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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das Volk in Waffen.

europäischen Großstaaten mit Ausnahme Englands im allgemeinen ähneln, hat
den Vorzug, ein in seinen Elementen gleichartiges Heer zu liefern und junge
Mannschaften für die Feldarmee zu stellen, denn die Stärke eines Volkes liegt in
seiner Jugend. Ergraute Generale und Offiziere haben auch in unsrer Zeit
den alten Ehrenplatz behauptet, unter den Soldaten indessen hat der Veteranen¬
stand seine Bedeutung verloren, ja auf den Mut wirkt Erfahrung nicht selten schädlich.

Die heutige Kriegführung bringt eine vielfache Abstufung der Dienst¬
leistungen mit sich. Daraus erklärt sich die Teilung und die verschiedenartige
Verwendung der Truppen nach der Kriegstüchtigkeit der in ihren Reihen vereinigten
Mannschaften. Die aus den jüngsten Leuten zusammengesetzte Feldarmee schlägt
in erster Linie die Schlachten. Ihr zunächst an Brauchbarkeit stehen mit ihren
älteren Jahrgängen die Feldreservetruppen. Sie sind bestimmt, im Notfalle
der Feldarmee als Verstärkung zu dienen, die Belagerungen fester Plätze durch¬
zuführen, die Verkehrswege zu sichern und das feindliche Gebiet im Rücken des
Heeres niederzuhalten. Die nicht mehr völlig felddienstfähigen Elemente werden
zu Besetzungstruppen vereinigt, welche zunächst für die Bewachung heimatlicher
Festungen bestimmt, im Lauf der kriegerischen Verwicklung oft auch die Feld-
reservetruppeu verstärken müssen. Eine Anzahl von Aufgaben, wie die Be¬
wachung von Gefangenen und Strafanstalten, den Wach- und Signalements¬
dienst von unbefestigten Küstenstrecken, an Stromläufcn und Gebirgen, vermögen
Aufgebote zu verrichten, welche wie der deutsche Landsturm dem eigentlichen
Heere nicht angehören. Außerdem ist für die Heeresverwaltung ein ausge¬
dehnter Arbeits- und Handwerksdienst im Lande zu verrichten, und ebenso
erfordert der Sanitätsdienst viel helfende Arme. Von besondrer Wichtigkeit
sind die Ersatztruppen, deren Dienst in der Ausbildung und Bereithaltuug von
Ersatzmannschaften für die ins Feld gezogene Armee besteht. Im großen fran¬
zösischen Kriege find der deutschen Armee nicht weniger als 2000 Offiziere und
220 000 Mann zum Ausgleiche von Verlusten aller Art nachgesendet worden,
und eine gleiche Zahl stand bei Abschluß des Friedens noch zur Verfügung.

Die Heereseinteilung eines Staates schließt sich am besten der politischen
Einteilung an. Die als selbständige große Schlachtentorper so gebildeten
Armeekorps werden im Kriege zu Armeen vereinigt, zerfallen aber wieder in
Divisionen und Brigaden. Die Stärke der verschiedenen Truppenkörper wird
nicht willkürlich gewählt, sie ergiebt sich aus mancherlei praktischen Verhältnissen
auf natürliche Weise. Ebenso findet sich auch ein natürliches Maß der kleinsten
Truppeneinheiten, des Bataillons, der Kompagnie, der Eskadron, der Batterie.
Im Anschluß an Rüchcls Ausspruch: "Der Geist der preußischen Armee sitzt
in ihren Offiziers" entwickelt der Verfasser die Wichtigkeit eines tüchtigen, ehr-
liebenden, gesellschaftlich hochgestellten Offizierkorps und weist namentlich auch
auf die Wichtigkeit eines starken Offizierkorps des Beurlaubtenstandes hin.

