugeben.

Noch wichtiger und großartiger erscheint ein andrer Vorschlag, den Ranke
dem soeben angeführten folgen ließ. Er bemerkte, wie neben der Geschichte der
schönen Literatur und der Kunst in Deutschland die Geschichte der gelehrten
Studien in Rückstand geblieben sei, und schlug vor, ein Werk in Angriff zu
nehmen, das eine Geschichte der Wissenschaften in Deutschland darstellen
sollte. Auch hier erhob Droysen Zweifel, ob gerade die Kommission einen
solchen Anstoß zu geben geeignet sei, sodaß man beschloß, zunächst eine speziellere
Vorlage in der nächsten Jahressitzung abzuwarten. In dieser brachte dann
Ranke einen erweiterten Entwurf vor in dieser Sache, der bei aller Knappheit
des Vortrages doch die wesentlichsten Gesichtspunkte klar und bestimmt hervor¬
hebt und ein wahres Meisterstück in organisatorischer Hinsicht genannt werden
muß, nebenbei bemerkt auch stilistisch die höchste Vollendung zeigt.*) Die nähere
Darlegung des Planes veranlaßte nunmehr die Kommission, dessen Ausführung
in den Kreis ihrer Untersuchungen aufzunehmen. König Maximilian setzte die
größten Hoffnungen auf die Ausführung desselben und erklärte, die Kosten in
ihrem ganzen auf 50 000 Gulden angeschlagenen Umfange durch eine besondre
Bewilligung decken zu wollen. Es war ihm nicht mehr vergönnt, auch nur die
Anfänge dieses wahrhaft nationalen Werkes zu schauen. Dennoch wurde das¬
selbe so rasch und energisch gefördert, daß es wenigstens für den der neuern
Zeit gewidmeten Teil, der mit Recht zuerst in Angriff genommen wurde, seiner
Vollendung entgegengeht. Erst vor wenigen Tagen erhielten wir K. Bursians
Geschichte der klassischen Philologie, der sich die noch ausstehenden Dar¬
stellungen der Geschichte der Historiographie, der Geologie, der Physik, der
Medizin und der Kriegswissenschaften in nicht zu ferner Zeit anschließen sollen.
Die Kommission hat ferner die Ausdehnung des Werkes auf die Zeit des
Mittelalters bereits ins Auge gefaßt. Das gesamte Werk aber, wenn erst voll¬
endet, wird sicher den Ausspruch Döllingers bestätigen, daß wir es getrost dem



*) DcrEntwmf ist abgedruckt inSybcls historischcrZmtschnft Band IIBcilagc S. 54—61.
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[0493] Die historische Rominission in München, übertragen. Und es ist fleißig ein diesen Jahrbüchern gearbeitet worden. „Vier¬ undzwanzig Bände des großen Werkes liegen jetzt vor: die karolingische Ge¬ schichte ist in zehn Bänden vollständig behandelt, der Zeit der sächsischen Kaiser sind bisher fünf Bände, der Zeit der Salier drei Bände und der staufischen Periode sechs Bände gewidmet worden. Noch fehlen die Annalen Ottos II. und III., Heinrichs IV. und V., Friedrichs I. und II.; aber man darf hoffen, in wenigen Jahren diese empfindliche Lücke auszufüllen und damit an das vor¬ läufig gesteckte Ziel zu gelangen" — so berichtet Giesebrecht über diesen Teil der Arbeiten der Kommission. Man wird geneigt sein, auch seinem im ganzen durchaus anerkennenden Urteil über die Ausführung des Werkes beizustimmen; ist er doch auf diesem Gebiete gewiß zuerst berufen, sein Urteil abzugeben. Noch wichtiger und großartiger erscheint ein andrer Vorschlag, den Ranke dem soeben angeführten folgen ließ. Er bemerkte, wie neben der Geschichte der schönen Literatur und der Kunst in Deutschland die Geschichte der gelehrten Studien in Rückstand geblieben sei, und schlug vor, ein Werk in Angriff zu nehmen, das eine Geschichte der Wissenschaften in Deutschland darstellen sollte. Auch hier erhob Droysen Zweifel, ob gerade die Kommission einen solchen Anstoß zu geben geeignet sei, sodaß man beschloß, zunächst eine speziellere Vorlage in der nächsten Jahressitzung abzuwarten. In dieser brachte dann Ranke einen erweiterten Entwurf vor in dieser Sache, der bei aller Knappheit des Vortrages doch die wesentlichsten Gesichtspunkte klar und bestimmt hervor¬ hebt und ein wahres Meisterstück in organisatorischer Hinsicht genannt werden muß, nebenbei bemerkt auch stilistisch die höchste Vollendung zeigt.*) Die nähere Darlegung des Planes veranlaßte nunmehr die Kommission, dessen Ausführung in den Kreis ihrer Untersuchungen aufzunehmen. König Maximilian setzte die größten Hoffnungen auf die Ausführung desselben und erklärte, die Kosten in ihrem ganzen auf 50 000 Gulden angeschlagenen Umfange durch eine besondre Bewilligung decken zu wollen. Es war ihm nicht mehr vergönnt, auch nur die Anfänge dieses wahrhaft nationalen Werkes zu schauen. Dennoch wurde das¬ selbe so rasch und energisch gefördert, daß es wenigstens für den der neuern Zeit gewidmeten Teil, der mit Recht zuerst in Angriff genommen wurde, seiner Vollendung entgegengeht. Erst vor wenigen Tagen erhielten wir K. Bursians Geschichte der klassischen Philologie, der sich die noch ausstehenden Dar¬ stellungen der Geschichte der Historiographie, der Geologie, der Physik, der Medizin und der Kriegswissenschaften in nicht zu ferner Zeit anschließen sollen. Die Kommission hat ferner die Ausdehnung des Werkes auf die Zeit des Mittelalters bereits ins Auge gefaßt. Das gesamte Werk aber, wenn erst voll¬ endet, wird sicher den Ausspruch Döllingers bestätigen, daß wir es getrost dem *) DcrEntwmf ist abgedruckt inSybcls historischcrZmtschnft Band IIBcilagc S. 54—61.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/493>, abgerufen am 28.07.2024.