Im zweiten Hauptabschnitte wird die Führung der Heere behandelt.
Die großen Feldherren aller Zeiten haben stets einen entscheidenden Einfluß


Das Volk in Waffen.

europäischen Großstaaten mit Ausnahme Englands im allgemeinen ähneln, hat
den Vorzug, ein in seinen Elementen gleichartiges Heer zu liefern und junge
Mannschaften für die Feldarmee zu stellen, denn die Stärke eines Volkes liegt in
seiner Jugend. Ergraute Generale und Offiziere haben auch in unsrer Zeit
den alten Ehrenplatz behauptet, unter den Soldaten indessen hat der Veteranen¬
stand seine Bedeutung verloren, ja auf den Mut wirkt Erfahrung nicht selten schädlich.

Die heutige Kriegführung bringt eine vielfache Abstufung der Dienst¬
leistungen mit sich. Daraus erklärt sich die Teilung und die verschiedenartige
Verwendung der Truppen nach der Kriegstüchtigkeit der in ihren Reihen vereinigten
Mannschaften. Die aus den jüngsten Leuten zusammengesetzte Feldarmee schlägt
in erster Linie die Schlachten. Ihr zunächst an Brauchbarkeit stehen mit ihren
älteren Jahrgängen die Feldreservetruppen. Sie sind bestimmt, im Notfalle
der Feldarmee als Verstärkung zu dienen, die Belagerungen fester Plätze durch¬
zuführen, die Verkehrswege zu sichern und das feindliche Gebiet im Rücken des
Heeres niederzuhalten. Die nicht mehr völlig felddienstfähigen Elemente werden
zu Besetzungstruppen vereinigt, welche zunächst für die Bewachung heimatlicher
Festungen bestimmt, im Lauf der kriegerischen Verwicklung oft auch die Feld-
reservetruppeu verstärken müssen. Eine Anzahl von Aufgaben, wie die Be¬
wachung von Gefangenen und Strafanstalten, den Wach- und Signalements¬
dienst von unbefestigten Küstenstrecken, an Stromläufcn und Gebirgen, vermögen
Aufgebote zu verrichten, welche wie der deutsche Landsturm dem eigentlichen
Heere nicht angehören. Außerdem ist für die Heeresverwaltung ein ausge¬
dehnter Arbeits- und Handwerksdienst im Lande zu verrichten, und ebenso
erfordert der Sanitätsdienst viel helfende Arme. Von besondrer Wichtigkeit
sind die Ersatztruppen, deren Dienst in der Ausbildung und Bereithaltuug von
Ersatzmannschaften für die ins Feld gezogene Armee besteht. Im großen fran¬
zösischen Kriege find der deutschen Armee nicht weniger als 2000 Offiziere und
220 000 Mann zum Ausgleiche von Verlusten aller Art nachgesendet worden,
und eine gleiche Zahl stand bei Abschluß des Friedens noch zur Verfügung.

Die Heereseinteilung eines Staates schließt sich am besten der politischen
Einteilung an. Die als selbständige große Schlachtentorper so gebildeten
Armeekorps werden im Kriege zu Armeen vereinigt, zerfallen aber wieder in
Divisionen und Brigaden. Die Stärke der verschiedenen Truppenkörper wird
nicht willkürlich gewählt, sie ergiebt sich aus mancherlei praktischen Verhältnissen
auf natürliche Weise. Ebenso findet sich auch ein natürliches Maß der kleinsten
Truppeneinheiten, des Bataillons, der Kompagnie, der Eskadron, der Batterie.
Im Anschluß an Rüchcls Ausspruch: „Der Geist der preußischen Armee sitzt
in ihren Offiziers" entwickelt der Verfasser die Wichtigkeit eines tüchtigen, ehr-
liebenden, gesellschaftlich hochgestellten Offizierkorps und weist namentlich auch
auf die Wichtigkeit eines starken Offizierkorps des Beurlaubtenstandes hin.

Im zweiten Hauptabschnitte wird die Führung der Heere behandelt.
Die großen Feldherren aller Zeiten haben stets einen entscheidenden Einfluß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/440>, abgerufen am 28.07.2024.